Berlin: Was hat der Milchschaum mit der Verdrängung zu tun?

Latte Macchiato und Stadtentwicklung: Auf die richtige Mischung kommt es an!

Prenzlauer Berg gilt mittlerweile als Paradebeispiel für die Gentrification von Stadtvierteln. In zwanzig Jahren Stadterneuerung wurden nicht nur die Häuser umfassend modernisiert, sondern auch die Bewohnerschaft umgekrempelt und der Gewerbestruktur ein völlig neues Gesicht verpasst. Doch ein Stadtviertel lässt sich nicht nur über Baukörper und Bevölkerungsstatistiken beschreiben, sondern auch über Stimmungen, Images und die Alltagspraktiken der Menschen, die es sich tagtäglich aneignen und neu erschaffen. Die amerikanische Soziologin Sharon Zukin beschreibt in ihrem aktuellen Buch „Naked City. The Death and Life of Authentic Urban Places“ diese kulturellen Dimensionen des Städtischen als Authentizität des Ortes und beklagt die Veränderungen in vielen gentrifizierten und runderneuerten Stadtteilen als den Verlust der Seele der Stadt. Vielleicht eine Anregung, sich auch in Prenzlauer Berg auf die Suche nach der Seele des Stadtbezirks zu begeben.

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Berlin: Kunst gegen Gentrification?

Die Rolle von Pionieren im Aufwertungsprozessen und die Funktionen von Kunst als Türöffner der Gentrification haben einen festen Platz in den akademischen und auch stadtpolitischen Debatten. In verkürzter Rezeption von Phasenmodellen des Gentrification-Verlaufs wird dabei vielfach von einer Unvermeidlichkeit, ja fast schon Zwangsläufigkeit der immobilienwirtschaftlichen Inwertsetzung kultureller Aktivitäten ausgegangen. „Erst kommen die Künstler und dann die Investoren…“

Eine bewusste Mitgestaltung von Stadtteilaufwertungen und Branding-Strategien von Immobilienbesitzer/innen wird jedoch von viele Kulturproduzent/innen abgelehnt. Das eigentliche Problem sei vielmehr die ungewollten Vereinnahmung künstlerischer Aktivitäten für Aufwertungsstrategien. Ein Ausweg aus dieser Zwickmühle könnte (neben einer aktiven Beteiligung an Nachbarschaftsprotesten gegen die Aufwertung) in einer selbstreflexiven Thematisierung der künstlerischer Aufwertungsfunktionen in der eigenen Arbeit liegen.

Michalis Pichler hat genau das versucht und eine Leuchtreklame mit dem Titel „Gentrification Lubricants“ gebastelt. Lubricants bedeutet soviel wie Schmierstoff oder Gleitmittel. An den richtigen Orten installiert kann so mit künstlerischen Mitteln auf die Aufwertungsrelevanz konkreter Veranstaltungadressen oder Events  hingewiesen und zumindest die eine oder andere Diskussion ausgelöst werden.

Gentrification-Lubricants-Installation

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New York: Right to the City Film Project

Bei Paper-Tiger TV wurde der erste Teil einer dreiteiligen Filmserie über die Right to the City Alliance (RTTC) in New York City veröffentlicht. In den nächsten Wochen sollen weitere Teile online gestellt werden.

Der Film ist online anzusehen bei PaperTigerTV:  The Right to the City (28 min).

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CupCakes in New York: Sahnehäubchen der Aufwertung

Für alle jene, denen die Gentrification-Debatten auf den Keks gehen, weil ja doch immer wieder nur von Verwertungslücken, Investitionsstrategien und Aufwerungsökonomien die Rede ist, gibt es nun eine echte Alternative: den CupCake.

Im Sommer gab es hier auf dem Blog unter dem Titel „Gentrification ist Geschmackssache“ eine angeregte Diskussion um lebensstilvermittelte Indikatoren für die Aufwertung von Quartieren. Anlass war die Ankündigung eines kleinen Forschungsprojektes in New York. Kathe Newman wollte in einem  Seminar zusammen mit den Studierenden die Verkaufsstellen der immer beliebter werdenden CupCakes in New York kartieren und überprüfen, ob sie einen brauchbaren Indikator für die Aufwertungsdynamiken darstellen. Nun scheinen erste Ergebnisse vorzuliegen.

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Harlem: Gentrification im Schneckentempo

Auf den Seiten von City Limits aus New York gibt es einen spannenden Artikel, der die Krisenauswirkungen in Harlem beschreibt: „Quiet follows Harlem’s rezoning for development“. Demetria Irwin beschreibt in ihrem Artikel die weitgehende Einstellung der Bauarbeiten an verschiedenen Baurojekten in Harlem. Insbesondere entlang der 125th Street haben zudem etliche Geschäfte aufgegeben, so dass der Aufwertungsboom der vergangenen Jahre auch im Straßenbild sichtbare Rückschläge verzeichnen muss.

The major factor, of course, was the collapse of the financial markets that came months after the rezoning approval, deflating New York City’s real estate bubble. Harlem was not spared. According to the Greater Harlem Chamber of Commerce, approximately one-third of businesses in Harlem closed in the last year, between July 1, 2008 and June 30, 2009.

Dass es nicht nur Krisenverlierer geben muss, geht aus den Aussagen der lokalen Mieterorganisationen hervor, denn der Zusammenbruch der Immobilienwirtschaft nimmt den Verdrängungsdruck aus dem Quartier:

„For so many low-income and even moderate-income Harlem residents, this is good news in that there is the expectation that it will ease some of the displacement pressures,“ said Harlem Tenants Council director Nettie Hester Bailey. „The economic meltdown and the collapse of the real estate industry have stopped the overdevelopment of Harlem in its tracks.“

Gentrification ist Geschmackssache

Die Gentrificationforschung hat es nicht leicht. Lieb gewonnene Klischees von Aufwertungsprozessen müssen hinterfragt werden. Längst sind es nicht nur Singles, Yuppies und DINKS (Double Income No Kids), die einen Gentrificationsprozess tragen, sondern auch Familien und Alleinerziehende mit Kindern, die in den aufgewerteten Nachbarschaften bessere Chancen sehen, Kinder und Karriere unter einen Hut zu bringen. Hier müssen insbesondere die traditionellen statistischen Kriterien für ‚Pioniere‘ und ‚Gentrifier‘ einer Revision unterzogen werden.

Doch auch die Indikatoren für die kulturellen Wandlungsprozesse in den Nachbarschaften müssen ständig erneuert werden. Galt in den 1980er in den Studien von Jörg Blasius der Verzicht auf klassische Gardinen noch als sicheres Zeichen für den Pionierstatus der Bewohner/innen, wären vergleichbare Zuordnungen heute nur noch schwerlich zu treffen. Bezogen auf die nachbarschaftlichen Infra- und Gewerbestrukturen galten lange Zeit Sushi-Bars, Starbucks, vegetarische Restaurants oder Ökoläden als beliebte Indikatoren für die Aufwertung. Doch mit der Überführung ehemals distinktionsfähiger Konsumangebote in einen urbanen Mainstream ist die notwendige Trennschärfe der Indizes verloren gegangen.

Frage an alle: was könnte ein zeitgemäßer Ersatz für den Sushi/Starbucks/Öko-Index zur Verortung von Gentrificationprozesse sein?

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20 Jahre Tompkins Square Riots

Selbst die heftigsten Straßenschlachten landen irgendwann im Feuilleton. Unter dem Titel „Der verlorenen Kampf um die Lower Eastside“ erschien in der Berliner Zeitung von heute eine kleine, aber feine Besprechung von Q. Sakamakis Buch „Tompkins Square Park„. Das Buch erschien zum 20. Jahrestag des Tompkins Square Riots und kann als fotografischer Bericht der Auseinandersetzungen um die Lower East Side in New York verstanden werden. Auch die International Herald Tribune würdigte die Neuerscheinung mit einer Besprechung: A look back at Tompkins Square Park. Der Tompkins Square Park ist bis heute ein Symbol für die Antigentrificationproteste geblieben:

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Stadterneuerung als Gentrification

Das Verhältnis zwischen Stadterneuerungsmaßnahmen und Gentrification wird hierzulande heftig diskutiert. Die meisten Stadterneuerungsprogramme der vergangenen Jahre geben vor, sich an partizipativen und behutsamen Strategien zu orientieren. Gentrificationbefunde werden daher oft als überzogene Kritik an der Stadterneuerungspolitik gewertet. Gentrification erscheint in diesen Debatten teilweise als das Gegenteil von Stadterneuerung. Dabei sind die strukturellen Überschneidungen kaum zu übersehen und viele Gentrificationprozesse wurden von Stadterneuerungsmaßnahmen angestoßen.

Auch international gibt es vergleichbare Auseinandersetzungen. Umso erfreulicher, dass der Chicagoer Soziologe Derek S. Hyra seine Arbeit „The New Urban Renewal: The Economic Transformation of Harlem and Bronzeville“ veröffentlicht hat. Am Beispiel der beiden wohl berühmtesten früheren Schwarzenghettos beschreibt Hyra die Aufwertungseffekte der Stadterneuerungspolitik. Dabei verweist der Autor darauf, dass die Verdrängungsprozesse keineswegs nur auf Marktentwicklungen zurückzuführen sind, sondern wesentlich durch die Festlegung von Sonderzonen und Sanierungsgebieten ausgelöst wiurden. Ein Artikel bei The Sun gibt einen guten Einstieg in die Thesen des Buches: „The Way We Gentrify Now: Derek Hyra’s ‚New Urban Renewal„.

Harlem: Aufwertung durch Uni-Campus

Auch die Welt-Online greift die Veränderungen in Harlem in einem Artikel auf: „Die aktuelle Front heißt 125. Straße“ . Die Beschreibungen im Text von Hannes Stein bestätigen die Aufwertungshypothese:

„Block um Block erobern Familien des Mittelstandes den einstigen New Yorker Problembezirk Harlem. Die Alteingesessenen wehren sich“

Als ein Motor der Veränderungen wird der Ausbau der Columbia University (CUNY) beschrieben:

„Die 125. Straße gilt als neue Grenze: Alles, was oberhalb liegt, ist angeblich noch Arme-Leute-Zone, alles unterhalb wird schon von den jungen Leuten geprägt, die an der nahebei gelegenen Columbia University studieren. In Wahrheit wimmelt es aber auch oberhalb dieser imaginären Grenze von Baustellen und Häuserfassaden, die von Gerüsten zugedeckt sind. Im Prenzlauer Berg in Berlin sind Straßenzüge zu besichtigen, die kaputter wirken als alles, was Black Harlem dem Auge des erstaunten Gastes zu bieten hat. In der Mitte von Harlem erhebt sich ein Märchenschloss, das so aussieht, als sei es just so spitzgiebelig, wie es dasteht, original vom Disneykonzern entworfen worden. Es handelt sich um den Campus von CUNY, der City University of New York.“

Mehr zum Thema gab es kürzlich auch hier im Gentrificationblog zu lesen: Harlem bald reich und weiss?

Kultur der Aufwertung

Es gilt als relativ unumstritten, dass Gentrification auch eine kulturelle Dimension hat. Das Verhältniss von Kultur und Aufwertung wird oftmals mit Pioniermetaphern beschrieben. Kulturelle, oftmals subkulturelle Aktivitäten werden dabei als Anzeichen für eine gesteigerte Attraktivität eines Gebietes angesehen – insbesondere für die sogenannten Kreativen. Kulturproduzenten als Türöffner und Motor von Aufwertungsprozessen.

Das Beispiel Wilhelmsburg in Hamburg zeigt, dass diese Pionierfunktion der Kultur auch ganz bewusst für eine gewünschte Aufwertung eingesetzt wird. Die Welt fabuliert in einem Bericht über den „kulturellen Sprung über die Elbe“. Bekannte Rockbands und Kunstaktionen sollen mehr Kreative nach Wilhelmsburg locken. Weiterlesen