Instrumente gegen Verdrängung und steigende Mieten

In der bereits erwähnten Zeitung „Hallo Potsdam“ gibt es auch einen kleinen Übersichtsbeitrag zu den möglichen Steuerungsinstrumenten im Kontext von Gentrificationprozessen:

Instrumente gegen Verdrängung und steigende Mieten

von Andrej Holm

Gentrification, die Aufwertung von Stadtvierteln und Verdrängung ärmerer Bewohner_Innen aus ihren Nachbarschaften, bestimmt seit einiger Zeit die stadtpolitischen Diskussionen in vielen Städten. Während Hauseigentümer_Innen, Investor_Innen und die sie finanzierenden Banken viel Geld mit der Aufwertung von Wohnungen und ganzen Stadtteilen verdienen, bleibt vielen Bewohner_Innen oft nur der Umzug in eine billigere, und meist schlechtere Wohnung. Die Mietbelastungsquoten in Aufwertungsgebieten steigen schneller als in anderen Teilen der Stadt, trotzdem ist es insbesondere für ärmere Haushalte immer öfter schwer, überhaupt eine bezahlbare Wohnung zu finden. Insbesondere Mieterverbände und Stadtteilinitiativen organisieren sich schon seit langem gegen diese unsozialen Effekte der städtischen Aufwertung.

Von Politiker_Innen und vielen Medien wird den Kritiker_Innen der Gentrification oft vorgeworfen, gegen jede Veränderung zu sein und schlechte Wohnverhältnisse konservieren zu wollen. Diese Argumentation ist nichts anderes als die stadtpolitische Variante des neoliberalen TINA – There Is No Alternative. Doch auch im Bereich der Wohnungspolitik gibt es Alternativen zur marktförmigen Verwertungslogik. Inbsondere das Miet- und Städtbaurecht, die Stadtpolitik und öffentliche Wohnungsbaugesellschaften bieten viele Ansatzpunkte für eine soziale Wohnungsversorgung. Sie müssen jedoch politisch gewollt und durchgesetzt werden.

Das Mietrecht regelt in Deutschland die Vertragsbeziehungen zwischen Mieter_Innen und Eigentümer_Innen und begrenzt dabei grundsätzlich auch willkürliche Mieterhöhungen. Das sogenannte Vergleichsmietensystem arbeitet dabei mit lokalen Mietspiegeln, so dass für vergleichbare Wohnungen auch vergleichbare Mieten gezahlt werden müssen. Das Problem ist, dass die meisten Städte bei der Erstellung der Mietspiegel vorrangig die Neuvermietungen der vergangenen Jahre auswerten – die liegen meist über den Bestandsmieten, so dass die Mietspiegelwerte immer weiter steigen und dann eben auch die Bestandsmieten erhöht werden können. Insbesondere in Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt wäre es sinnvoll, die Mietspiegelfestlegung stärker an den Bestandsmieten zu orientieren. So könnten die Städte in Aufwertungsgebieten Altmieter_Innen einen besseren Schutz vor Mieterhöhungen geben. Daneben wird seit einiger Zeit eine Reform des Mietrecht gefordert. Insbesondere die Modernisierungsumlagen und die Höhe der Mieten bei Neuvermietungen sollen dabei begrenzt werden.

Neben dem Mietrecht haben Städte die Möglichkeit in ausgewählten Gebieten sogenannte städtebauliche Sondersatzungen festzulegen. In solchen Sanierungs- und Milieuschutzgebieten gelten besondere Genehmigungsvoraussetzungen für alle Bauvorhaben und Modernisierungen. Neben der sonst üblichen Baugenehmigung brauchen Eigentümer_Innen und Investor_Innen hier eine zusätzliche Genehmigung, die nur gegeben wird, wenn die Ziele der Sanierungs- oder Milieuschutzsatzung eingehalten werden. Die politische Auseinandersetzung darf bei der Forderung solcher Gebietsfestlegungen nicht stehenbleiben, sondern sollte sich aktiv in die Formulierung von Sanierungszielen einbringen. Insbesondere im Rahmen von Milieuschutzsatzungen gibt es die Möglichkeit für Modernisierungsvorhaben, eine Standardbegrenzung durchzusetzen und somit Luxusmodernisierungen und ihre entsprechenden Mietsteigerungen einzuschränken.

Das klassische Instrument der sozialen Wohnungspolitik waren lange Zeit Förderprogramme, in deren Rahmen soziale Mietentwicklungen langfristig gesichert werden sollen. Mit dem Argument der leeren Haushaltskassen wurde solche Fördergelder in den letzten 15 Jahren drastisch gekürzt – doch gerade die Rettungspakete für angeschlagene Banken und Unternehmen zeigen, dass die Kein-Geld-da-Argumentation nicht mehr auf ganz sicheren Füssen steht. Geld ist ganz offensichtlich da, es kommt darauf an seine sinnvolle (soziale) Verwendung durchzusetzen. Die Zeit der Konjunkturprogramme erscheint als ein passender Zeitpunkt, einen Neuen Sozialen Wohnungsbau einzufordern. In anderen Ländern (Kanada, Frankreich) gibt es Programme, in deren Rahmen explizit in besseren Vierteln und Aufwertungsgebieten soziale Wohnbauten für ärmere Bewohner_Innen errichtet werden. So kann der Staat zwar die direkte Verdrängung durch Wohnungsmodernisierungen nicht verhindern, aber zumindest der sozialen Exklusion in solchen Nachbarschaften entgegenwirken.

Eine ähnliche Wirkung ließe sich durch eine Rückkehr zu einer sozialen Ausrichtung öffentlicher Wohnungsunternehmen und im Umgang mit städtischen Liegenschaften erreichen. Statt kommunale Wohnungsbaugesellschaften zu privatisieren und einer immer stärkeren Ökonomisierung zu unterwerfen, sollten Städte ‘ihre’ Wohnungsbestände wieder verstärkt als Instrumente der Wohnungspolitik begreifen und benutzen. Insbesondere in Nachbarschaften mit steigenden Mietpreisen und vielen Modernsierungsaktivitäten sollten öffentliche Wohnungen gezielt zu günstigen Konditionen an ökonomisch benachteiligte Haushalte vermietet werden. In der Realität versuchen auch die öffentlichen Wohnungsunternehmen dort leider meist so hohe Mieten wie möglich zu kassieren. Doch es gibt keinen Zwang, öffentliches Eigentum in erster Linie als Geldquelle für öffentliche Haushaltskassen zu verstehen – es fehlt nur am politischen Willen, eine andere Wohnungspolitik zuzulassen und zu finanzieren.

Die kleine Aufzählung mag verdeutlichen, dass es vielfältige Instrumente für eine andere, eine sozialere Wohnungspolitik gibt. Gemeinsam ist allen Vorschlägen, dass sie letztendlich die Logiken des Wohnungsmarktes zumindest einschränken. Langfristig und dauerhaft wird eine soziale Stadt nur durch die Sozialisierung der Wohnungsversorgungssysteme und den Aufbau von marktfernen Wohnungsangeboten zu haben sein. Bis dahin sollten stadt, wohnungs- und mietpolitische Initiativen sich organisieren, breite Bündnisse bilden und schrittweise eine soziale Wohnungspolitik durchsetzen.

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