Polen: Zwangsräumungen und Containersiedlungen

"Keine Container Ghettos" - Protest gegen Zwangsräumungen in Poznan

Auf der Webseite des anarchistischen Hausprojektes Rozbrat in Poznan wurden kürzlich Namenslisten mit den Adressen von 278 Haushalten veröffentlicht, die von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft ZKZL geräumt werden sollen. Mit der Veröffentlichung wollen die Aktivist/innen zeigen, das entgegen der öffentlichen Stellungnahmen nicht nur „einzelne renitente Mieter“ geräumt werden sollen, sondern auch Familien mit Kindern und Bewohner/innen mit Behinderungen.
Da nach polnischem Recht – ein Relikt aus den sozialistischen Gesetzbüchern – niemand einfach auf die Straße gesetzt werden darf, haben mehrere Stadtverwaltungen begonnen Container-Siedlungen für die Exmittierten zu errichten.
Die Stadt Poznan hatte im Juli beschlossen ein solches Container-Dorf auf einer Industriebrache zu errichten. Mieterinitiativen protestieren seither gegen die drohenden Kündigungen und kritisieren diese Form der staatlich organisierten Ghettoisierung.

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Tel-Aviv: Zeltstadt gegen steigende Mieten

Tent City in Tel Aviv

UPDATE mit Bildern: ein Reisendankeschön an Cheb!

Die Bilder (1 | 2 | 3) erinnern ein bisschen an den Tahir-Platz in Kairo oder die M15-Proteste in Madrid und Barcelona. Überwiegend jungte Leute mit Gitarren, Transparenten und guter Laune versammeln sich in der Innenstadt zum Protest. Arabischer Frühling auch in Israel?

Die Haaretz titelt in ihrer englischen Ausgabe:  „Spirit of revolution starts in Tel Aviv, sweeps across Israel„. In der vergangenen Wochen habe studentische Aktivist/innen auf Tel Aviv’s Rothschild Boulevard eine Zeltstadt errichtet, um gegen die steigenden Mieten in der Stadt zu protestieren. Landesweite Studierendenorganisationen unterstützen die Proteste und haben trotz Prüfungsterminen aufgerufen, die Aktion zu unterstützen.

Am Wochende kamen hunderte, meist junge Leute zur Zeltstadt in Tel-Aviv und zeigten, dass Protest und Party kein Widerspruch sein muss:

What began last week like a summer festival, with people strumming guitars, singing and drinking beer into the wee hours, turn more serious over the weekend. People gathered in groups to debate how to make housing affordable for young people and to listen to academics and real estate professionals.

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Berlin: Ein Wohnraumgesetz als Orientierungslauf

Protest von Sozialmieter/innen in Berlin, 2010

So kurz vor der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus (im September) würde es eigentlich zu vermuten sein, dass die Parteien ein klares Profil entwickelt haben und in der Lage sind, dieses halbwegs professionell ans Wahlvolk zu verkaufen. Eigentlich. Denn zumindest die LINKE wartet zur Zeit mit einem erstaunlichen Zickzackkurs in Sachen Wohnungspolitik auf.

Das heute (23.06.2011)  zur Abstimmung vorliegende „Wohnraumgesetz“ – verwirrender Name, denn im Kern geht es um die Abschaffung des Sozialen Wohnungsbaus – bestimmt seit ein paar Wochen die wohnungspolitische Fachdebatte. Zumindest für den kleinen Koalitionspartner (DIE LINKE) ist es ein Hindernislauf mit offensichtlichen Orientierungsschwierigkeiten.

Erst dagegen seindann ein bisschen Kritik formulierenanschließend kleine Änderungen durchsetzen und zustimmen – zuguterletzt vor der entscheidenden Abstimmung im Abgeordnetenhaus doch mit der Aufkündigung der Koalitiondisziplin zu drohen

… liebe Genoss/innen, es wäre zwar letztendlich die richtige Entscheidung – ein Blumentopf oder gar Wahlen sind so aber nicht zu gewinnen.

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Berlin: Warum die Mieten steigen

Berlin: Fette-Mieten-Party als Protest gegen Gentrification

In den inzwischen populär gewordenen Bezugnahmen zu Gentrification-Theorien wird regelmäßig ein Bild des kulturell induzierten Wandels beschworen: „Erst kommen die Künstler/innen und Alternativen, dann steigen die Mieten…“. In den wissenschaftlichen Debatten hingegen werden politische und ökonomische Faktoren der Stadtentwicklung als zentrale Ursachen von Aufwertungsprozessen ausgemacht. Drei Meldungen aus den letzten Tagen verweisen auf die tatsächliche Relevanz solch einer polit-ökonomischen Perspektive.

Mietsteigerungen und Verdrängungsprozesse sind – so mein Argument – kein natürlicher Effekt der Stadtentwicklung, sondern unmittelbarer Ausdruck von politischen Entscheidungen und ökonomischen Interessen. Das klingt wie ein Allgemeinplatz („Wussten wir doch alles schon“) formuliert aber einen Anspruch, der in den wohnungspolitischen Debatten nur selten eingelöst wird. Wer nicht nur teuren Mieten in der Innenstadt haben will, wird sich vor allem mit der Stadtpolitik und der Wohnungswirtschaft auseinandersetzen müssen.

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Berlin: Vom Sozialen Wohnungsbau zum Spekulationsobjekt

Sozialer Wohnungsbau in Berlin Tiergarten - lässt sich damit Geld verdienen?

Klassische Gentrification-Studien gingen regelmäßig davon aus, dass die von ihnen beschriebenen Aufwertungsprozesse in baulich attraktiven aber heruntergekommenen Altbauvierteln stattfinden. Aktuelle Berliner Beispiele zeigen nun, dass Mietsteigerungen und Verdrängungsgefahren keineswegs auf Gründerzeitquartiere beschränkt bleiben. Ausgerechnet die ehemaligen Sozialwohnungsbestände in den Innenstadtbezirken haben sich zu veritablen Spekulationsobjekten entwickelt.

Im vergangenen Jahr sorgten die drastischen Mietsteigerungen im Fanny-Hensel-Kiez für Schlagzeilen. Mieterverbände und Betroffenen waren alarmiert und warnten, dass dies kein Einzelfall sei. Sie sollten Recht behalten.

Die Berliner Zeitung berichtet unter der Überschrift „Investoren können gut verdienen“ über Mietsteigerungen von bis zu 60 Prozent in den70 Wohnungen der Pohlstraße 43-53.

6,28 Euro pro Quadratmeter nettokalt sollten die Mieter, darunter viele Migranten und Hartz-IV-Bezieher, zunächst zahlen. Bisher lagen die Quadratmeterpreise meist zwei Euro und mehr darunter, je nach individuellem Mietvertrag. Die geforderte Summe hat die Erste D.V.I. zwar nach Prüfung durch die Investitionsbank Berlin (IBB) auf 6,16 Euro je Quadratmeter reduziert.

Etliche der jetzigen Mieter/innen werden sich die neuen Mieten nicht leisten können und ausziehen. Genau darin dürfte das Kalkül der Investoren liegen. Leerstehende Wohnungen können umgewandelt und als Eigentumswohnungen verkauft werden oder werden zu höheren Preisen auf dem Mietwohnungsmarkt angeboten. Die steigenden Mietpreise in fast allen Innenstadtbezirken minimieren das Risiko einer solchen Spekulation auf die künftige Ertragslage.

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Berlin: Gentrification im Sozialen Wohnungsbau?

Bild: http://waehltvera.wordpress.com

In den letzten Monaten sorgten Mietsteigerungen, Proteste und sogar ein Todesfall im Zusammenhang mit auslaufenden Förderprogrammen im Sozialen Wohnungsbau in Berlin für Schlagzeilen. Mieterinitiativen wie das ‚Bündnis Steigende Mieten Stoppen‚ befürchten sogar eine „Turbo-Gentrification“(pdf)  in ehemaligen Sozialwohnungen und das MieterEcho widmet dem Thema eine Schwerpunktausgabe: „MieterEcho 339: Extreme Mieterhöhungen im sozialen Wohnungsbau“  (pdf)

In der Kreuzberger Fanny-Hensel-Siedlung wurden den Bewohner/innen trotz schlechten Bauzustandes („Schimmelhäuser“) Mieterhöhungen von 30 bis 50 Prozent zugestellt. Die Quadratmetermieten erhöhen sich damit von 5,33 Euro/qm auf 9,62 Euro/qm (Tsp: Sozialmieter müssen draufzahlen – oder ausziehen).

Auch in der Schöneberger Akazienstraße 6 / Belziger Str. 13 erhielten die Bewohner/innen Ende letzten Jahres Mieterhöhungen von etwa 30 Prozent und sollen seither Mieten Nettokaltmieten zwischen 7 und 8 Euro/qm zahlen. Bei Zahlungsverzug – so die Drohung der Hausverwaltung – wird die Mieterhöhung rückwirkend ab dem 1.Januar 2008 erhoben.

Steigende Mietpreise in Schimmelhäusern? Mieterhöhungen weit über den nach Mietgesetz zulässigen Erhöhungen von 20 Prozent? Rückwirkende Mietzahlungsforderungen?

Das klingt nach Manchester-Kapitalismus und Eigentümerwillkür, spielt sich aber im hier und heute ab und zwar im Sozialen Wohnungsbau. Im ehemaligen Sozialen Wohnungsbau, um genauer zu sein, in Häusern, die jahrzehntelang mit öffentlichen Mitteln gefördert wurden.

In beiden Fällen ist den Mieterhöhungen ein Eigentümer- oder zumindest Verwalterwechsel vorausgegangen. Die alten und neuen Eigentümer klingen nach Anlagegeschäften und nicht nach Wohnungsunternehmen: In der Akazienstraße 6 / Belziger Str. 13 wechselte der Hausbesitz im Oktober 2009 von der BBK Grundstücksgesellschaft mbH & Co. Vierte Verwaltungs KG zur Akazien-Belziger GbR, vertreten durch Tom Granobs & Dr. Ing. Heinz-Dieter Adomeit. In der Fanny-Hensel-Siedlung wechselte von Anlegern mehrere geschlossener Immobilienfonds (Hausverwaltung: R&W Immobilienanlagen GmbH) zum Immobilienfonds „Elfte EMC Asset Management GmbH & Co. KG„.

Um zu erfahren, was diese Eigentümer mit dem Sozialen Wohnungsbau verbindet und um das Paradox der unsozialen Mieterhöhungen im vormals Sozialen Wohnungsbau zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die Systematik und Geschichte des Förderprogramms.

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Berlin: „Ausziehen, wenn Sie nicht pleite gehen wollen!“

„Ausziehen, wenn Sie nicht pleite gehen wollen!“ Das ist der Tipp eines Mieterberatungsanwalts für die  Mieter/innen in einem Schöneberger Sozialwohnungsbau. Es geht hier nicht um eine Fehlbelegungsabgabe…

Sozialwohnungen sind belegungs- und mietpreisgebunden Wohnungen, die im Rahmen staatlicher Förderprogramme (Sozialer Wohnungsbau) errichtet wurden. Klingt erst einmal vernünftig – ist es aber in der Praxis nicht. Zum einen liegen die Mieten mit durchschnittlich über 5 Euro/qm (nettokalt) über den Berliner Durchschnittsmieten (4,85 Euro/qm) – zum anderen dürfen Eigentümer/innen nach Ablauf der Förderverträge die Mieten auf eine fiktive Kostenmiete erhöhen, die weit über dem städtischen Mietniveau liegt. Die Berliner Regierung hat 2003 völlig zurecht den Ausstieg aus der wahnwitzigen Förderlogik der sogenannten Anschlussförderung beschlossen, der Eigentümer/innen nach 15 Jahren Förderung weitere 15 Jahre Fördergelder zukommen ließ. Doch ohne eine vernünftige Ausstiegsregelung machen die subventionsverwöhnten Eigentümer/innen von ehemaligen Sozialwohnungen in Berlin nun genau das, was von  Marktteilnehmer/innen erwartet wird – sie erhöhen die Miete. Und weil sich das die Mieter/innen nicht gefallen lassen wollen, mobilisieren sie sich und den Protest. Für den Ostersamstag ruft das Aktionsbündnis sozialmieter.de zu einem Aktionstag mit symbolischen Umzug auf:

Aktionstag mit einem symbolischen Umzug auf die Strasse
Ostersamstag, 03.04.2010, 13.00 – 16.00
Akazienstraße in Schöneberg

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Berlin: Wohnungsreformvorschlägemacher beim Wort nehmen!

Nach jahrelanger Funkstille tut sich was in den wohnungspolitischen Debatten der Hauptstadt. Aufgeschreckt von einer Protestbewegung rund ums Thema Stadtentwicklung (MediaSpree Versenken!, Mietenstop-Bündnis, Proteste gegen Luxuswohnprojekte und Stadtteilinitiativen) versuchen inzwischen auch die Parteien im Abgeordentenhaus das Thema für sich wiederzugewinnen.

Noch klingen uns die abwiegelnden Statements der Stadtentwicklungssenatorin vom „entspannten Wohnungsmarkt“ in den Ohren, da entwickelt sich sowas wie ein parteienpolitischer Wettbewerb um die sozialste Wohnungspolitik. Nicht dass schon irgendeine Forderung umgesetzt, ein konkretes Programm aufgelegt oder eine Mietbegrenzung durchgesetzt wurde – aber immerhin: Wohnungspolitik schafft es in die Programme der regierenden und nicht regierenden Parteien Berlins. Während sich die Hauptstadtgrünen noch um eine klare Wahlaussage herumdrücken (taz: „Jamaika macht die Grünen kirre„), formiert sich sowas wie ein rot-rot-grünes Bündnis der wohnungspolitischen Versprechungen. Hier eine kleine Übersicht der einzelnen Positionen und Vorschläge:

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Berlin: Wertvoll ist nicht sozial

In einer Pressemitteilung des Verbandes Berlin-Brandenburger Wohnungsunternehmen  (BBU) wird den landeseigenen Wohnungsunternehmen eine wirtschaftlich erfolgreiche Entwicklung bescheinigt: „Städtische Wohnungsunternehmen für Berlin immer wertvoller„. BBU-Vorstandsmitglied Ludwig Burghardt will morgen auf der Jahrespressekonferenz die aktuellen Bilanzzahlen vorstellen und freut sich schon jetzt für die öffentliche Wohnungsunternehmen:

„Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften sind in hervorragender Form. Zu diesen guten Zahlen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten kann man sie beglückwünschen.“ Weiterlesen

„Am liebsten würde ich wegziehen“ – Endstation Großsiedlung?

Gentrification und Verdrängung werden meist in innerstädtischen Altbauviertel verortet. Insbesondere dann, wenn große Teile der Innenstadt von solchen Aufwertungsprozessen erfasst werden, sind Wohnungssuchende auf preiswerte Wohnungsbestände in den Großsiedlungen angewiesen. Ein Radiofeature bei Deutschlandradio Kultur beschäftigt sich mit den Situationen in Großsiedlungen: „No Future – Das Leben in deutschen Großstädten“ [direkt hören (mp3)].

Mit Beispielen aus Potsdam Drewitz, Berlin Kottbusser Tor und Brauchschweig-Weststadt werden sehr unterschiedliche Stimmungen aus drei Plattenbauquartieren  eingefangen. Insbesondere die Stimmen aus Potsdam Drewitz und Braunschweig-Weststadt belegen, dass insbesondere Wohnsiedlungen am Stadtrand  problematische Entwicklungstendenzen aufweisen und zum Abschieberaum für Einwander/innen und aus den Innenstädten Verdrängten werden. Langfristig – so das Fazit des Beitrages – wird nur eine gesamtstädtische und soziale Wohnungspolitik die Probleme der Großsiedlungen lösen… Weiterlesen