Notting Hill, bekannt geworden unter anderem durch den gleichnamigen Film mit Hugh Grant und Julia Roberts, ist eines der klassischen Beispiele für Gentrificationprozesse. Ein Artikel im Tagesspiegel erklärt, warum der Film dem Viertel den Rest gab: „Heute wird kaum noch über schöne Literatur geredet, nur noch über Immobilienpreise“:
An zwei der drei Ecken gegenüber der Kirche liegen Maklerbüros, da wird ein Zweizimmer-Souterrain-Apartment für 399 000 Pfund (483 000 Euro) angeboten, eine Vierzimmerwohnung mit Dachterrasse kostet 2,25 Millionen Pfund (2 839 224 Euro). An der dritten Ecke ist ein Schuhladen, in dem war Madonna auch schon shoppen. Westbourne Grove ist eine der angesagtesten Straßen der Stadt – selbst Oxfam, der wohltätige Second Hand-Laden, sieht hier aus wie eine Luxusboutique.
Die Entwicklung Notting Hills in den vergangenen Jahrzehnten klingt wie ein Lehrstück in Sachen Gentrification:
Hier wohnten einmal besonders viele Einwanderer aus Westindien, die nach dem Krieg in Scharen nach Großbritannien zogen, wo sie nicht unbedingt willkommen waren. In Notting Hill aber gab es Vermieter, die die heruntergekommenen Häuser billig aufkauften, in winzige Wohnungen aufteilten, meist ohne Bad, nur mit Außenklo, und in die sie, zu Wucherpreisen, die Leute stopften, an die sonst niemand vermieten wollte: Prostituierte, Dealer, Schwarze. „Das Londoner Napoli“ nennt Colin Macinnes den Stadtteil von damals in seinem Roman „Absolute Beginners“: mit „Häuserfassaden, um die sich kein Aas kümmert, so dass sie nie angestrichen werden, dazu wie Schnee die Splitter zerschlagener Milchflaschen auf aufgerissenem Pflaster und überall Wagen, die auf den Straßen parken und aussehen, als seien sie gestohlen oder einfach stehengelassen worden, und komisch viele Pissoirs…“
In den 1970/80er Jahren wird Notting Hill als multikultureller Ort beschrieben und wird zur Legende: Studenten, Hippies, Künstler und Linke prägen eine typische Pionierphase der Aufwertungsprozesse.
Heute sind hier nicht mehr Linke und Alternative zu Hause, sondern Werbeleute, Modedesigner, Banker, mit der Steigerung „amerikanische Banker“ (deren Arbeitgeber wohl jede Miete zahlen). Und die Konservativen. „The Notting Hill Set“ wurde die Gruppe junger Tories um deren heutigen Chef David Cameron getauft, die vor ein paar Jahren die Macht in der Partei übernahmen.
Erst die Armen, dann die Künstler und schließlich die Reichen: Klassischer, ja, langweiliger könnte der Prozess der Gentrification kaum verlaufen. Und doch ist etwas anders in Notting Hill. Das Viertel ist weniger ein reines Ghetto als eine Art Patchworkdecke. Zwischen den renovierten und wieder zu Einfamilienhäusern umgebauten alten Gebäuden liegen lauter Sozialwohnungsblöcke der Nachkriegszeit. Und die werden nicht verschwinden, denn jeder Zentimeter bezahlbarer Wohnraum ist in London eine große Kostbarkeit. So kann es passieren, dass jemand drei, vier Millionen Pfund für ein schmales Reihenhäuschen ausgibt – mit Blick auf sozialen Wohnungsbau.
Der umstrukturierte Prenzlauer Berg wird eher durch seine Gastauftritte in kleinen Independent Musikvideos berühmt!