Berlin: Rückblick auf die Stadterneuerung

Ich bin gerade zufällig auf ein fast vier Jahre altes Interview zur Stadterneuerung in Berlin Prenzlauer Berg gestoßen: „Das Ende der Behutsamkeit„. Anlass war die Herausgabe meines Buches „Restrukturierung des Raumes“ in dem ich versucht hatte, die Machtverhältnisse in der Stadterneuerungspolitik der 1990er Jahre zu analysieren. Im Mittelpunkt des Gesprächs standen insbesondere Einschätzungen und Prognosen zu den sozialen Effekten der Sanierung. Aus heutiger Perspektive erschreckend, wie deutlich die düsteren Prognosen von damals heute Realität geworden sind.

Das Interview wurde in der Sanierungszeitschrift VorOrt abgedruckt, die seit 1992 von der Mieterberatungsgesellschaft Prenzlauer Berg herausgegeben wird und mittlerweile eine unendlich informative Chronik der Stadterneuerung darstellt. Die Ausgaben seit September 2005 sind auch online abrufbar.

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Berlin: Aufwertung in Prenzlauer Berg – alles halb so schlimm?

Totalsanierung in der Lychener Straße (Bild: sinafilm)

Zum Dokumentarfilm über die Sanierungsfolgen in Prenzlauer Berg „Lychener 64“ gab es hier und anderenorts bereits einige Besprechungen und Reaktionen: Die taz ließ die Filmemacher zu Wort kommen, vom Filmmagazin Schnitt gab es Lob für die gelungene Dokumentardramaturgie und dem Helmholtzplatz-Blog war der Film nicht radikal genug.

Keine der Filmbesprechungen war bisher auf den Gedanken gekommen, die beschriebenen Geschichte einer Verdrängung zu bezweifeln und den paradigmatischen Charakter des Sanierungsprozesses in Frage zu stellen. Die Rolle des Gentrification-Skeptikers übernahm wieder einmal Hartmut Häußermann, ehemaliger Professor für Stadtsoziologie an der Humboldt-Universität. Deutschlandradio Kultur nahm den Film zum Anlass für ein ausführliches Gespräch zu den aktuellen Veränderungen in Prenzlauer Berg: Subkultur geht, Lifestyle kommt. Überraschend am Interview war war die deutliche Abgrenzung zum Gentrification-Begriff.

Heise: Sie haben immer abgelehnt, in dem Bezirk von Gentrifizierung zu sprechen, also von Yuppisierung. Sprechen Sie inzwischen doch davon?
Häußermann: Na ja, das, was wir in dem Film sehen, das sind ja eigentlich Prozesse, wie sie in einem Haus, was so runtergekommen ist (…) überall stattfindet. Das kann man nicht als Gentrifizierung bezeichnen, sondern das ist Sanierung, Modernisierung, Renovierung.

Wie schon an anderer Stelle wird Verdrängung nicht auf einen Bevölkerungsausstausch oder eine Sozialstrukturveränderung bezogen, sondern als das Ende einer nicht mehr zeitgemäßen Wohnkultur beschrieben:

(es) betrifft nämlich Leute, die vor allem hierher gezogen sind, weil es billig war, weil es runtergekommene Wohnungen sind und deshalb billig waren, die Substandardwohnungen bevorzugen, weil es ihnen vor allem darauf ankommt, für wenig Geld zu wohnen. Und das wird durch die Sanierung und Modernisierung dadurch verhindert. Und das wird verdrängt, wenn man das Verdrängung nennen will.(…)

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Berlin: Innenansichten einer Umwandlungsmodernisierung (Filmtipp)

Heute Abend gibt es im Rahmen des Achtung Berlin Filmfestivals im Berliner Kino Babylon die Weltpremiere des Dokumentarfilms „Lychener 64„. Der Film dokumentiert über den Verlauf von über zwei Jahren die Modernisierungsarbeiten im gleichnamigen Haus im Sanierungsgebiet Helmholtzplatz in Berlin Prenzlauer Berg. Die Mieter/innen des Hauses werden vom ersten Schock der Modernisierungsankündigung über die Verhandlungen mit dem Eigentümer und die Beratungsgespräche der Mieterberatung bis zum bitteren Auszug begleitet. Alle wollten bleiben, keiner ist geblieben. Das Beispiel der Lychener Straße 64 zeigt eindrücklich, wie die Ökonomie der Umwandlungsmodernisierung gegen die Interessen der bisherigen Bewohner/innen durchsetzt wird. Von Beginn an war klar, dass die Wohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt werden sollten und  die Spielräume für die Bewohner/innen denkbar gering sein werden. In der taz gibt es ein tolles Interview mit Teresina Moscatiello und Jakob Rühle, die den Film gedreht und selbst im Haus gewohnt haben: „Den Ausschlag gab die Abfindung“.

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Der offizielle Kinostart folgt dann am kommenden Donnerstag (22.04.2010) mit einer Vorstellung um 20 Uhr ebenfalls im Babylon. In der Kurzdarstellung von Sinafilm heisst es zum Film:

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Berlin: Öffentlich finanzierte Verdrängung

Die Sanierungsgebiete in der Ostberliner Innenstadt stehen kurz vor der Aufhebung – in einige wurden die Sanierungssatzungen bereits aufgehoben. Mit einem ‚Durchführungsstand‘ der baulichen Erneuerungsarbeiten von etwa 70 Prozent  fällt die Bilanz der Senatsverwaltung positiv aus – die städtebaulichen Ziele seien damit erreicht worden. Die sozialen Ziele hingegen, die sich zu Beginn der Stadterneuerung an einem „Erhalt der Sozialstruktur“ in den Gebieten orientierten, wurden elementar verfehlt.

Am Beispiel der Sanierungsgebiete in Prenzlauer Berg muss eine ernüchternde Bilanz der Stadterneuerung gezogen werden. Abschließende Sozialstudien am Kollwitzplatz und in der Winsstraße zeigen: nur etwa 20 Prozent der früheren Bewohner/innen leben noch in den Gebieten, die Mieten liegen auf überdurchschnittlichen Niveau und die ehemals heterogenen Nachbarschaften wurden durch homogenen Mittelklassemilieus ersetzt.

In Diskussionen zu diesen Entwicklungen wird oft behauptet, solche Aufwertungen seien ’natürliche‘ Prozesse der Stadtentwicklung, die gar nicht zu vermeiden sind. Ein Blick auf die speziellen ökonomischen Rahmenbedingungen in den Sanierungsgebieten zeigt jedoch, dass die Aufwertungsprozesse wesentlich durch öffentliche Förderungen und Investitionsanreize ausgelöst und angetrieben wurden. Insgesamt flossen seit Anfang der 1990er Jahre mehr als 1 Mrd. Euro in die Sanierungsgebiete von Prenzlauer Berg. Bei einem solchen Mitteleinsatz wären auch andere soziale Effekte denkbar gewesen.

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Interview zur Wohnungspolitik (Die ZEIT)

Nicht dass ich mich über zu wenig Aufmerksamkeit beklagen könnte, aber Interviews in großen Wochenzeitungen sind doch eher die Ausnahme. Als Beigabe zu dem Artikel über die Kreuzberger Kriegszustände durfte ich mich von Kerstin Kohlenberg für ein kurzes Interview zur Stadt- und Wohnungspolitik in Berlin befragen lassen. Den Titel finde ich auch nach mehrmaligem Lesen etwas verwirrend, mit dem Rest bin ich ganz zufrieden. Die ZEIT: „Wohnungspolitik: Die Zukunft ist privat„.

Zur Dokumentation gibt es das Interview auch hier zu lesen:

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Berlin: Verdrängungsalltag in Friedrichshain

Das von der Mieterberatung für die Sanierungsgebiete in Friedrichshain asum herausgegebene Magazin Friedrichshain-Magazin begleitet die Stadterneuerung in den dortigen AUfwertungsquartieren seit 15 Jahren mit einer mal mehr mal minder kritischen  Berichterstattung. Direkt beauftragt vom Bezirk war es die Aufgabe, die überwiegend privatfinanzierte Stadterneuerung so sozial und konfliktarm wie möglich über die Bühne zu bringen. Die permanente Verschlechterungen der Ausgangsbedingungen für eine soziale Stadterneuerung (Kürzung der Fördermittel, Urteil gegen die Mietobergrenze) wurde intern von den Berliner Mieterberatungsgesellschaften vielfach kritisiert – ein öffentlicher Protest gegen den öffentlichen Auftraggeber jedoch blieb bisher aus. Umso erfreulicher, dass in der aktuellen Ausgabe des Friedrichshain-Magazins sehr klare Worte zu den aktuellen Verdrängungstendenzen gefunden werden: Verdrängung – kein Kampfbegriff, sondern Alltag. In dem Artikel heisst es:

Preiswerte Wohnungen werden in den Berliner Innenstadtbezirken immer mehr zur Mangelware. Wer in Friedrichshain eine bezahlbare Wohnung sucht, weiß ein Lied davon zu singen. Auf ein wirksames Gegensteuern der Politik wartet man seit Jahren vergeblich. Der Senat hat sich aus der Wohnungspolitik weitgehend zurückgezogen, dem Bezirk fehlen die Mittel und zudem macht es die Rechtsprechung der Gerichte für die Verwaltung immer schwieriger, die sich munter drehende Mietpreisspirale zu bremsen. Die Auswirkungen sind nicht mehr zu übersehen. Mehrere Studien zeigen für Friedrichshain und Kreuzberg eine fortschreitende Verdrängung finanzschwacher Bewohner.

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Berlin: Senat plant „erhebliche Aufwertungen“ in Neukölln

Die Retter der Stadt sind wieder da! Diesmal in Gestalt der Senatsverwaltung und des Planungsbüros PFE.  Ein Artikel in der Berliner Zeitung berichtet über die Ergebnisse der Vorbereitenden Untersuchung für die Festlegung eines Sanierungsgebietes im Gebiet Maybachufer / Elbestraße in Berlin Neukölln: „Schöner wohnen an der Sonnenallee„.

Heruntergekommene Häuser, dunkle Wohnungen, marode Straßen, ungepflegte Parks und Wege – so charakterisieren Stadtplaner das dicht besiedelte Neuköllner Wohngebiet zwischen Sonnenallee und Landwehrkanal. Allein 107 Millionen Euro wären in den kommenden Jahren nötig, um das Wohnviertel „lebendig, attraktiv und vielfältig umzugestalten“, sagt Olaf Gersmeier vom Stadtplanungsbüro PFE.

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Berlin: Quartiersmanagement in Aufwertungsgebieten erfolgreich

Die Immobilienbeilage der Berliner Zeitung (leider nicht online verfügbar) kündigt auf der Titelseite unter der Überschrift „Soziale Kieze“ eine Bilanz von zehn Jahren Quartiersmanagement an. Tatsächlich gibt es auf der Seite 4 ein Interview mit der verantwortlichen Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer.

Das Quartiersmanagement (QM) ist die Berliner Variation des Bund-Länder-Programms „Soziale Stadt“, mit dem seit 1998 in Nachbarschaften mit sogenannten „besonderem Entwicklungsbedarf“ interveniert wird. Ziel ist es die ofmals sozial benachteiligten Gebiete an eine Städtischen Durchschnitt heranzuführen und die Bewohnerschaft zu aktivieren, damit sie sich langfristig selber helfen kann. Neben der grundsätzlichen Kritik, dass solche kleinteiligen und quartiersbezogenen Programme eher an den Symptomen als an den Ursachen städtischer Armut und Ausgrenzung ansetzen, wurde immer wieder befürchtet, dass die Zielorientierung der Programme zu einer Aufwertung und Verdrängung führen kann. Ingeborg Junge-Reyer bestätigt in ihrem Interview gegenüber der Berliner Zeitung diesen Verdacht. Nach Erfolgen gefragt, benennt sie ausgerechnet die Aufwertungsgebiete Helmholtzplatz (Prenzlauer Berg) und Boxhagener Platz (Friedrichshain).

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Berlin Mitte: Aufgeräumt, Herausgeputzt und Sozial Bereinigt

update: Titel des Blogeintrages wurde nachräglich geändert

Ach was waren wir schockiert, als durch die PFE-Studie am Kollwitzplatz bekannt wurde, dass nur knapp 20 Prozent der aktuellen Bewohner/innen bereits vor der Sanierung am Kollwitzplatz oder den umliegenden Sanierungsgebieten gewohnt haben. Vor allem dann, wenn politische Schlussfolgerungen aus dem Scheitern der sozialen Sanierungsziele (Erhalt der sozialen Zusammensetzung der Bevölkerung) gefordert wurden, ist auf die angebliche Sonderrolle des Kollwitzplatzgebietes verwiesen worden. Noch sei gar nicht abzusehen, ob in den anderen Sanierungsgebieten überhaupt ähnlich dramatische Entwicklungen stattgefunden haben…

Nun liegt eine neue Studie vor: für die Rosenthaler Vorstadt im Bezirk Mitte. Die Ergebnisse sind in einer Ausstellung zu besichtigen und die taz berichtete im Beitrag „Aufgeräumte Mitte“ ausführlich, dass es einen neuen Spitzenreiter in Sachen Verdrängung gibt. Die Rosenthaler Vorstadt platziert sich mit 86 Prozent Zugezogenen unter der derzeitigen Bewohnerschaft deutlich vor dem Kollwitzplatz ein. Glückwunsch! Oder was wäre eine angemessenen Reaktion? Weiterlesen

Berlin: Ex-Baustadtrat mag keine Luxuswohnungen

Heute gibt es ein sehr schönes Interview mit Matthias Klipp in der taz zu lesen: „Ich wundere mich, dass keiner Farbbeutel wirft. Darin beschreibt der ehemalige Stadtteilaktivist, Baustadtrat, der seit Ende der 1990er Jahren bei verschiedenen Sanierungsgesellschaften, Bauträgern und Immobilenentwicklern arbeitete, seine Sicht auf die Veränderungen in Prenzlauer Berg. Nie ein Mann der kleine Töne gewesen, lässt uns Matthias Klipp erfahren was, er von den Luxuswohnprojekten hält und dass er sich mit den Marken teurer Autos auskennt. Weiterlesen