Hamburg: Protestfahrt gegen Slumlord-Strategie der Gagfah

Die meisten Mieter/innen wollen von ihren Hausverwaltungen in Ruhe gelassen werden und Post vom Eigentümer bedeutet oft nichts Gutes. Im Korallusviertel in Hamburg Wilhelmsburg ist das anders. Die Mieter/innen dort haben gemeinsam mit Stadtteilinitiativen und Mieterorganisationen einen Bus gemietet um bei ihrem Vermieter vorzusprechen. Der Grund: Finanzinvestor Fortress lässt die 2004 privatisierten Gagfah-Wohnungen systematisch verfallen und spart am Service und den Instandsetztungsausgaben. In der Stadtforschung werden solche Eigentümer/innen als Slumlords bezeichnet.

Die Bewohner/innen in Wilhelmsburg jedoch wollen die Vernachlässigung ihrer Wohnanlage nicht länger hinnehmen und konfrontierten die Geschäftsführung mit ihren Beschwerden. Eine Videodokumentation des AK Umstrukturierung Wilhelmsburg zeigt die gelungene Aktion:

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Hamburg: Kündigungsgrund Aufwertungskritik?

Das städtische Wohnungsunternehmen in Hamburg, die SAGA, ist in den vergangenen Monaten vor allem durch Mieterhöhungen (Morgenpost: SAGA Mieten immer teurer) aufgefallen und in die Kritik geraten (Initiative Mietenstopp sofort!). Die Konfrontation mit den Aufwertungsgegner/innen hat nun eine neue Stufe erreicht.

Im Aufwertungsverdachtsgebiet rund um die Fährstraße in Hamburg-Wilhelmsburg kündigte die SAGA dem dortigen Infoladen.  Von der zunächst begründungslosen Kündigung zum 30.6.2010 überrascht, suchten die Aktivist/innen das Gespräch mit den zuständigen Mitarbeiter/innen des städtischen Wohnungsunternehmens. Ein Einlenken der SAGA konnte nicht erreicht werden, doch erfuhr der Trägerverein des Infoladens den Grund der kurzfristigen Kündigung:

Grund ist die IBA-kritische Haltung der Ladenbetreiber. Der Vereinsvorstand trat ins Gespräch mit dem zuständigen Kündigungsbevollmächtigten der SAGA, konnte jedoch keine positive Wendung für den Infoladen erwirken. „Die SAGA war nicht bereit, die Kündigung zurück zu ziehen. Vereine, die sich kritisch mit der IBA auseinander setzen, werden keine Flächen mehr anmieten können. (Presseerklärung des Infoladens)

Selbst die Hamburger Morgenpost schreibt: „SAGA kündigt Bauaustellungsgegnern„. Zur Erinnerung: die Internationale Bauausstellung (IBA) hat sich zum Ziel gesetzt, das bisher als soziales Problemgebiet stigmatisierte Wilhelmsburg mit einem ‚Sprung über die Elbe‚ zur ‚Neuen Mitte‚ Hamburgs zu entwickeln. Stadtteilgruppen wie der AKU Wilhelmsburg oder auch die Initiative IBAfluessig kritisierten seit längerem die einseitige Aufwertungsorientierung der IBA-Projekte (siehe „Die Insel denen, die drauf wohnen“(pdf)). Auch der Infoladen Wilhelmsburg beteiligte sich an diesen Protesten und hängte IBA-kritische Plakate in und an den Laden.

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Hamburg: „Mit Gentrifizierern über Gentrifizierung reden“

Aus Hamburg gibt es Medienschelte für die Lokalredaktion der taz. Auf dem no-bnq-Blog heißt es in Vorabinformationen zur Informationsveranstaltung:

Die taz-hamburg bleibt dabei ihrer Linie treu: die neue urbane Bewegung sorgt in der Stadt und weit darüber hinaus für Schlagzeilen, doch LeserInnen der ehemals alternativen Tageszeitung erfahren davon nichts. “Mit Gentrifizierern über Gentrifizierung reden” – so ließe sich die Haltung der Redaktion zusammenfassen. Neulich lud man zum Gespräch ins Gentrifizierungsprojekt “Haus III&70″ und versuchte vergeblich in letzter Minute kritische Stimmen aufs Podium zu hiefen. Die hatten sich im Vorfeld vernetzt – und sagten der tendenziösen Veranstaltung ab.

Den konkreten Anlaß für diese Einschätzung lieferte ein ausführliches und fast unterwürfig geführtes Interview mit dem Leiter des Bezirksamtes Hamburg-Mitte Markus Schreiber (SPD). Der durfte in dem Interview „Fast alle können dort bleiben“ seine Vorstellungen von der Entwicklung in St. Pauli ausbreiten und die guten Absichten der Investoren im so genannten Bernhardt-Nocht-Quartier loben: Weiterlesen

Hamburg: Zwei Gesichter von Wilhelmsburg

Schlechte Luft…

Seit ein paar Wochen gibt es einen neues Blog zu Wilhelmsburg. Der Arbeitskreis Umstrukturierung Wilhelmsburg (AKU) will sich „kritisch mit den Umstrukturierungen auseinandersetzen, die durch die Hamburger Stadtentwicklungspolitik (IBA Hamburg, Sprung über die Elbe…) in Wilhelmsburg durchgesetzt werden sollen“. Dazu viel Erfolg!

Der erste Blogeinträge zumindest lösen diesen Anspruch ein. Unter dem Titel „Die Insel denen die drauf wohnen – Broschüre online“ gibt es eine kenntnissreiche, informative und lesenswerte Beschreibung der aktuellen Entwicklungen auf der Hamburger Elbinsel (Broschüre pdf). In der Einleitung heisst es:

Wir haben uns Gedanken gemacht über den Wandel der sich zur Zeit in Hamburgs Stadtteil Wilhelmsburg – der Elbinsel – vollzieht. Wir haben versucht, die politischen Weichenstellungen und Umstrukturierungsprogramme, die die „Aufwertung“ des Stadtteils durchsetzen sollen, zu analysieren und deren Auswirkungen nachzuvollziehen. Eine Momentaufnahme einer unsozialen Wohnungs- und Aufwertungspolitik.

Meinen Lieblingssatz habe ich auch schnell gefunden: „Wir wünschen der IBA – von ganzem Herzen – Westwind!„.

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Wilhelmsburg: Landgang der Aufwertung

Anfang Februar mobilisierte das Aktionsnetzwerk gegen Gentrification in Hamburg zu einer Stadtteilversammlung in St. Pauli, um die geplante Verlegung von drei kommerziellen Beachclubs in den Stadtteil zu verhindern (siehe hier). Etwa 180 Teilnehmer/innen kamen zur Stadtteilversammlung und beschlossen eine Resolution gegen die geplante Kommerzialisierung des Elbufers.

Ob die Protstdrohung oder büroratische Schwierigkeiten zum Scheitern der Pläne führten, lässt sich nicht eindeutig sagen – Fakt ist, es wird keine Beachclubs in St. Pauli geben. So weit so schön, doch leider keine Entwarnung, was das gefürchtete Aufwertungspotential der Beachclubs betrifft. Denn kaum ist der gastronomische Landgang der Aufwertung an St Pauli vorübergegeangen, werden die ersten Stimmen laut, die eine Ansiedlung der Beachclubs in Wilhelmsburg fordern. Die Hamburger Morgenpost fragte in ihrer Ausgabe vom 17.02. „Beachclubs nach Wilhelmsburg?

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Städtische Proteste in der Zeitung

Der ak – analyse & kritik, die Zeitung für linke Debatte und Praxis ist in seiner aktuellen Ausgabe ( Nr. 534) mit dem Titel „Besetze deine Stadt“ erschienen. Im Schwerpunkt gibt es mehrere Beiträge zu aktuellen Debatten um Stadtentwicklungsprozesse und die in vielen Städten erstarkenden Bewegungen gegen Mietsteigerungen und Umstrukturierungsmaßnahmen. Der Beitrag „Kämpfen im Herzen der Stadt“ gibt einen guten Überblick über die aktuellen Aufwertungstendenzen in Hamburg Wilhelmsburg und die sehr verschiedenen Protestansätze dagegen. Eine kenntnisreiche Analyse der Wilhelmsburger Stadtteilszene sieht mehr Schatten als Licht und formuliert konkrete Anforderungen an erfolgreiche Stadtteilmobilisierungen:

Neben den etablierten Vereinen, Initiativen und Einzelpersonen hat der vergleichsweise relativ junge Arbeitskreis Umstrukturierungen in den vergangenen Monaten auf sich aufmerksam gemacht. (Vgl. http://wilhelmsburg.blog.de) Der AK beschäftigt sich einerseits mit dem Stadtteilentwicklungskonzept im Rahmen der IBA und igs und dessen Folgen. Andererseits bot er in mehreren Veranstaltungen zu Gentrifizierung sowie anderen stadtteilrelevanten Themen Raum für öffentliche Diskussionen über Probleme und mögliche politische Interventionen. Auffällig ist, dass diese Gruppierungen noch nicht in der Lage sind, die Mehrheit der EinwohnerInnen mit Migrationshintergrund und geringeren Einkommen zu erreichen und einzubinden. Andere Initiativen, die sich z.B. gegen die hohe Lärmbelästigung oder etwa die Schließung von Kleingärten aussprechen, sind bislang noch recht klein. Auch gelingt es bislang niemandem, über die jeweiligen Milieus hinaus Gehör und Anklang zu finden oder präsent zu sein. Die Planungen des Hamburger Senats hingegen erfordern eine breite Reaktion. Es ist sicher, dass linke Interventionen in Hamburg-Wilhelmsburg nur jenseits der falschen Alternativen von autonomer Subkultur á la Sternschanze und bürgerlicher Mitwirkung wirklich Erfolg haben können.

Der Beitrag „Neoliberale Stadtpolitik. Ein Überblick im globalen Kontext “ ist leider nicht online verfügbar und muss in der Papierausgabe nachgelesen werden. Danneben gibt es noch einen Artikel zur Situation in Berlin: „Berlin in Bewegung. Umkämpfter Stadtumbau in der Hauptstadt„: Weiterlesen

Wilhelmsburg: Baugruppen als Aufwertungspioniere

Die IBA in Wilhelmsburg setzt bei der Aufwertung der Elbinsel auf die Förderung neuer Wohnformen. Nach den im Sommer begonnenen Sanierungsarbeiten der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft SAGA im Reiherstiegviertel werden nun auch die ersten Neubaupläne im Rahmen der IBA konkret. Für Sommer 2009 ist der Baubeginn für die ersten Wohnungen des „Open House“ Projektes am Ernst-August-Kanal angekündigt. IBA-Geschäftsführer Uli Hellweg freut sich über das „ersten Bauprojekt der IBA überhaupt“. Ein Artikel im Hamburger AbendblattNah am Wasser und an der City“ bennent Baugruppen und Genossenschaften als erste Investoren. In späteren Baustufen will auch die Stadterneuerungsgesellschaft STEG eigene Projekte entwickeln. Neben Mietwohnungen, deren Preise zwischen 5,00 und 6,40 Euro/qm (nettokalt) liegen sollen, werden auch Eigentumswohnungen (für 1.850 Euro pro Quadratmeter bei Selbstausbau) errichtet. Diese Preise liegen unter den vergleichbaren Werten anderer Hamburger Stadtteile, aber deutlich über den bisherigen Wohnungsmieten in Wilhelmsburg. Die Aufwertung beginnt mit kleinen Schritten… Weiterlesen

Hamburg: Aufwertungskaskade

Die Hamburger Eliten reden ja gerne von der „Wachsenden Stadt“ und viele stadtpolitische Entscheidungen orientieren sich an den umworbenen Neubewohnern und neuen Unternehmen. Eine Folge solcher untenehmerischer Orientierungen sind Aufwertungen von ganzen Stadtvierteln, in denen die Mieten steigen und Verdrängungsprozesse befürchtet werden. Ein aktuelles Beispiel solcher Aufwertungen stellt das Schanzenviertel dar. In der Süddeutschen Zeitung gibt es einen ausführlichen Artikel über die aktuellen Entwicklungen: Ein bisschen edel, aber noch derb genug.

Das frühere Schlachthof-Viertel hinter dem St.Pauli-Stadion hat sich in wenigen Jahren zum exquisiten Quartier entwickelt. „Wenn du sagst, du lebst in der Schanze, klingt das automatisch cool“, sagt er. „Es wird zwar ein bisschen edel, aber es ist noch derb genug.“ Noch vor wenigen Jahren war es zu derb. Als sich eine offene Drogenszene ausbreitete, zogen Familien weg…

Noch vor einem Jahr beklagte das Hamburger Abendblatt die „Feindliche Übernahme der Latte-Fraktion“ in St.Georg, Ottensen und Eimsbüttel, aktuell scheint die Aufwertungswelle zum Sprung über die Elbe nach Wilhelmsburg anzusetzen.
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Wird Wilhelmsburg Szeneviertel?

Zumindest der Harburger behauptet eben dies in einem Beitrag: Wilhelmsburg: Von alten und neuen Pionieren Elbinsel ist auf dem Weg zum Szenequartier. Wem der Ruf als Szenviertel dient wird im Artikel schnell klar:

Mittlerweile besitzt Grevenkamp ein zweites Haus in der Fährstraße und freut sich, dass das Negativ-Image von Wilhelmsburg am Verschwinden ist.

Der dort angesprochene Hausbesitzer hat – so wird in dem Artikel berichtet – vor dem Kauf seiner Häuser Scheinannoncen in Zeitungen aufgegeben um die Vermarktungsfähigkeit der Gegend zu ermitteln.

Seine Frau schüttelte nur mit dem Kopf und sagte: „Da will doch niemand wohnen.“ Doch der Unternehmer Konrad Grevenkamp aus St. Pauli machte die Probe aufs Exempel und inserierte Wohnungsangebote in Wilhelmsburg, die er aber noch gar nicht hatte. „Ich wollte einfach mal sehen, wie die Reaktion ist.“

Eine Methode, über die auch Stadtteil- und Mieterinitiativen nachdenken könnten um die Tiefen des Bodenmarktes auszuloten.

Hamburg: Neue Mitte Wilhelmsburg

Gentrification wird oftmals verkürzt als reiner Markteffekt beschrieben. Insbesondere wenn es darum geht, zu erklären, warum es in Deutschland – anders als etwa in den USA – gar keine Gentrification geben könne, wird auf die politischen Eingriffe in den Wohnungsmarkt verwiesen.

Doch dort wie hier gilt: kaum eine Gentrification ohne politischen Impuls. Ein schönes Beispiel dafür bieten die Aufwertungsbemühungen der IBA in Hamburg Wilhelmsburg. In der jüngsten Ausgabe des property magazine darf die Hamburger Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk die Vision des größten IBA-Neubauprojektes bewerben: Eine neue Mitte für Wilhelmsburg.