Berlin: Ist Tourismuskritik fremdenfeindlich?

Xenophobe Plakate in Kreuzberg - oder legitime Auseinandersetzung mit Tourismusfolgen? (via blikeberlin

Die Berliner Zeitung vom 16. November druckte einen bissigen Kommentar von Christoph Raiser ab: Neukölln und das internationale Pack. Der Autor ist dabei den ausländerfeindlichen Grundtönen der Gentrification-Kritik auf der Spur. So richtig es mir scheint, die verkürzten Feindbilder in städtischen Protesten anzuprangern, so unglücklich sind die Beispiele seiner Polemik. So führt er ausgerechnet die Zeitschrift der Berliner Mietergemeinschaft (MieterEcho) an, um eine plumpe Hetze gegen die Zuziehenden aufzudecken:

Das „Mieterecho“ etwa, die Publikation der Berliner Mietergemeinschaft, beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema und fordert im Großen und Ganzen ein Eingreifen des Senats gegen Mieterhöhungen. Das ist legitim und würde uns alle freuen. Nur warum schreibt das Blatt in seiner Ausgabe vom vergangenen Juli, dass „eine hypermobile, kreative Klasse“ aus Künstlern, Wissenschaftlern und Aussteigern aus dem Ausland einen entscheidenden Anteil an Mietsteigerungen in Kreuzberg und Neukölln habe?

Ja, gute Frage, warum schreibt die aufgeklärte Vereinspublikation einer großen Berliner Mieterorganisation über so ein Thema? Sind womöglich alle Kritiker/innen der steigenden Mieten verkappte Rassist/innen? Oder hat da ein Journalist ganz investigativ ein neues Thema geschaffen um sich an der Gentrification-Kritik abzuarbeiten?

Weiterlesen

Istanbul: Islamisten und die Kultur der Gentrification

Istanbul: Polizeieinsatz nach Überfall auf Galerien in Tophane (http://theturkishlife.blogspot.com)

Die taz veröffentlichte vor ein paar Tagen einen längeren Beitrag über eine Massenschlägerei vor mehreren Galerien im Istanbuler Stadtteil Tophane: „Islamisten überfallen Vernissage in Istanbul„. Bereits der Titel legt nahe, dass es sich um den Akt einer religiös-fundamentalistischen Intoleranz handele. Gerüchte, die Angreifer hätten sich durch den offenen Alkoholgenuss der Galeriebesucher/innen provoziert gefühlt, bestätigen das Deutungsangebot des Beitrags. Einige der Kommentare lesen sich wie eine Mischung von Huntington („Clash of Civilizatiopns“)  und Sarrazin  und ein ‚Berthold‘ gibt sich zutiefst empört über die immer noch unterschätzte „religionsfaschistische Mohammedanisierung“.

Die Islamophobie der Kommentare überrascht dabei weniger als die einseitige Darstellung des taz-Beitrags selbst. Im Tagesspiegel („In Istanbul krachen Welten aufeinander„) beispielsweise wird die Massenschlägerei vor den Galerien auf einen bereits länger bestehenden Streit um die von den Ausstellungen ausgehenden Belästigungen und die Angst vor Mietsteigerungen zurückgeführt:

Im Istanbuler Stadtteil Tophane wehren sich alteingesessene Einwohner gegen die zugezogene Schickeria – mit durchaus handfesten Argumenten.

In einigen türkischen Medien wird sogar der Widerstand gegen die Gentrification als mögliches Motiv für die Auseinandersetzung in Tophane gesehen:
Gentrification posited as motive for attack on Tophane art galleries.

Weiterlesen

Rette die Stadt

Im aktuellen Freitag gibt es einen kleinen Beitrag von mir zu lesen: Rette die Stadt. Thema ist die mediale Berichterstattung über die aktuellen Stadtproteste in Hamburg und Berlin:

Rette die Stadt

von Andrej Holm

Ob in den Städten die Logik des Geldes herrscht, sollten nicht nur Anwälte und Künstler unter sich ausmachen. Denn die Debatte darf nicht kulturalisiert werden

Weiterlesen

Dämonisierung des Anti-Gentrification-Protestes

In der Süddeutsche Zeitung erschien mal wieder ein längerer Beitrag zur Gentirifzierung unserer Städte. Jan Füchtjohann durfte unter dem Titel „Das Gespenst der Gentrifizierung“ seine ganz  eigene Sicht auf die Anti-Gentrification-Proteste der letzten Monate zum Besten geben.

Aufhänger seines Artikels sind die Aktivitäten von Not in Our Name in Hamburg und die Proteste gegen das MediaSpree-Investoren-Projekt in Berlin. Beide Kampagnen hätten dazu geführt, dass die Aufwertung von Stadtteilen überall diskutiert wird.

Zwanzig Jahre nach dem Mauerfall sei auch die letzte Altbauwohnung der Stadt saniert – jetzt kämen nicht mehr nur Studenten, Musiker und Künstler, sondern auch ein ’saturierteres BWLer-Milieu‘, es stiegen die Mieten und die berühmte, einzigartige Clubkultur Berlins sei ‚auf dem absteigenden Ast‘.

So weit, so bekannt. Eine vulgäre Stadtsoziologie wie diese ist mittlerweile zum Verlegenheits-Diskurs unter vielen 25- bis 45-Jährigen geworden – wenn es nichts mehr zu sagen gibt, redet man eben über Berlin.

Noch mehr als diese Verlegenheits-Diskurse haben es dem promovierten Unternehmensberater Füchtjohann aber die Stellungnahmen von Künstler/innen angetan, die sich gegen eine Vereinnahmung in unternehmerische Stadtentwicklungskonzepte positionierten. In Hamburg hätten…

die Mächte des deutschen Indie-Pop zur Hetzjagd auf die Gentrifizierung geblasen haben. (…) ‚Wir‘, so hieß es in einem im vergangenen Jahr von Hamburg aus in die Welt geschleuderten Manifest, ‚die Musik-, DJ-, Kunst-, Theater- und Film-Leute, die kleine-geile-Läden-Betreiber und ein-anderes-Lebensgefühl-Bringer‘ möchten nicht länger dazu benutzt werden, tote Stadtteile wiederzubeleben und Investoren und kaufkräftigere Bewohner anzulocken.

Weiterlesen

Hamburg: Zeitmaschine der Gentrification

Zufällig bin ich im Netz auf einen Artikel von Tom Schimmeck aus dem Jahre 1988 gestoßen. Das Thema: die Aufwertung der Hamburger Innenstadt. Der Ort: das Schanzenviertel. Die Akteure: Yuppies, Künstler, Alternative. Der Titel: Lachs oder Fladenbrot. Tom Schimmeck über das Hamburger „Flora“ und die „Yuppisierung“ der Großstädte. Tom Schimmeck greift damit eine Kapitelüberschrift aus dem lange Zeit als Standardwerk geltenden Band von Hartmut Häußermann/Walter Siebel „Neue Urbanität“ von 1987 auf. Dort wurden unter dem Titel „Vom Müsli zum Kaviar oder Die Renaissance der Innenstädte“ die Lebensstilübergänge in Aufwertungsprozessen beschrieben.

In Tom Schimmecks Artikel geht es um die hanseatische Variante der Gentrification und Ausgangspunkt sind die umstrittenen und ja auch verhinderten Pläne zur Wiedererrichtung des Musical-Theaters Flora im Hamburger Schanzenviertel. Der Text versucht sich an einer stadtentwicklungspolitischen Einordnung der damaligen Proteste:

Weiterlesen

Gentrification: Trend zur Zombietown oder Politökonomie?

Die Proteste gegen die unternehmerische Stadtpolitik in Hamburg haben ein erhebliches mediales Echo ausgelöst. Das Anti-Gentrification-Manifest „Not In Our Name – Marke Hamburg“ hat es bis in die Zeit und die Süddeutsche Zeitung geschafft, inzwischen berichtet sogar die taz über das Gängeviertel (siehe unten) und das traditionell konservative Hamburger Abendblatt hat sich inzwischen sogar fast schon der Hofberichterstattung des Protestes verschrieben. In der Wochenendausgabe ist dort unter dem Titel „Der Kampf um das Leben in der Stadt Hamburg“ ein ausführlicher Bericht über die Vielfalt der städtischen Proteste in Hamburg zu finden, der wesentliche Argumentationen von Aktivist/innen zu Wort kommen lässt:

Weiterlesen

Berlin: Telefonjoker gegen Gentrification (Radio Fritz)

Auf Radio Fritz (lifestream), dem Jugendsender des RBB ist für heute Abend (Die, 17.11. 22 Uhr) ein Blue-Moon zum Thema Gentrification angekündigt:

Gentrifizierung. Gerade in Kreuzberg derzeit sehr gut zu beobachten. Überall entstehen Luxus- Wohnungen, der Kiez verändert vehement sein Gesicht, die Mieten steigen rasant. Ärmere Menschen, Künstler,Migranten werden aus dem Kiez gedrängt. Wohlhabende, meist Zugezogene und einige Spekulanten erobern die Viertel für sich. Ist das normal und gut? Die geben ja schließlich auch ihr Geld im Kiez aus. Oder geht da gerade eine ganze Lebenskultur kaputt, für die Berlin weltweit berühmt ist? Manche sind so wütend, dass sie Luxuslofts mit Farbbeuteln und Eiern bewerfen und Oberklasseautos davor anzünden.Versteht ihr diese Wut oder nicht fragt Hendrik Schröder im heutigen Blue Moon.

Blue-Moon ist eine dieser interaktiven Mitmachsendungen, bei denen die Hörer/innen sich per Telefon an der Diskussion beteiligen können:

Talk-Telefon: 0331 70 97 110

Hamburg: „Recht auf Stadt“ soll Hamburgs Seele retten

In der Süddeutschen Zeitung von heute gibt es einen bemerkenswerten Artikel von Till Briegleb: Kampf um die Stadt. (Süddeutsche Zeitung Nr.258, Montag, den 09. November 2009 , Seite 13)

Aufgegriffen werden die aktuellen Proteste gegen eine unternehmerische Stadtpolitik und das breite öffentliche Echo auf das Manifest gegen einseitige Aufwertungsstrategien in der Stadt: „Not in Our Name“, dass von Künstler/innen und Stadtaktivist/innen kürzlich in Umlauf gebracht wurde. Schon im Untertitel holt Till Briegleb weit aus:

Bei der Besetzung von Künstlerquartieren geht es um die Zukunft der Gesellschaft

 

Weiterlesen

Hamburg: „Mit Gentrifizierern über Gentrifizierung reden“

Aus Hamburg gibt es Medienschelte für die Lokalredaktion der taz. Auf dem no-bnq-Blog heißt es in Vorabinformationen zur Informationsveranstaltung:

Die taz-hamburg bleibt dabei ihrer Linie treu: die neue urbane Bewegung sorgt in der Stadt und weit darüber hinaus für Schlagzeilen, doch LeserInnen der ehemals alternativen Tageszeitung erfahren davon nichts. “Mit Gentrifizierern über Gentrifizierung reden” – so ließe sich die Haltung der Redaktion zusammenfassen. Neulich lud man zum Gespräch ins Gentrifizierungsprojekt “Haus III&70″ und versuchte vergeblich in letzter Minute kritische Stimmen aufs Podium zu hiefen. Die hatten sich im Vorfeld vernetzt – und sagten der tendenziösen Veranstaltung ab.

Den konkreten Anlaß für diese Einschätzung lieferte ein ausführliches und fast unterwürfig geführtes Interview mit dem Leiter des Bezirksamtes Hamburg-Mitte Markus Schreiber (SPD). Der durfte in dem Interview „Fast alle können dort bleiben“ seine Vorstellungen von der Entwicklung in St. Pauli ausbreiten und die guten Absichten der Investoren im so genannten Bernhardt-Nocht-Quartier loben: Weiterlesen

Hamburg: Gentrificationgegner sollen die Stadt retten

Der Vormarsch des lange gemiedenen und teilweise inkriminierten G-Worts hält an. In der gestrigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung gibt es einen ausführlichen Artikel zu den Aufwertungsprozessen und Protesten im Hamburger Schanzenviertel: „Jenseits der Krawalle„. In der Unterzeile begrüßt Autor Till Briegleb den sich formierenden Widerstand gegen die Aufwertungspläne:

Hamburg will das Schanzenviertel in eine Shoppingmeile verwandeln – endlich formieren sich auch zivile Gegner

Weiterlesen