Hamburg: Creative City jenseits von Florida?

Die Besetzung des Gängeviertels durch Künstler/innen und das von verschiedenen Kulturschaffenden initiierte Manifest „Not in our Name – Marke Hamburg“ hat für einige stadtpolitische Aufregung gesorgt und auch der Diskussion um das Konzept einer ‚creative class‘ und einer ‚creativ city‘  des kanadischen Stadtplaner Richard Florida neuen Schwung gebracht. Im Manifest der Hamburger Künstler/innen wandten diese sich gegen die Vereinnahmung ihrer Aktivitäten durch eine unternehmerische Stadtpolitik.

Hintergrund der Kritik sind die Thesen Floridas, der unter dem Stichwort der ‚creative city‘ Stadtkultur und Alternativszenen in ‚weiche Standortfaktoren‘ des Städtewettbewerbs verwandelt, um den Zuzug von Unternehmen und Leistungsträger/innen der Wissensökonomie zu fördern.

Volker Kirchberg – Professor für für Kulturvermittlung und Kulturorganisation an der Leuphana-Universität Lüneburg – wurde von der taz zum Thema befragt: „Kreativität kann man nicht planen„. Darin setzt er sich kritisch mit den Thesen Richard Floridas auseinander und plädiert – unter Berufung auf Charles Landry für ein anderes Verständnis von kreativer Stadtentwicklung. Statt der Funktionalität für eine unternehmerische Strategie sollte Kreativität als Kriterium für den Innovationsgehalt von Stadtpolitik verstanden werden.

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Berlin: Clubkultur und Gentrification

Am Samstag fand im Hebbel am Ufer (HAU 2) die Veranstaltungsreihe LIFE IS LIVE statt. Im ersten Panel diskutierten verschiedene Musiker, Konzert- und Tourneeveranstalter/innen und eine Musikkuratorin über die Auswirkungen der Tonträgerkrise auf die Eventbranche der Musikindustrie. Richtig Geld verdient werden kann – so in etwa der Tenor – eigentlich nur noch mit Life-Events. Die bestehende Vielfalt von Konzertagenturen und Veranstaltern gerät dabei zunehmend unter den Monopolisierungsdruck internationaler Player der Branche wie Life Nation.  Eine höhere Frequenz an Auftritten und die verstärkte Orientierung am Spektakel sind ebenso Folgen dieser Entwicklung wie die Etablierung von Life-Events durch größere Konzerne (wie z.B. der Telekom) die mit solchen Ereignissen ihr Zielgruppen-Portfolio erweitern wollen. Vieles habe sich verändert, aber die neuen Entwicklungen bieten auch neue Chancen – so die Argumentation auf dem Podium. Worin diese neuen Chancen bestehen, habe ich aber nicht verstanden.

Im zweiten Panel ging es dann um die räumlichen Auswirkungen der Clubkultur: unter dem Motto „Das Event,  die Stadt und das Eigentum“ diskutierten hier Gerrit Schultz (Betreiber vom WMF-Club), Tobias Rapp (Kulturjournalist, Spiegel), Ted Gaier (Musiker, Goldene Zitronen) und Björn Böhning (Politiker, SPD). Christoph Gurk (Musikkurator HAU) und Jens Balzer (Kulturjournalist, Berliner Zeitung) moderierten die Debatte und ich durfte die Rolle des Wissenschaftlers spielen…

UPDATE: hier ein kleiner Artikel zur Diskussion in der taz: Die Kleinen und die Bösen:

Dem (der Gentrification) möchte der Stadtsoziologe Andrej Holm durch Strategien der Dislokation begegnen, in dem man boomenden Vierteln bewusst aus dem Weg geht, oder durch De-Attraktivierung von beliebten Orten. So viel wurde bei „Life is live“ klar: Die Stadt der Zukunft muss sich ihre Lebbarkeit aufs Neue erkämpfen, Popmusik wird dabei eine zentrale Rolle spielen.

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Hamburg: Naturgesetz der Aufwertung?

In der Ausgabe des Hamburger Abendblattes vom 27.11.2009 ist ein bemerkenswerter Gastbeitrag von Willfried Maier (GAL), dem ehemaligen Stadtentwicklungssenator von Hamburg (1997-2001) zu finden: „Das Lebensgesetz moderner Städte schlecht verstanden„.

In seinem Text setzt er sich mit dem Manifest „Not in our Name“ auseinander und streitet vehement den Vorwurf einer stadträumlichen Spaltung in Hamburgs Innenstadt ab.

Die Auseinandersetzungen um das Gängeviertel, um das Bernhard-Nocht-Quartier in St. Pauli, um die Ikea-Ansiedlung in Altona sind nicht Resultat räumlicher Trennung der verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Sondern Begleiterscheinungen einer Neubelebung der inneren Stadt.

Niemand würde ernsthaft bezweifeln wollen, dass die aktuellen Konflikte Resultat einer forcierten Innenstadtentwicklung sind, doch warum sich eine „Neubelebung der inneren Stadt“ und eine „räumliche Trennung der verschiedenen Bevölkerungsgruppen“ ausschließen müssen, bleibt erst einmal ungeklärt. Vielleicht ist das eine ja nur ein euphemistischer Ausdruck des anderen?

Der unglückliche Begriff der „Neubelebung“ ist dabei offenbar kein rhetorischer Fehltritt, sondern Prinzip. Am Ende des Beitrags wird uns noch ein „Lebensgesetz der modernen Städte“ präsentiert. Was kommt da als nächstes an biologistischen Methaphern auf uns zu:  ‚Keimzellen der Entwicklung‘, ‚Krebsgeschwüre der Armut‘ oder ein  ‚Lebensborn der kreativen Klasse‘?

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Hamburg: „Die Stadt gehört ja eigentlich allen“ (Mitschnitt)

Von der Diskussionsveranstaltung am vergangenen Dienstag (17.11.) im Gängeviertel gibt es inzwischen einen Mitschnitt vom Radio FSK: [Podcast] „Die Stadt gehört ja eigentlich allen“.

Mitschnitt der Diskussionsveranstaltung vom 17. November 2009 aus der Jupi-Bar im Hamburger Gängeviertel, unter anderem mit Andrej Holm, Ingrid Breckner und Christoph Schäfer, der am Mittwoch in der Sendung „Die Stadt gehört ja eigentlich allen“ lief.

Download  bei Freie Radios.Net unter http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=30781 (100 min)

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Hamburg: Gängeviertel: Erfolgreicher Protest oder Rettung der Marke Hamburg?

Das seit dem Sommer von überwiegend Künstler/innen besetzte Gängeviertel hat in Hamburg und darüber hinaus eine lebhafte Debatte um die Folgen einer unternehmerischen Stadtpolitik ausgelöst. Im Rahmen einer Veranstaltungsreihe „In welcher Stadt wollen wir eigentlich leben“ werden Fragen der aktuellen Stadtpolitik in Hamburg diskutiert. Die Auftaktveranstaltung am 17.11.2009 stand unter dem Titel „Recht auf StadtGehört die Stadt nicht eigentlich uns alle?“.

Hier für alle, die es mögen, hier eine schriftliche Fassung meines kleinen Inputs zu Beginn der Diskussion:

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Berlin/Hamburg: Veranstaltungsnachlese

Herbstzeit ist Veranstaltungszeit – so jedenfalls scheint es auf stadtpolitische Diskussionen zuzutreffen. Am Wochenende diskutierten über 100 Teilnehmer/innen in Berlin ob und wie „Gentrification für alle – und zwar umsonst“ gefordert und umgesetzt werden kann. Im Hamburger Gängeviertel wurde selbst im Hamburger Abendblatt („Gängeviertel: Künstler laden zur Diskussion„) dazu aufgerufen darüber zu diskutieren „In welcher Stadt wollen wir eigentlich leben?„. Und auch bei Radio Fritz, dem Jugendradio des RBB gab es am Dienstag eine Hörerdiskussion zum Thema Gentrification und Verdrängung: „Gentrifizierungs-Blue-Moon. Das Kapital und die Kiez-Kultur

Ausführliche Nachbereitungspapiere gibt es noch nicht, aber die eine oder andere Reflektion geistert schon durch Netz:

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Hamburg: Gängeviertel Diskussionsreihe

Gängeviertel Diskussionsreihe
„Wie sieht die Stadt aus, in der wir leben wollen?“

Dienstag 17.11.09, 19:30 Uhr im Gängeviertel
„Die Stadt gehört ja eigentlich allen“ mit:
– Dr. Andrej Holm / Institut für Humangeographie Goethe-Universität FFM
– Prof. Dr. Ingrid Breckner / Stadt- und Regionalsoziologie HCU-Hamburg
– Christoph Schäfer / Park Fiction, Es regnet Kaviar, Hamburg
– Moderation: Ole Frahm / FSK, Hamburg

Dienstag 01.12.09, 19:30 Uhr im Gängeviertel
„Sehnsucht nach Altem – Die Stadt und die Erinnerung“ mit:
– Prof. Dr. Hermann Hipp / Denkmalverein, Kunsthistoriker Uni Hamburg
– Jo Claussen-Seggelke / Stadtplaner SRL, Hamburg
und weiteren

Dienstag 15.12.09, 19:30 Uhr im Gängeviertel
„Räume für Kultur“ mit:
– Amelie Deulhard / Kampnagel, Hamburg
und weiteren

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Hamburg: Floridarisierung des Protestes

Die harte Haltung des Senats war nicht mehr aufrechtzuerhalten – sowohl Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk (Grüne) als auch Kultursenatorin Katrin von Welck (parteilos) gehen auf Tuchfühlung mit den Künstler/innen die seit Ende August einige Gebäude im Gängeviertel besetzt hatten. Die Stadt will offenbar die künftigen Nutzungskonzepte überdenken – bisher plante ein holländischer Investor den Abriss und Neubau großer Teile des Altbauviertels. Soweit, so schön.

Doch wo die harte Hand nicht hinlangt, werden weiche Standortfaktoren ausgepackt. So auch in Hamburg: wenn es schon nicht gelingt die unternehmerischen Strategien der Stadtentwicklung durch direkte Investitionen durchzusetzen, soll doch wenigstens ein Marketinggewinn herausspringen, wenn sich die protestiertenden Künstler/innen schon so weit in die Öffentlichkeit der stadtpolitischen Debatte hinauswagten. Mit prominenter Unterstützung von Richard Florida himself wird jetzt eine Vereinnahmungsstrategie aufgetischt. Wenn schon kein internationaler Investor im Gängeviertel, dann soll Hamburg zumindest internationales Modell für die Förderung der kreativen Klasse werden. Marke Hamburg – egal wie: US-Ökonom Florida will Künstler an öffentlichem Eigentum beteiligen.

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Hamburg: „Das schlechte Gewissen des Reichtums heißt von jeher Sanierung“

Einen bemerkenswerten Artikel gibt es in der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung: Stadt der Tiefgaragen. In dem Beitrag geht es um die Sanierung am Valentinskamp im Hamburger Gängeviertel.

Die Süddeutsche Zeitung nimmt die Sanierungspläne zum Anlass für eine sehr grundsätztliche Kritik an der Sanierungspolitik der Hansestadt und ordnet die aktuellen Pläne in die Geschichte einer revanchistischen Stadtpolitik ein:

Hamburg ruiniert das urbane Gängeviertel – und nennt das ¸¸Sanierung‘. (…)  Große Städte schämen sich ihrer Arbeiterkultur wie einer schmutzigen, unsittlichen Herkunft. Die Erinnerung an die engen, übervölkerten Quartiere, in denen die Menschen lebten, die den Wohlstand der Stadt erarbeitet haben, wurden im Laufe der Stadtplanungsgeschichte erst hinter Prachtfassaden versteckt, dann Schritt für Schritt ganz zerstört.

Ihm folgten Legionen von Stadtplanern, mal eher feudal, mal eher revolutionär denkend, mal faschistisch, mal bürgerlich-modern geprägt, die mit den immer gleichen hygienischen und pseudo-sozialen Argumenten die Geschichte der Städte entsorgten. Das unverfängliche Wort für dieses schlechte Gewissen des Reichtums heißt von jeher „Sanierung“.

Es ist vor allem Verlust von Urbanität der von der Süddeutschen Zeitung befürchtet wird und die Perspektrive auf die künftige Bewohnerschaft ist nichte gerade liebevoll:

Zwar wird in Hamburg schon seit Jahrzehnten geklagt, dass das Zentrum nach Geschäftsschluss vollkommen ausgestorben ist, aber ebenso konsequent wird hier – wie in vielen anderen Großstädten auch – Künstlern, Galeristen, Studenten, Kneipiers, originellen Einzelhändlern und allen anderen Menschen, die eine Stadt jung und abwechslungsreich halten, jede Grundlage entzogen, sich zu annehmbaren Preisen anzusiedeln und auszutoben. Die Klientel, die man mit teurem Wohn- und Büroraum in die Innenstadt holt, bevölkert aber bekanntermaßen nur Tiefgaragen und Dachterrassen.

Das zentral gelegene Gängeviertel war traditionell des Arme-Leute-Viertel von Hamburg und seit den 1930erJahren seit Ende des 19. Jahrhunderts Ziel verschiedene Stadterneuerungswellen. .. Weiterlesen