Die Beiträge zum Luxuswohnen in Berlin überschlagen sich förmlich. Nach den Beiträgen in der Berliner Zeitung (hier im Blog) und in dem Berliner Tagesspiegel (siehe hier) wagt sich nun auch die überregional erscheinende FAZ ans Thema: Berlin: Luxus für den Kiez. Dem dort zitierte Immobilienentwickler Maik Uwe Hinkel jedoch gefällt das Gerede von Luxuswohnungen gar nicht:
Als Kaufpreis für die 165 Quadratmeter großen 4-Zimmer-Wohnungen verlangt sein Unternehmen 450.000 bis 490.000 Euro. „Es ärgert mich, wenn da von Luxuswohnen die Rede ist“, sagt Hinkel und spielt auch auf die Vorbehalte an, die Neubauvorhaben wie diesem aus der Nachbarschaft entgegenschlagen. „Luxus fängt bei mir bei 10.000 Euro an.“ (Gemeint sind Kaufpreise pro Quadratmeter)
Doch unabhängig von den verschiedenen Kategorien des Luxuswohnens, die neuen Wohnungsangebote in Prenzlauer Berg richten sich an Besserverdienende. Und das nicht nur im Neubausegment. Wie sich diese Entwicklung auswirkt, zeigt eine kürzlich fertig gestellte Sozialstudie für das Sanierungsgebiet Kollwitzplatz (PFE 2008). Dort findet sich unter anderem der Hinweis, dass es nur noch 4 Prozent Arbeiter am Kollwitzplatz gibt. Diese und andere interessante Zahlen über die Veränderung der Sozialstruktur in den vergangenen 15 Jahren gibt es dort zu lesen:
„Über die Hälfte der Befragten ist nach 2000 in die Wohnung gezogen, rd. 15% der Befragten wohnte bereits vor 1990 in ihrer jetzigen Wohnung … (immerhin) … 25% wohnten bereits in der Wohngegend (Sanierungsgebiet Kollwitzplatz und Umgebung- benachbarte Sanierungsgebiete)“ (PFE 2008: 4)
Natürlich – so die Studie – wurden die anderen 75 Prozent der früheren Bewohnerschaft nicht verdrängt, vielmehr sei dies mit „vielfältigen individuellen Umzugsgründe‘ zu erklären… Naja, jedenfalls leben die früheren Bewohner/innen der größte Teil nicht mehr im Gebiet und die Sozialstruktur im Gebiet hat sich tiefgreifend verändert.
Unter allen Peronen im erwerbsfähigen Alter am Kollwitzplatz wurden nur noch 4 Prozent Arbeiter festgestellt (Berlin: 19%), dafür weist das Gebiet mit fast 40 Prozent den wohl höchsten Anteil von Selbständigen und Freiberuflern auf. Entsprechend deutlich gestiegen sind die Einkommen: mit einem durchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommen von 2.332 Euro im Monat liegen die Einkommen fast 40 Prozent über dem Berliner Durchschnitt. Die größten Sprünge der Einkommensentwicklung sind dabei auf die Zuzüge der letzten fünf Jahre zurückzuführen. Nur zur Erinnerung: zu Beginn der Sanierung 1992 lag das Durchschnittseinkommen in Prenzlauer Berg bei etwa 60 Prozent des Berliner Durchschnitts.
Selbst die sehr vorsichtig formulierte Studie im Auftrag des Bezirks kommt zu der Schlussfolgerung einer
„langsam abnehmenden Durchlässig des Wohnungsmarktes für einkommensschwächere Haushalte… Im Ergebnis des sozialen Aufwertungsprozesses sind die heute im Sanierungsgebiet lebenden Haushalte … wohlhabender, besser ausgebildet und jünger als vor 2000“ (PFE 2008: 6)
Ganz unabhängig von der Frage, wo nun der Luxus beim Luxuswohnen beginnt – die zur Zeit gebauten Neubauprojekte werden diesen Trend der sozialen Aufwertung weiter verstärken.
Das mit dem „vor 1990“ ist mit Vorsicht zu interpretieren – nach meinen persönlichen Erfahrungen. Eine Wohnung am Kollwitzplatz war schon zu Vor-Wende-Zeiten in den späten 80ern Prestigeobjekte für bestimmte Szenekreise. Die für die Vergabe zuständigen kommunalen Stellen hatten am Ende keinen Durchblick mehr. In die unsanierten Altbau-Wohnungen wollten „Arbeiterfamilien“ nicht rein, wenn sie eine Plattenbau-Wohnung bekommen konnten. Dagegen hatten die Bewohner aus der „alternativen Szene“ nicht den Anspruch auf die relativ grossen Wohnungen. Also wurden Wohnungen „vererbt“. Wenn die Oma am Kollwittplatz starb, hat der Enkel mit Duldung der kommunalen Wohnungswirtschaft die Wohnung übernommen. Die damals Anfang- bis Mitte-20er sind heute im besten Prenzlauer Berg-Alter mit entsprechenden kreativen Jobs.
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Der Kollwitzplatz ist ganz einfach nur „nett“ sonst nichts. Ne Mogelpackung ohne wirkliches, echtes Flair. Damit man sich zwischendrin nochn bisschen erinnert werden drei vier Ruinen stehengelassen zwischen spiessig rot, grün und gelb gestrichenen Fassaden. Man möchte ja auch weiterhin zur Avantgarde gehören nicht wahr?
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