Unter dem Titel »Creative Class in Berlin« stellte Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) kürzlich eine Studie des Instituts für Stadt- und Regionalplanung der Technischen Universität über die Berliner Kreativwirtschaft vor. Über den Mythos der Kreativität in Stadtenwicklungsprozessen ist schon viele geschreiben und gesagt worden. Dass die für Stadtentwicklung zuständige Senatorin nun ausgerechnet eine Studie vorstellt , die vom Immobilienunternehmen Orco Germany und der Berlin Partner GmbH beauftragt wurde, zeigt zumindest deutlich welche Interessengruppen die Debatte um die ‚creativ city‘ in Berlin bestimmen. Unter dem Titel „Pioniere der Szeneviertel. Studie zum Standortverhalten von Kreativunternehmen“ gibt es in der aktuellen Ausgabe des Neuen Deutschland eine kurze Zusammenfassung der Studie zu lesen:
Pioniere der Szeneviertel. Studie zum Standortverhalten von Kreativunternehmen
Von Andrej Holm
Unter dem Titel »Creative Class in Berlin« stellte Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) kürzlich eine Studie des Instituts für Stadt- und Regionalplanung der Technischen Universität über die Berliner Kreativwirtschaft vor.
Als kreativ bezeichnen Professor Dietrich Henckel und seine Arbeitsgruppe – ganz im Sinne Richard Floridas Definitionen einer creative class – all jene Unternehmen, »die dafür bezahlt werden, Probleme zu identifizieren und dafür neue Lösungen zu entwickeln beziehungsweise ihr akquiriertes Wissen auf neue Weise zu kombinieren«. Konkret geht es dabei um Musikverlage und Tonstudios ebenso wie um Presseagenturen und Rechtsberatungen oder Architekturbüros und Softwareentwickler. Insgesamt werden in der Studie 20 Bereiche der Kreativwirtschaft benannt. Kaum ein Wirtschaftszweig wird so stark von den Erwartungen der Stadtpolitik begleitet wie die Kreativwirtschaft: wissensbasierte Ökonomie, kreative Klassen und selbst die kreative Stadt sind weltweit längst zur magischen Formel der Stadtpolitik geworden.
Auch in Berlin ist von Kreativität immer dann die Rede, wenn traditionelle Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung an Grenzen gerät. Kritiker jedoch halten diese Hoffnungen für überschätzt und bezweifeln die branchenübergreifenden Effekte der Kreativwirtschaft ebenso wie deren Wachstumspotenzial.
Von knapp 9000 den Kreativbranchen zugerechneten Unternehmen in Berlin beteiligten sich etwa 2000 an der Befragung. Eigentlich ein guter Rücklauf, um die Arbeitsbedingungen und wirtschaftlichen Effekte der schätzungsweise 150 000 Arbeitsplätze in der Berliner Kreativwirtschaft zu untersuchen. Doch dies war leider gar nicht das Interesse der von dem Immobilienunternehmen Orco Germany und der Berlin Partner GmbH beauftragten Studie. Statt Investitionsvolumen, Vertragsbedingungen und Löhne der Branche zu erfragen, standen Standortverhalten und Effekte für die Immobilienwirtschaft im Vordergrund der Untersuchung.
Kreative Unternehmen sind oft Aufwertungspioniere: 72 Prozent der Unternehmensstandorte liegen innerhalb des S-Bahnringes. Am stärksten ausgeprägt – so ein Ergebnis der Befragung – sei die Innenstadtpräferenz bei den Galerien, die zu 94 Prozent in der Innenstadt liegen. Die Studie verweist auf einen engen Zusammenhang zwischen den Standorten der Kreativunternehmen und wohnungswirtschaftlichen Aufwertungsprozessen. Zwar glauben nur knapp 20 Prozent der Kreativunternehmen, die städtische Umgebung stelle eine Innovationsquelle für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dar – fast 90 Prozent hingegen glauben zumindest teilweise, dass die Kreativwirtschaft eine zentrale Bedeutung für die Entstehung von Szenevierteln hat.
Diesen Zusammenhang bestätigen die hohen Anteile von Kreativunternehmen in der Ostberliner Innenstadt. Über 90 Prozent der Unternehmen dort sehen die Aufwertung in Mitte und Prenzlauer Berg als abgeschlossen oder in vollem Gange an. Doch auch die möglichen Orte einer künftigen Aufwertung werden in der Studie benannt: jeweils ein Drittel der befragten Unternehmen in Neukölln und Wedding schätzen für ihre Stadtteile ein, dass die Aufwertung vor kurzem begonnen hat – ein deutlich höherer Wert als in allen anderen Bezirken. Auch wenn ein Großteil der Kreativunternehmen über den prekären Status der Zwischennutzung nicht hinaus kommen sollte – für die Immobilienwirtschaft lohnt sich allein solch eine Prognose.
Auch die Stadt München hat das Potenzial der Kreativbranche erkannt und letztes Jahr eine Studie in Auftrag gegeben mit dem Titel „München – Standortfaktor Kreativität“. Diese wurde vom Department für Geographie der LMU München erarbeitet. Darin wird aber nicht das Potenzial der kreativen Klasse für die Stadtentwicklung, sondern vielmehr das wirtschaftliche Potenzial der Kreativbranche beleuchtet. Fragen wie, wer sind die kreativen Wissensarbeiter in München, welche Umsätze generieren sie und was lockt sie nach München stehen im Mittelpunkt der Studie. Und Ziel ist es natürlich herauszubekommen, welche Qualität München haben muss, um sie hier zu halten.
Auch wenn in der Studie nicht erwähnt, darf nicht vergessen werden, dass auch die kreativen Wissensarbeiter in München die Stadtentwicklung beeinflussen und Gentrifizierungsprozesse in Gang setzen. Wegen der ohnehin angespannten Wohnsituation sind die Mieten in zentraler Wohnlage ins unermessliche gestiegen.
Interessant wäre ein Vergleich der beiden Studien, da ich vermute, dass der Begriff der Kreativen unterschiedlich definiert wird. Während ihnen in Berlin die Rolle der Zwischennutzer zugewiesen wird, die das Image der jeweiligen Stadtviertel aufmöbeln sollen, stellen sie in München eine etablierte kaufkräftige Klasse dar, die nicht mehr Pioniere sind, sondern Gentrifier.
…. und auch Dresden ist dabei. Besonders die enge Verbindung von Hochschulen, Design, Hightech und Kunst/ Kultur (in Form jahrhundertealter Traditionen) bietet einen fruchtbaren Boden für zukünftige Entwicklungen der Creative Class. Es wird der Treiber künftiger Entwicklungen sein.