In Wien bleibt trotz kultureller Aufwertung die für Gentrificationprozesse typische Verdrängung aus. So jedenfalls verschiedenen Einschätzungen aus der Hauptstadt Österreichs. Im Stadtmagazin Falter wurden insbesondere der Soziale Wohnbau als Begründung angeführt (siehe Eintrag hier im gentrificationblog).
Stadtplaner und Verkehrsexperten hingegen glauben den Grund für die ausbleibenden Aufwertungen der Innenstadt in der anhaltenden Suburbanisierung gefunden zu haben. Schon vor etwa einem Jahr stellte Die Presse die Frage: „Weg mit dem Speck, zurück in die Stadt?“ Leicht rückläufige Wanderungsverluste an das Umland seien keine Trendumkehrung, so der Tenor des Artikels:
Es gibt allerdings auch Experten, die den Trend zur Re-Urbanisierung nicht erkennen wollen. Einer von ihnen ist der Raumplaner Heinz Fassmann, der die vermeintliche Trendumkehr in Frage stellt. „Es stimmt, dass im Westen und Süden der Stadt der Höhepunkt erreicht ist, allerdings wird sich die Suburbanisierung in den nächsten Jahren umso mehr auf den Norden und Osten konzentrieren.“ Und die jüngsten Enwicklungen in der Statistik? „Dabei handelt es sich möglicherweise um eine statistische Delle.“ Fassmanns Fazit: Abschwächung der Suburbanisierung – ja, Trendumkehr – nein.
Was dies mit den Gentrification in der Wiener Innenstadt zu tun haben soll, ist in einer aktuellen Ausgabe der Presse nachzulesen: Harmlose Bobos, amerikanische Speckgürtel.
… der von Stadtentwicklern auf den Namen „Gentrification“ getaufte Prozess, für den es im Metropolen-Quartett London, Paris, New York und Berlin nur wenige Jahre braucht, bleibt in Wien weitgehend trockene Theorie. Das verblüfft. Denn Trend-Viertel wie der Spittelberg oder der Karmelitermarkt mach(t)en in punkto Gastro- und Kulturszene eine ähnliche Entwicklung wie etwa Berlin-Kreuzberg oder das New Yorker Paradebeispiel Soho durch – die Durchmischung verschiedener Bevölkerungsgruppen bleibt in Wien aber weitgehend aufrecht. Darin sind sich Experten einig. Und: Nicht im innerstädtischen Bereich sei die Abwanderung wenig Zahlungskräftiger ein Thema, sondern eher am Rande: Die grünen Speckgürtel der Stadt gewinnen für den weniger hippen als traditionellen Mittelstand mit Kindern und Gartenbedarf immer mehr Attraktivität. Das Ergebnis: Dort ansässige Bewohner werden noch weiter an den Rand der Stadt verdrängt, die „Vorstadt“ rückt der biederen US-amerikanischen Version ein gutes Stück näher.
Ein bisschen Verdängung gibt es auch in Wien:
Kleinteiligkeit, Vertrautheit, ein Hauch von Provinz mitten in der Stadt – genau das haben sich die Bürgerlich-Urbanen im innerstädtischen Bereich erschaffen. Und dabei sehr wohl angestammte Bevölkerung verdrängt, meint zumindest der Wiener Stadtentwicklungsexperte Heinz Fassmann: „Natürlich gibt es Gentrification in Wien nur in zeitlich gedehnter, stark abgeschwächter Form. Aber dass es sie zum Beispiel in Neubau gibt, lässt sich schon an der politischen Machtübernahme der Grünen erkennen.“ Auch in der Josefstadt und im (fast schon wieder biederen) Ur-Trendviertel Spittelberg habe sich die Bevölkerungsstruktur teilweise verändert. Als Grund für das langsame Tempo der Prozesse nennt Fassmann die „gemischte“ Wohnbaupolitik sowie restriktive Mietgesetze. Dennoch: Aufhalten könne man die Gentrification nicht. Als „marktgestützes Stadterneuerungsphänomen“ bringe sie höhere Mieten durch Sanierungen mit sich. Diese könne die Stadt zwar subventionieren – aber nicht dauerhaft.