Hanau: Luxuswohnen als Standortfaktor

Für alle, die bisher glaubten, die Theorie zur „Unternehmerischen Stadt“ ist die Erfindung von marxistisch verbohrten Sozialwissenschaftler/innen, denen sei ein Blick in die Frankfurter Rundschau empfohlen. In den Konzepten zur „Unternehmerischen Stadt“ werden verschiedene Tendenzen der neoliberalen Stadtpolitik zusammengefasst. Durch eine steigende Schere von kommunalen Handlungsbedarfen und den städtischen Handlungsressourcen – so die Argumentation – verlegen vielen Städte den Schwerpunkt ihrer Stadtpolitik auf die Werbung um Unternehmensansiedlungen, Besserverdienende und Tourist/innen. In diesem Bemühen stehen die Städte – ganz wie Unternehmen – in Konkurenz zu anderen Städten. Durch diesen Städtewettbewerb verringern sich in der Regel die kommunalen Ausgaben für eine soziale Infrastruktur, während Geld vor allem für Aufwertungsprojekte und das Stadtmarketing ausgegeben wird.

Hanau – eine ehemalige Residenzstadt in der Nähe von Frankfurt/Main – hat einen klassischen Prozess des funktionalen Bedeutungsverlustes durchmachen müssen und setzt nun auf die Aufhübschung des Stadtzentrums und „Mehr Luxus beim Wohnen“:

In diesem Zusammenhang fordern Hanauer Lokalpolitiker unter anderem die Errichtung von Wohnungen für Besserverdienende – mit der vagen Hoffnung, dass solche dann ausgrechnet nach Hanau ziehen. Denn mit plötzlichen Einkommensteigerungen der jetzigen Bevölkerung ist nicht zu rechnen.

„Für die breite Mittelschicht muss ausreichend Fläche für die Wohnbebauung ausgewiesen werden“, fordert Thomas Morlock, Sprecher für Stadtentwicklung in der FDP-Fraktion im Hanauer Rathaus. Investoren solle die Möglichkeit eröffnet werden, „geeignete Miet- und Eigentumswohnungen zu errichten“.

„Hanau muss raus aus der Schmuddelecke“, sagt FDP-Vorsitzende Ursula Schäfer. Schlimm genug, dass es nicht mehr darum geht, die Armut zu bekämpfen sondern die Armen aus der Innenstadt zu drängen: in Hanau beteiligt sich die öffentliche Wohnungsbaugesellschaft an dieser Politik:

(An der Französischen Allee) lässt die städtische Baugesellschaft Hanau seit geraumer Zeit die einst unter Sozialbindung stehenden Gebäude leer wohnen. Wird eine Wohnung frei, bleibt sie es auch. Es wird auf den finanzkräftigen Investor gewartet, der (…) ein Quartier für Gutverdiener hochzieht.

Als gelte es zu beweisen, die neoliberalen Politikmuster auch wirklich zu beherrschen erklären die  FDP-Lokalpolitiker gegenüber der Frankfurter Rundschau, warum teure Wohnungen gut für die Stadt seien:

Hanau befinde sich mit anderen Kommunen im Wettbewerb, um wirtschaftsstarke Unternehmen und deren gut bezahlte Beschäftigten zu gewinnen und zu halten, so Schäfer. Ein adäquates Wohnumfeld sei ein bedeutender Standortfaktor für künftige Firmen in Hanau. Freidemokrat Morlock betont, dass die Stadt sich von einem Industrie- zu einem Hightech-Standort hin bewege. Eine Entwicklung, die sich in den wohnungspolitischen Leitlinien widerspiegele.

4 Gedanken zu „Hanau: Luxuswohnen als Standortfaktor

  1. Pingback: Hanau: Aufwertung und Verdrängung (Veranstaltung) « Gentrification Blog

  2. Hallo Andrej,

    mal ne nachfrage zur G-Theorie.
    Unter was für eine Kategorie Gentrification kann man die Entwicklung in Hanau einordnen. Dabei meine ich speziell die Entwicklung in dem Gebiet wo sich der Mieterrat formiert hat.
    Der Prozess läuft ja kurz gesagt so ab: jahrelang Sanierungsstau – jetzt Mieter raus – dann neue Wohnungen und neue Mieter rein.
    Das läuft ja alles sehr stark mit offener stadtpolitischer Lenkung ab. Also, bevor eine Projektgesellschaft überhaupt investiert muss erstmal „sauber“ gemacht werden.
    Was wäre das denn nun?
    – klasse Gentrif.- Nee, is klar
    – New-Build G- eigentlich doch auch nicht, oder?
    Oder passt ne Gentrification-Theorie hier vielleicht gar nicht so gut?, bzw. muss man die entwickeln/anpassen. Es geht ja im gesamten Innenstadtbereich um „Aufwertung“.

    Gruß, Kai

  3. Pingback: Mietverein der Biber und politische Verdrängung « Stoppt den „Wettbewerblichen Dialog“ – Hanau für alle!

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