Berlin: Was hat der Milchschaum mit der Verdrängung zu tun?

Latte Macchiato und Stadtentwicklung: Auf die richtige Mischung kommt es an!

Prenzlauer Berg gilt mittlerweile als Paradebeispiel für die Gentrification von Stadtvierteln. In zwanzig Jahren Stadterneuerung wurden nicht nur die Häuser umfassend modernisiert, sondern auch die Bewohnerschaft umgekrempelt und der Gewerbestruktur ein völlig neues Gesicht verpasst. Doch ein Stadtviertel lässt sich nicht nur über Baukörper und Bevölkerungsstatistiken beschreiben, sondern auch über Stimmungen, Images und die Alltagspraktiken der Menschen, die es sich tagtäglich aneignen und neu erschaffen. Die amerikanische Soziologin Sharon Zukin beschreibt in ihrem aktuellen Buch „Naked City. The Death and Life of Authentic Urban Places“ diese kulturellen Dimensionen des Städtischen als Authentizität des Ortes und beklagt die Veränderungen in vielen gentrifizierten und runderneuerten Stadtteilen als den Verlust der Seele der Stadt. Vielleicht eine Anregung, sich auch in Prenzlauer Berg auf die Suche nach der Seele des Stadtbezirks zu begeben.

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Rezension: Überblick mit Tiefgang

Christoph Villinger hat für die Tageszeitung Neues Deutschland eine kleine Besprechung meines beim Unrast-Verlag erschienenen Buches „Wir Bleiben Alle“ geschrieben:

Überblick mit Tiefgang – Stadtsoziologe erklärt Gentrifizierung

Sei es das Münchner Glockenbachviertel, St. Pauli in Hamburg oder Kreuzberg in Berlin. In den Auseinandersetzungen um steigende Mieten und Verdrängung der ärmeren Bevölkerungsschichten aus den Innenstädten hat in den letzten Jahren ein Wort Karriere gemacht: Gentrifizierung.
Was eigentlich unter Gentrifizierung zu verstehen ist, versucht in einem 80-seitigen Büchlein Andrej Holm allgemeinverständlich und doch zugleich auf der Höhe der internationalen wissenschaftlichen Diskussion zu klären…

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Buchvorstellung: „Intercity Istanbul–Berlin“

Jetzt ist es soweit: Der vom Dagyeli Verlag herausgegebene Stadtreader „Intercity Berlin Istanbul“ ist fertig!

Die Beiträge berichten von Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes, Tourismus und Verkehr, Orten des Vergnügens und der Kulinaria, Architektur der Zwischennutzung und Stadtteilverdrängung, besetzten Häusern und Zivilgesellschaft. Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede lassen sich zwischen Berlin und Istanbul feststellen? Istanbuler und Berliner AutorInnen stellen ihre Stadt vor, in satirischen, grotesken und tragischen Momentaufnahmen, Huldigungen und Schmähungen. Sie beschreiben Szenegrößen, seltsame Heilige oder einfach nur das absurde Leben.

Ein kleiner Text von mir zu den Berliner Aufwertungsdynamiken ist  auch im Buch nachzulesen. Eine leicht veränderte Fassung des Beitrages gibt es auch hier: „Berlin: Die Karawane zieht weiter – Stationen einer Aufwertung„.

Alle, die bei der Präsentation des Buches dabei sein wollen, sei dieser Termin empfohlen:

Samstag 6. März 2010, 18-21 Uhr in der Galerie im Kurt Schumacher Haus, Müllerstraße 163, Berlin-Wedding

Im Ankündigungstext für die Buchpräsentation heisst es:

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Berliner Immobilien-Verwertungs-Koalition

Ein kleines Ratespielchen: Lesen Sie die folgenden zwei Zitate und ordnen Sie die Autor/innen richtig zu. Welches Zitat würden Sie der sozialdemokratischen Senatorin für Stadtentwicklung Ingeborg Junge-Reyer und welches Zitat würden sie dem Vertreter des Bundes der Berliner Haus- und Grundbesitzervereine „Haus & Grund“ Dieter Blümmel zuordnen:

Zitat 1: „Warum sollten wir irgendwelche bunten Mischungen schützen? Es gibt eine gesamte Stadt, in der gibt es 1,4 Millionen Wohnungen. Davon stehen 100.000 leer und da soll sich jeder seine Wohnung suchen, in die er am liebsten hin ziehen will. Es hat niemand ein Anrecht darauf, an einer ganz bestimmten Stelle für sein ganzes Leben zu einer niedrigen Miete wohnen bleiben zu dürfen.“

Zitat 2: „Gute Lagen und entsprechende Ausstattung einer Wohnung haben ihren Preis. Keiner kann und niemand muss Wohnungssuchenden garantieren, eine sanierte Stuckaltbauwohnung in 1a-Wilmersdorf- oder Prenzlauer- Berg – Lage für unter 5 €/qm Kaltmiete zu finden. Aber der entspannte Berliner Wohnungsmarkt (…) sorgt dafür dass jeder eine bezahlbare Wohnung finden kann. Es gibt einen langfristigen, d.h. mehr als 6 Monate andauernden, hohen Leerstand von 108.000 Wohnungen, kurzfristig sind sogar ständig 150.000 Mietwohnungen auf dem Markt.“

Das Zitat 1 geht auf Dieter Blümmel (rbb-Sendung Klartext: „Hohe Mieten – Wird der Mittelstand aus der City vertrieben?“ vom 11.02.2009) zurück und Zitat 2 stammt von der Stadtentwicklungssenatorin – der Unterschied ist kaum zu bemerken. Diese eigentümliche argumentative Einheit kann als Ausdruck einer Berliner Immobilien-Verwertungs-Koalition gedeutet werden, denn auch in der politischen Praxis zeigt sich, dass die Berliner Politik spätestens seit der Jahrtausendwende die Stadtentwicklung weitgehend privaten Investoren überlässt. Berlin ist damit jedoch keine Ausnahme sondern steht nur exemplarisch für den Trend einer neoliberalen Stadtpolitik, wie er sich seit über 20 Jahren weltweit in vielen Metropolen durchgesetzt hat.

In kritischen sozialwissenschaftlichen Forschungsarbeiten der 1980er Jahre finden sich einige noch heute lesenswerte Erklärungsansätze: Weiterlesen