Berlin: Verdrängungsmotor Hartz-IV

Der in Berlin erscheinende Tagesspiegel berichtet heute über die geplante Reform der „Ausführungsvorschrift Wohnen“. Darin werden die sogenannten Richtwerte für die „angemessenen Wohnkosten“ von Hartz-IV-Empfänger/innen festgelegt. Laut Tagesspiegel ist für Einpersonenhaushalte eine Erhöhung dieser Richtwerte von 5 Prozent geplant – das entspricht dann 378 Euro statt bisher 360 Euro für die monatliche Bruttowarmmiete. Der Titel Hartz-IV-Empfänger bekommen mehr Geld grenzt jedoch an den Tatbestand der bewussten Irreführung. Zum einen werden ja nur die tatsächlichen Wohnkosten übernommen, so dass die korrekte Überschrift hätte lauten müssen: Vermieter dürfen mehr Miete von Hartz-IV-Mieter/innen verlangen. Zum anderen hat der Tagesspiegel in seinem Bericht das wichtgste Element der Neuregelungen fast übersehen. Im Text heisst es:

Koalitionsintern ist das Maß der Erhöhung noch umstritten. Die Linke fordert mehr als fünf Prozent und möchte die Zweipersonen-Haushalte einbeziehen. Außerdem versucht Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linke), Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) einen gesonderten Heizkostenzuschlag für alle Hartz- IV-Empfänger abzuhandeln. Im Gegenzug ist sie bereit, die in Berlin geltende Regelung aufzugeben, nach der die Mietkosten ein Jahr lang ungeprüft übernommen werden. Erst dann wird kontrolliert, ob die Wohnkosten den amtlichen Richtwerten der „AV Wohnen“ entspricht.

Dieses eine Jahr Schonfrist hat bisher dafür gesorgt, dass es in Berlin relativ wenige Umzugsaufforderungen und Zwangsräumungen gab. Denn den Sozialstatistiken zu Folge ist im erste Jahr die Chance auf einen neuen Job am größten. Viele Hartz-IV-Empfänger/innen sind weniger als ein Jahr auf die Transferleistungen angewiesen. Fällt die bisherige Ein-Jahres-Regelung, wird sich die Zahl der Aufforderungen zur Kostensenkung der Wohnkosten deutlich erhöhen, Damit werden sich auch die Umzüge aus ‚zu teuren‘ Wohnungen erhöhen. Vor allem in den Aufwertungsgebieten mit überdurchschnittlichen Mietpreisen ist also mit einem verstärkten Verdrängungsdruck durch die neuen Regelungen zu rechnen. Die sonst von der Berliner Politik so gefürchteten Segregationstendenzen werden verstärkt und Prenzlauer Berg und Mitte werden zu Hartz-IV-freie Stadtgebiete mutieren. Denn 18 Euro mehr oder weniger spielen bei den derzeitigen Mietpreisentwicklungen in diesen Gebieten keine große Rolle.

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