Berlin: Steigende Mieten im Handgepäck – Das Geschäft mit den Ferienwohnungen

In den vergangenen zwei Jahren hat die Berliner Stadtdebatte ein neues Lieblingthema entdeckt: Die Touristen (1 / 2 / 3 ). Mehr als 20 Millionen Übernachtungen dieses Jahr sorgen für klingende Kassen des Gast- und Fremdenverkehrsgewerbes und mancherorts für Unmut wegen des Lärms und Drecks den größere Menschengruppen regelmäßig machen bzw. hinterlassen. Mit einem vernünftigen Konzept für besonders beliebten Orte und Platze sowie ein paar zusätzlichen Mülltonnen und öffentlichen Toiletten ließen sich diese Probleme gut in den Griff bekommen. Schwieriger schon scheint es, die wohnungswirtschaftlichen Auswirkungen des Tourismusbooms zu bändigen.

Nach Schätzungen der Berliner MieterGemeinschaft gibt es zur Zeit in Berlin etwa 12.000 Ferienwohnungen mit ca. 50.000 Übernachtungsmöglichkeiten – in der Regel sind es ehemalige Mietwohnungen, die zum Zwecke der höheren Verwertung als Ferienwohnungen angeboten werden.

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Berlin: Ist Tourismuskritik fremdenfeindlich?

Xenophobe Plakate in Kreuzberg - oder legitime Auseinandersetzung mit Tourismusfolgen? (via blikeberlin

Die Berliner Zeitung vom 16. November druckte einen bissigen Kommentar von Christoph Raiser ab: Neukölln und das internationale Pack. Der Autor ist dabei den ausländerfeindlichen Grundtönen der Gentrification-Kritik auf der Spur. So richtig es mir scheint, die verkürzten Feindbilder in städtischen Protesten anzuprangern, so unglücklich sind die Beispiele seiner Polemik. So führt er ausgerechnet die Zeitschrift der Berliner Mietergemeinschaft (MieterEcho) an, um eine plumpe Hetze gegen die Zuziehenden aufzudecken:

Das „Mieterecho“ etwa, die Publikation der Berliner Mietergemeinschaft, beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema und fordert im Großen und Ganzen ein Eingreifen des Senats gegen Mieterhöhungen. Das ist legitim und würde uns alle freuen. Nur warum schreibt das Blatt in seiner Ausgabe vom vergangenen Juli, dass „eine hypermobile, kreative Klasse“ aus Künstlern, Wissenschaftlern und Aussteigern aus dem Ausland einen entscheidenden Anteil an Mietsteigerungen in Kreuzberg und Neukölln habe?

Ja, gute Frage, warum schreibt die aufgeklärte Vereinspublikation einer großen Berliner Mieterorganisation über so ein Thema? Sind womöglich alle Kritiker/innen der steigenden Mieten verkappte Rassist/innen? Oder hat da ein Journalist ganz investigativ ein neues Thema geschaffen um sich an der Gentrification-Kritik abzuarbeiten?

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Berlin: Anglophone Gentrification in Neukölln

Englischsprachige Anti-Gentrification-Plakate am Herrfurthplatz in Berlin Neukölln (Herbst 2010)

Die Berliner Tourismusindustrie wird dieses Jahr voraussichtlich die 20-Millionen-Marke knacken. Fast die Hälfte der Besucher/innen kommen aus dem Ausland. Auch unter Studierenden, jungen Akademiker/innen und Künstler/innen erfreut sich Berlin einer internationalen Beliebtheit. Stadtentwicklung in Berlin ist zunehmend durch Zuzüge und temporäre Anwesenheiten eines internationalen Erlebnispublikums und Bildungsbürgertums gekennzeichnet.

Auch die Gentrification ist von einer wachsenden Zahl internationaler Aufwertungspioniere geprägt. Neukölln wurde lange Zeit als Beispiel für eine Parallelgesellschaft integrationsunwilliger Migrant/innen durch die öffentlichen Debatten getrieben und als ‚Klein Istanbul‘ stigmatisiert. Die Zeiten sind offenbar vorbei: Das neue Neukölln spricht Englisch. Die New York Times wirbt auf ihren Webseiten für den ‚creative place‘, enttäuschte Wirte hinterlassen ihrem englischsprachigen Publikum eine Videobotschaft im Internet und Stadtteilinitiativen kleben ihre Aufrufe mittlerweile in englischer Sprache : „be active against gentrification“.

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Berlin: Tourismus und Gentrification

Unter dem Titel Wohnen auf der Partymeile – Tourismus in Berliner Quartieren diskutierte der AK Linke Metropolenpolitik am vergangenen Mittwoch auf einer Veranstaltung über die Folgen des Tourismus für die Stadtentwicklung. In der Ankündigung hieß es:

„Die Kulturszene der Stadt nimmt inzwischen einen wichtigen Platz im Berliner Stadtmarketing und der Tourismuswerbung ein und zieht Touristen aus aller Welt an. Auch abseits der Touristenmeilen in Berlin Mitte (…) führen die wachsenden Touristenströme allerdings zunehmend zu Problemen und Unmut der Anwohner/innen. Neben Lärmbelästigungen durch Kneipen, Clubs und Feiernde auf öffentllichen Plätzen berichten Anwohner/innen in einigen Wohngebieten inzwischen von Verdrängungsprozessen, sowie Lärm- und Müllproblemen durch entstehende Hostels und Ferienwohnungen.“

Die Veranstaltung sollte einer Bestandsaufnahme der durch den Tourismus ausgelösten Probleme und der Diskussion möglicher Lösungsansätze dienen. Als Experten geladen waren Johannes Novy (Doktorand am Center for Metropolitan Studies an der TU Berlin), Gerhard Buchholz (Berlin Tourismus Marketing GmbH) und Olaf Möller (Club Commission Berlin). Vorschläge für Lösungsansätze blieben am Mittwoch Mangelware, dennoch bot die Veranstaltung tiefe Einblicke in die Problemlagen des Tourismus.

Insbesondere die beiden Vertreter der Berliner Tourismus Marketing GmbH und der Club Commission boten einen (unfreiwilligen) Anschauungsunterricht für die beschränkten Handlungslogiken von Lobbyorganisationen der Tourismusbranche. So stellte der Vertreter von Berlin Tourismus Marketing (BTM) klar, dass die Aufgabe der Gesellschaft exakt dem entspricht, was der Name vermuten lässt.

Auch Olaf Möller von der Club Commission konnte sich trotz der Verdrängungsgefahren nicht zu einer tourismuskritischen Position durchringen:

„Wir wünschen uns Tourismus. Ohne die Gäste würde es keine 200 bis 300 Clubs in der Stadt geben.“

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Berlin: Wohnen auf der Partymeile? (Veranstaltungstipp)

Der AK Linke Metropolenpolitik setzt sich in regelmäßigen Veranstaltungen mit verschiedenen stadtpolitischen Themen auseinander. Die nächste Veranstaltung ist dem Stadttourismus in Berlin gewidmet.

Wohnen auf der Partymeile? Tourismus in Berliner Quartieren

Mittwoch, 5. Mai 2010, 19.30 Uhr

Lounge im Turm, Frankfurter Tor 9 (U Frankfurter Tor)

Es diskutieren:
Johannes Novy
(Center for Metropolitan Studies, TU Berlin)
Gerhard Buchholz (Berlin Tourismus Marketing)
Olaf Möller (Club Commission)

Moderation:
Andrej Holm (AK Linke Metropolenpolitik)

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Berlin „Gentrification ist größte Gefahr“

Tourismus-Marketing gegen Aufwertung

Die Befürchtung vor Aufwertungsprozessen in Berlin zieht immer weitere Kreise. Längst sind es nicht mehr nur die Mieterorganisationen, Stadtteilinitiativen und  Kreuzberger Bürgermeister, die vor den Verdrängungsgefahren warnen. Einem Artikel in der Berliner Zeitung „Touristen lieben das Berliner Nachtleben“ ist zu entnehmen, dass nun auch Bernhard Kieker, Chef der Berlin Tourismus Marketing GmbH (BTM) im Chor der Gentrification-Kritik mitsingt.

Kieker teilte die Befürchtung, dass die Gentrifizierung die größte Gefahr für Berlin ist.

Hintergrund sind jedoch nicht die steigenden Mieten sondern die Angst vor dem Verschwinden der Freiflächen für temporäre Partyzonen und improvisierte Clubs. Wenn diese Bauprojekten weichen müssen, dann verliert Berlin seine Attraktivität für viele internationale Tourist/innen – so die Befürchtung des Torismus-Marketing-Experten.

51 Prozent der ausländischen Gäste gaben an, sie kämen wegen des Nachtlebens. Die BTM will den Strandbars helfen, sich international zu vermarkten. Analog zum „Winterzauber“ soll künftig der „Summer of Berlin“ vermarktet werden. „Darunter fällt alles, was man gerne im Sommer macht, aber nicht mit einer Großstadt verbindet“, so Kieker.

Zusammen mit der Club Commission will die BTM nun die Clubs unterstützen, einen Runden Tisch Tourismus einrichten und mit den Bezirken über weitere Zwischennutzungsangebote verhandeln.

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München: Champagner zur Currywurst

In der Süddeutschen Zeitung schreibt Beate Wild eine Kolumne über das Münchener Nachtleben (After Eight), in der sie seit ein paar Monaten das Ende des Glockenbachviertels betrauert. Artikel wie Requiem für ein Viertel (14.01.2010) und Der nächste Todesstoß (25.03.2010) stehen für die Wahrnehmung einer urbanen Apokalypse des ehemaligen Szeneviertels.

Das Glockenbachviertel – so die Beobachtungen von Beate Wild –  verliert den Charme von Coolness und Happienes der vergangenen Jahre. Lange Zeit als Standort einer Schwul-Lesbischen-und-Nachtclubszene gefeiert schließen nun viele der angesagten Clubs und Kneipen. Stattdessen etabliere sich im Viertel ein schnöder Vergnügungskommerz. Aufhänger ihrer Geschichte ist die neue Speisekarte einer Currywurstbude, die unter anderem eine kleine Flasche Champagner für 59 Euro empfiehlt.

Curry heißt der Laden schlicht. Weniger schlicht ist das Angebot. Und genau hier liegt das Problem. Champagner in einer Currywurst-Bude? Und das im wahnsinnig lässigen Glockenbach, dem Szeneviertel Münchens schlechthin? Das ist der Anfang vom Ende dieses Viertels. Das Ende der Coolness, das Aus für die Subkultur, das Amen für die In-Lokale.

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