Die Welt-Online macht sich Sorgen. Um Berlin. Anlass ist dass Bürgerbegehren gegen die Investorenpläne von Media Spree und die dahinter stehende Furcht vor Gentrification. Unter dem Titel „Das ist die Berliner Angst“ polemisiert der Beitrag gegen die völlig unbegründeten Verdrängungsbefürchtungen. Besonders schlimm: die Intoleranz der Aufwertungsgegner/innen. Selbst kleine Cafes werden nicht verschont:
Es liegt einen Spaziergang entfernt von dem umkämpften Ufer und ist doch ein Ort, wo man alles darüber lernen kann. Denn dort – auf dem Boden neben einer ausgemusterten Espressomaschine – steht ein Eimer mit Fassadenfarbe. Die Besitzerin, eine junge Mutter, die sich Kind und Café mit dem Vater teilt, hat erst vor zwei Wochen wieder streichen müssen: „Yuppie scum“ hatte diesmal jemand auf die Wand geschmiert: „Yuppie-Abschaum“. Wer diese jungen Eltern in Latzhosen für Yuppies hält, der fürchtet sich erst Recht vor Hochhäusern.
Völlig überzogen sei der Vergleich mit Entwicklungen in den Metropolen der USA und wirklich verdrängt wird in Berlin ja auch niemand:
Wenn jemand aus Friedrichshain oder Kreuzberg vertrieben wird, dann nicht wegen hoher Mieten, sondern wegen lauter Musik. Zugegeben: In Prenzlauer Berg gibt es mittlerweile tatsächlich Berliner Altbauten zu Düsseldorfer Preisen, aber nebenan ist das Arbeiter- und Araberviertel Wedding mit viel Platz für Leute, die nicht neben Nachbarn mit geregelten Einkommen leben wollen. In Wirklichkeit ist die angebliche Verdrängung ein Bevölkerungsaustausch, der den Proletenbezirk Prenzlauer Berg erst zu dem gemacht hat, was er gerade aufhört zu sein. Der Kampf gegen Investoren und Gentrifizierung ist im Kern konservativ.
Das schöne an der Welt-Online ist, dass so etwas nicht nur behauptet, sondern auch gleich noch begründet wird. Und zwar tiefenpsychologisch:
Gegen die Gentrifizierung und Kommerzialisierung des Nachtlebens regt sich kein Widerstand. Praktische Veränderungen bewältigen die Berliner nämlich ganz gut. Ihr Problem ist ein mentales. Vielleicht ist einfach alles zu schnell gegangen. Wenn sich das Sein so schnell ändert, hinkt das Bewusstsein hinterher. Nach der Wiedervereinigung grassierte bei Intellektuellen noch die Angst, Berlin könnte zu deutsch werden.
Und die neuen Ängste der Berliner? Na? Natürlich Amerika. Ist doch der neue Kampfbegriff ausgerechnet eine angloamerikanische Wortschöpfung. Und gegen Gentrification zu sein, ist schon irgendwie auch Antiamerikanismus. Alle, die es nicht auf anhieb verstehen, sollten öfter Welt lesen…