Berlin: „Hartz IV geht raus aus Neukölln“

Gerade war es wieder in der Zeitung zu lesen: Nord-Neukölln ist auf dem Weg der Aufwertung. Die Gegend um den Reuetplatz ist längst als Kreuzkölln zur Vorzugslage von Immobilienmaklern erhoben worden und im Schillerkiez befürchtet die taz sogar Verhältnisse wie in Prenzlauer Berg: Willkommen in „Prenzlkölln“:

Altbauwohnungen in dem Neuköllner Viertel sind inzwischen begehrt. Vermieter nutzen die Nachfrage aus: Sie erhöhen die Mieten kräftig – und werben mit platten Schlagworten.

Die Aufwertung des Viertels wird sehr anschaulich aus der Perspektive von Immobilienmakler/innen beschrieben. Während eine Maklerin, die namentlich nicht genannt werden sollte sich über die vielen Studierenden und Künstler/innen freut, die immer höhere Preise akzeptieren, berichtet Immoblienmakler Cemal Düz von 800 Suchaufträgen von Hartz-IV-Empänger/innen, für die er keine Wohnungen mehr im Kiez findet.

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Berlin: Neukölln in den Kollwitzplatz verwandeln? (Radiofeature)

Der Norden Neuköllns verändert sich rasant. Die Mieten steigen, Kneipen und Cafés eröffnen. Zahlungskräftigeres Publikum zieht her. Damit einher geht auch eine beginnende Verdrängung der bisherigen Bevölkerung. Gentrification, so nennt sich das stadtpolitische Phänomen, das ähnlich und zum Teil weiter fortgeschritten auch in anderen Berliner Bezirken wie Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Kreuzberg beobachte werden kann. Maßnahmen des Berliner Senats wie die Quartiersmanagements und die Ausrufung von Sanierungsgebieten schieben diesen Prozess an und begleiten ihn.

Um auf diese Situation aufmerksam zu machen hat sich die Avanti-Sozial-AG Ende letzten Sommers in Neukölln umgeschaut und ein Radiofeature produziert, das über die aktuelle Situation aufklären und die wichtigen Akteure benennen will. Es wurden u.a. Interviews mit dem Quartiersmanagement Reuterkiez und dem Vorsitzenden von Haus und Grund Neukölln geführt. Wir wollen so noch einmal nachdrücklich auf die Entwicklung nicht nur in Nordneukölln, sondern in Gesamtberlin aufmerksam machen: denn überall innerhalb des S-Bahn-Rings steigen die Mieten.Radiofeature zum runterladen: Nordneukölln in den Kollwitzplatz verwandeln? (53 min.).

Begleitend zum Radiofeature gibt es ein kleines Booklet (pdf) mit vielen Informationen und einer stadtpolitischen Positionierung der AVANTI-GRuppe in Berlin.

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Berlin Nordneukölln: „es gibt sogar schon Diplomaten hier“

In der erst kürzlich auch hier besprochenen Artikelserie „Soziale Stadt“ in der taz gibt es heute ein aufschlussreiches Interview mit einem Hausverwalter in Nordneukölln, der den Aufschwung der letzten Jahre aus seiner Perspektive darstellt: „Vertreibungsgefahr ist nicht so groß“.

Während selbst kleinräumige Statistiken bisher nicht geeignet waren, die symbolischen Aufwertungen und den Imagewandel von Nordneukölln auch empirisch zu bestätigen und Verdrängungswarnungen oft mit dem Vorwurf einer nur „gefühlten Gentrification“ konfrontiert waren, gibt es nun ein paar handfeste und glaubwürdige Indizien für die beginnende Gentrification dort. Bernd Girke, Hausverwalter von vier Häuser in der Umgebung des Weichselplatztes benennt im Interview gegenüber der taz, eine steigende Nachfrage nach Wohnungen im Gebiet, höhere Neuvermietungsmieten und eine wachsende Investitionsbereitschaft der Eigentümer als klare Merkmale des Wandels.

Unabhängig von den spannenden Informationen zum Vermietungsgeschäft im Neuköllner Norden gibt es ein wunderschönes Zitat zur fast schon sympathischen Piefigkeit des alten Westberlin:

taz: (…) Sie haben am Weichselplatz einen schönen Spielplatz, es gibt ein kinderfreundliches Café, einen Bio-Eisladen, Kindermodegeschäft. Manche sagen, der Weichselplatz ist schon bald der Kollwitzplatz von Neukölln.

Antwort Girke: Ich muss zu meiner Schande gestehen, ich war noch nie am Kollwitzplatz, zumindest ist den letzten 20 Jahren nicht. Darum weiß ich auch nicht, ist das was Positives, was Negatives? Jedenfalls freue ich mich, wenn ich nach Hause komme und sehe, dass das Café voll ist und überall Fahrräder stehen und auf dem Spielplatz voller Betrieb ist.

Passend zum Thema hab ich auch folgenden Blogeintrag bei Allexander Korte gefunden: Reuterkiez kommt?

Als Mitte-Boy muss ich mit ansehen wie unser Viertel vermainstreamt und die Karawane der Jungen und Schönen (=Gentrification) weiterzieht in ein mir fernes und unbekanntes Land. Sie nennen es Kreuzkölln oder Neukölln-Nord. (www.korte.de)

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Berlin: Senat plant „erhebliche Aufwertungen“ in Neukölln

Die Retter der Stadt sind wieder da! Diesmal in Gestalt der Senatsverwaltung und des Planungsbüros PFE.  Ein Artikel in der Berliner Zeitung berichtet über die Ergebnisse der Vorbereitenden Untersuchung für die Festlegung eines Sanierungsgebietes im Gebiet Maybachufer / Elbestraße in Berlin Neukölln: „Schöner wohnen an der Sonnenallee„.

Heruntergekommene Häuser, dunkle Wohnungen, marode Straßen, ungepflegte Parks und Wege – so charakterisieren Stadtplaner das dicht besiedelte Neuköllner Wohngebiet zwischen Sonnenallee und Landwehrkanal. Allein 107 Millionen Euro wären in den kommenden Jahren nötig, um das Wohnviertel „lebendig, attraktiv und vielfältig umzugestalten“, sagt Olaf Gersmeier vom Stadtplanungsbüro PFE.

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Berlin: Zweierlei Aufwertungsperspektiven

In der taz von heute gibt es zwei Beiträge, die zumindest in ihren Überschriften ankündigen, sich mit Gentrification zu beschäftigen. Jan Feddersen erklärt in seiner Kolumne: „Gentrification – na, prima!„, Peter Nowak beschreibt in seinem Beitrag: „Eine türkische Familie unter Druck. Wie Migranten mit der Gentrifizierung zurechtkommen„.

Kurz zusammengefasst fragt sich Jan Feddersen, der selbst im Aufwertungsverdachtsgebiet Nord-Neukölln wohnt, was denn an der Aufwertung eigentlich schlecht sei und lässt uns an seinen Vorstellungen von einer „guten Stadt“ teilhaben:

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Berlin: Aufwertungszenit in Prenzlauer Berg erreicht?

Der Immobilienverband (IVD) Berlin Brandenburg, eine Lobbyorganisation von Immobilienmakler, Immobilienverwalter, Finanzdienstleister, Bewertungs-Sachverständige und  Bauträgern hat nur zwei Wochen nach der Veröffentlichung des Berliner Mietspiegels (siehe auch Beitrag hier im Gentrificationblog) einen eigenen Mitspiegel herausgegeben: IVD-Marktmietspiegel für Berlin. Fazit des IVD-Berichtes in etwa: die Mieten können fast überall gesteigert werden, außer in Prenzlauer Berg, dort ist der Zenit erreicht…

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Berlin: Aufwertungstendenzen am Reuterplatz

Der gerade veröffentlichte IBB-Wohnungsmarktbericht 2008 bestätigt die wohnungswirtschaftlichen Einschätzungen und Sozialstudien der vergangenen Monate: steigende Preise in fast allen Wohnungsmarktsegmenten. Die durchschnittlichen Nettokaltmieten werden für Ende 2007 mit 4,75 angegeben, das sind 11 Prozent mehr als 2002. Ein Steigerung, die fast doppelt so hoch ist, wie die der durchschnittlichen Einkommenssteigerungen im selben Zeitraum. Die Mietbelastungsquote ist damit auf 28 Prozent angestiegen – das ist schon fast richtiges Westniveau (wie in Hamburg, Frankfurt/Main oder München). Die Neuvermietungsmieten liegen sogar noch höher, bei durchschnittlich  5,75 Euro je Quadratmeter.  Zusammenfassende Artikel zum aktuellen Wohnungsmarktbericht gibt es in der Berliner Zeitung: „Mieten steigen schneller als die Löhne“ und „Wohnen in der City muss man sich leisten können

Die Sonderauswertung zur Mietentwicklung in Neukölln zeigt, dass auch Teile des sonst meist als Problemquartier beschriebene Nordneukölln zur City gehört. So bestätigt der Wohnungsmarktbericht die Sonderrolle des Reuterkiezes. Weiterlesen

Berlin | Zürich: Gentrification light?

Gentrification ist ein „dirty word“ (Neil Smith). Auch aktuelle Beispiele zeigen, dass vor allem Stadtverwaltungen und die Immobilienwirtschaft in eine Rhetorik der Verharmlosung verfallen, wenn es darum geht, Verdrängungsprozesse zu beschreiben.

Beispiel Zürich: Die Neue Züricher Zeitung argumentiert im Artikel Übertriebene Angst vor «Yuppisierung» an der Langstrasse, dass die Verdrängung nicht so drastisch sei, wie wahrgenommen. Zwar habe es größere soziale Veränderungen gegeben, aber die könne nicht als Verdrängung beschrieben werden, schließlich seien die früheren Bewohner/innen aus anderen Gründen ausgezogen… (mehr)

Beispiel Berlin Prenzlauer Berg: Um den Erfolg der Berliner Stadterneuerungspolitik zu demonstrieren wählte die Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) ausgerechnet den Kollwitzplatz in Prenzlauere Berg aus. Nein, es ging ihr nicht um die magere soziale Bilanz von 15 Jahren Sanierung (mehr dazu hier im gentrificationblog) sondern um die Vorstellung des Campus der Grundschule am Kollwitzplatz als ‚gelungenes Beispiel für eine familiengerechte Stadterneuerung‘. Um solche Erfolge zu zelebrieren, wird das verpassten Sanierungsziel einer sozial verträglichen Modernisierung einfach ausgeblendet. Auch eine Variante, sich eine Realität zu schaffen. Im Neuen Deutschland ist die Jubelveranstaltung anschaulich beschrieben: Respekt vor Kindern am Kollwitzplatz.

Beispiel Berlin Neukölln: Eine kürzlich vorgestellte Studie zur boomenden Kreativwirtschaft hat gerade wieder Neukölln und sogar Teile von Wedding als künftige hot-spots der Aufwertung identifiziert. In der Berliner Morgenpost (Studie sagt Berlins Kreativwirtschaft starkes Wachstum voraus) heisst es:

Bereits durch diese erste Studie werde deutlich, welche Impulse von den Kreativen ausgingen und wie Kunst und Kultur Stadtteile, auch im sozialen Bereich, verändern könnten. Als Beispiel nannte sie „Szene-Quartiere“ wie Nord-Neukölln und Wedding.

Um nicht auf den Gedanken zu kommen, solche Impulse könnten irgendwas mit Aufwertung oder Verdrängung zu tun haben, gibt es den Plötz-Immoblienführer: In Neukölln muss man steigenden Miete nicht fürchten (Berliner Morgenpost). Na, dann wird ja alles gut…

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Neukölln wird verkauft

… dies jedenfalls glaubt der Tagesspiegel: Neukölln verkauft sich gut. Ob Rütli-Schule, preisgekrönte Spielfilme („Knallhart“ von Detlef Buck) oder Kurt Krömer – Neukölln ist zumindest zu einer vielgenutzten Marke geworden. Und jetzt gibt es auch noch „Luxuswäsche – Made in Neukölln“ (Berliner Morgenpost).

In Nordneukölln scheint dieser symbolische Imagegewinn sich auch in den stadträumlichen Strukturen niederzuschlagen. Gleich mehrere Medien bejubelten in der vergangenen Woche den Aufstieg des Problemviertels. n-tv.de konstatiert in einem Bericht über den Reuterkiez in Nordneukölln noch sachlich einen Wandel: Berlin-Neukölln im Wandel. BILD zeigt uns die neuen, schönen Seiten von Neukölln: Neukölln zieht immer mehr Kreative an. Der Problem-Kiez wird zum Szene-Viertel:

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Zu schlecht für die Aufwertung?

Fast möchte man von einem kleinen Boom sprechen: Gentrification ist im Laufe des letzten Jahres als Begriff in der deutschsprachigen Öffentlichkeit bekannt geworden. Karin Baumert hat sich in weiser Voraussicht schon im vergangenen Sommer beim BKA für diesen Popularitätsschub bedankt und festgestellt: „Gentrifizierung ist Terror“.

Doch nicht nur, dass nun alle Welt zu wissen scheint, was es mit der Gentrification auf sich hat, der Begriff wird auch noch fast inflationär gebraucht. War es lange Zeit selbst bei eindeutiger Sach- und Faktenlage umstritten, die Aufwertungs- und Verdrängungsprozesse beim Namen zu nennen, wird heutzutage gefühlt jede Neueröffnung einer Galerie oder In-Location und jeder Eigentümerwechsel mit einer Gentrifcationanalyse verbunden. Insbesondere in bisher eher als Problemviertel gehandelten Nachbarschaften wie Hamburg Wilhelmsburg oder Berlin Neukölln wirkt dies für viele überraschend. Doch was ist dran an der Aufwertung in bisher abgehängten Stadtlagen?

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