Berlin: Polizei ist auf steigende Mieten eingestellt

Gestern wurden der neue Mietspiegel veröffentlicht. Große Geheimnisse wurde dabei nicht gelüftet: Die Mieten steigen. Und zwar in fast allen Bereichen. Im Durchschnitt sind es fast 8 Prozent, in den Altbauwohnungen über 17 Prozent. Von den insgesamt 105 ausgewiesenen Mietspiegelfeldern gibt es lediglich zwei (unter 40 qm , einfache Lage der Baualtergruppen 1950-55 und 1956-64), in denen keine Mietsteigerungen festgestellt wurden. Vor allem in den Innenstadtquartieren wird es für Haushalte mit geringen Einkommen als immer weniger bezahlbare Wohnungen geben.

Was tun, wenn der Markt in seiner Versorgungsfunktion versagt? Das jedenfalls fragten sich Aktivist/innen von verschiedenen Initiativen und demonstrierten nicht nur vor der GSW, sondern unterstützen anschließend auch noch eine Hausbesetzung in der Schlesischen Straße 25 in Berlin Kreuzberg.

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Berlin: Mach mit, Mach’s nach, Mach’s besser

Jahrelang wurde darüber diskutiert, wie die aus dem Westen Zugezogenen die Ostberliner Altbauviertel verändern. Eine Einladung zu einer Nachbarschaftsversammlung in Kreuzberg zeigt nun, dass der Ost-West-Transfer keine Einbahnstraße ist.

Ein Frühstücksaktion gegen die Verdrängung aus dem Kiez in Cafe Reiche warb auf Flugblättern nicht nur mit deutschem und türkischem Text sondern mit dem Symbol der Wir-Bleiben-Alle-Bewegung von Anfang der 1990er Jahre aus dem Prenzlauer Berg.

Kreuzberger Stadtteilprotest 2011 mit Ostberliner WBA-Logo aus den 1990ern

 

 

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Berlin: Aufwertungsdruck durch Eigentümerwechsel

In den akademischen und auch politischen Debatten zur Gentrification taucht regelmäßig die Frage nach den möglichst eindeutigen und zuverlässigen Indikatoren für solche Entwicklungen auf. Wegen der Vervielfältigung der Aufwertungsmuster und der Schnelllebigkeit von Lebensstil-Trends eignen sich veränderte Konsummuster und ihre Infrastrukturen nur noch eingeschränkt als Gentrification-Indiz. Weder der Sushi-Index (New York der 1980er Jahre) noch die Häufigkeit der Latte-Macchiato-Bars (Berlin der 1990er Jahre) dürften uns heute sinnvolle Hinweise auf eine beginnende Gentrification geben.

Wenn wir den Prozess der Aufwertung jedoch nicht als Ausdruck eines besonderen Mittelklasse-Lebensstils verstehen wollen, sondern in erster Linie als einen immobilienwirtschaftlichen Inwertsetzungsprozess, können häufige Eigentümerwechsel und steigende Bodenpreise als Vorboten der Gentrification betrachtet werden.

Die Berliner Zeitung berichtet unter dem Titel Anleger investieren in „Betongold“ über den jüngst herausgegebene (vorläufige) Bericht des Gutachterausschusses in Berlin, der für das Jahr 2010 Immobilienverkäufe in der Höhe von 8,5 Mrd. Euro festgestellt hat (2008: 7,2 Mrd. Euro / 2009: 6,5 Mrd. Euro):

Mietshäuser in der Innenstadt sind bei den Investoren besonders beliebt. In Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln wurden 2010 am meisten Mietshäuser verkauft.

Für die Bezirke Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg weisen die Daten des Gutachterausschusses mit jeweils etwa 200 verkauften Mietshäusern die höchsten Aktivitäten aus. Insgesamt wechselten Wohnhäuser im Gesamtwert von 2.9 Mrd. Euro den Besitzer – eine Steigerung um 53 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit liegt der Handel mit Bestandsimmobilien mittlerweile über den Verkaufsumsätzen von Eigentumswohnungen und Eigenheimen (2,4 Mrd. Euro) und dem Verkauf von unbebauten Grundstücken (0,6 Mrd. Euro).

Wo viel verkauft wird, steigen auch die Mieten. Eine Wohnungslagen-Karte der Financial Times Deutschland zeigt, dass es kaum noch preiswerte Wohnungen in der Berliner Innenstadt gibt. Größere Nachbarschaften mit ‚einfacher Wohnlage‘ innerhalb des S-Bahn-Ringes (schwarze Linie) beschränken sich auf Moabit, Teile von Wedding und Teilen von Neukölln.

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Berlin: Schöner Wohnen in Räumen der Benachteiligung

Eine Woche unterwegs in Österreich habe ich die RBB-Abendschau und ihre Reihe „Schöner Wohnen in Berlin“ verpasst. Täglich wurde ein „Aufsteiger-Kiez“ vorgestellt, der von den Redakteur/innen als kommendes Wohnquartier der jungen Kreativen ausgemacht wurde.

Prenzlauer Berg, Mitte, Kreuzberg und Friedrichshain sind bevorzugte Wohngegenden. Junge Kreative und Intellektuelle wollen hier leben. Aber es gibt kaum noch erschwinglichen Wohnraum und so entstehen dort neue In-Kieze, die bisher nicht als gute Wohnlage galten. In dieser Woche stellen wir Ihnen die „Aufsteiger-Kieze“ vor.

Die für die Reportagen ausgewählten Quartiere lesen sich wie ein Stadtplan von Gentrification-Verdachtsgebieten:

Merkwürdig nur, dass bis auf eine Ausnahme alle hier beworbenen „Aufsteiger-Kieze“ in oder direkt angrenzend an die erst kürzlich ausgerufenen Aktionsräume Plus liegen und als besonders benachteiligt gelten:

Die Ergebnisse des jährlichen „Monitoring Soziale Stadtentwicklung“ haben gezeigt, dass die Bewohnerinnen und Bewohner dieser Gebiete in ihren Lebens- und Arbeitsbedingungen im Vergleich zu anderen Gebieten Berlins benachteiligt sind. Hier gibt es überdurchschnittlich hohe Anteile an Arbeitslosen sowie Empfängerinnen und Empfänger staatlicher Unterstützungsleistungen; die Bildungs- und Gesundheitschancen für Kinder und Jugendliche sind vergleichsweise niedrig.

 

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Berlin: Umwandlungsverdrängung in Kreuzberg

Die Willibald-Alexis-Straße 34 am Chamissoplatz ist ein Paradebeispiel für die aktuellen Entwicklungen in Kreuzberg: für eine von den neuen Eigentümern geplante Umwandlung in Eigentumswohnungen sollen die die Mieter/innen des Hauses aus ihren Wohnungen verdrängt werden. Mit Kündigungsschreiben, Abfindungsangeboten und beginnenden Bauarbeiten agieren Eigentümer und Hausverwaltung auf verschiedenen Ebenen, um Druck auf die Bewohner/innen auszuüben. Soweit, so schlecht, so üblich.

Ungewöhnlich am Beispiel der Willibald-Alexis-Straße ist jedoch der Umstand, dass sich die Bewohner/innen nicht einfach verdrängen lassen wollen. Mit regelmäßigen Treffen, öffentlichen Veranstaltungen, einem Offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister und einer eigenen Webseite versuchen sie sich der drohenden Verdrängung zu erwehren und fordern öffentliche Unterstützung für ihren Plan ein, das Haus selbst zu übernehmen und zu bewirtschaften.

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Berlin: Protest in Kreuzberg angezettelt

Auf einem dieser englischsprachigen Berlin-Blogs war kürzlich  zu lesen, dass die Gentrification in Kreuzberg nicht mehr zu verhindern und das alten Kreuzberger Lebensgefühls nur noch in den Neubauten am Kottbusser Tor (Neues Kreuzberger Zentrum) zu finden sei.

Gentrification is a strange Dilemma. You want to have cool and interesting art and events going on around your neighbourhood, but at the same time you know that these are the things making your neighbourhood more expensive and a lucrative investement. Even if the whole Kreuzberg area is gentrificated already, there seems to be a last place which held up the Kreuzberg spirit.

Typisch Kreuzberg ist aber seit vielen Jahren nicht nur der dort zelebrierte Hipness-Faktor, sondern eine ausgeprägte Tradition der Widerständigkeit. Ganz ohne hyperlokale Stadtteilzeitungen werden wesentliche Informationen hier noch per Mundpropaganda oder über Aushänge ausgetauscht…

Neulich am Lausitzer Platz:

Hohe kommunikative Dichte der Nachbarschaft in Berlin-Kreuzberg

Danke @MN!

 

Berlin: Vom Sozialen Wohnungsbau zum Spekulationsobjekt

Sozialer Wohnungsbau in Berlin Tiergarten - lässt sich damit Geld verdienen?

Klassische Gentrification-Studien gingen regelmäßig davon aus, dass die von ihnen beschriebenen Aufwertungsprozesse in baulich attraktiven aber heruntergekommenen Altbauvierteln stattfinden. Aktuelle Berliner Beispiele zeigen nun, dass Mietsteigerungen und Verdrängungsgefahren keineswegs auf Gründerzeitquartiere beschränkt bleiben. Ausgerechnet die ehemaligen Sozialwohnungsbestände in den Innenstadtbezirken haben sich zu veritablen Spekulationsobjekten entwickelt.

Im vergangenen Jahr sorgten die drastischen Mietsteigerungen im Fanny-Hensel-Kiez für Schlagzeilen. Mieterverbände und Betroffenen waren alarmiert und warnten, dass dies kein Einzelfall sei. Sie sollten Recht behalten.

Die Berliner Zeitung berichtet unter der Überschrift „Investoren können gut verdienen“ über Mietsteigerungen von bis zu 60 Prozent in den70 Wohnungen der Pohlstraße 43-53.

6,28 Euro pro Quadratmeter nettokalt sollten die Mieter, darunter viele Migranten und Hartz-IV-Bezieher, zunächst zahlen. Bisher lagen die Quadratmeterpreise meist zwei Euro und mehr darunter, je nach individuellem Mietvertrag. Die geforderte Summe hat die Erste D.V.I. zwar nach Prüfung durch die Investitionsbank Berlin (IBB) auf 6,16 Euro je Quadratmeter reduziert.

Etliche der jetzigen Mieter/innen werden sich die neuen Mieten nicht leisten können und ausziehen. Genau darin dürfte das Kalkül der Investoren liegen. Leerstehende Wohnungen können umgewandelt und als Eigentumswohnungen verkauft werden oder werden zu höheren Preisen auf dem Mietwohnungsmarkt angeboten. Die steigenden Mietpreise in fast allen Innenstadtbezirken minimieren das Risiko einer solchen Spekulation auf die künftige Ertragslage.

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Berlin: Berlusconi lässt die Mieten steigen

Die korrupte und manipulative Politik des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi hat Berichten von Spiegel Online zu Folge eine regelrechte Auswanderungswelle ausgelöst. Viele – so der Beitrag „Berlino gegen Berlusconi“ – der regierungsfeindlichen Italiener/innen zeiht es nach Berlin. Knapp 15.000 seien es offiziell – realistische Schätzungen sprechen von 50.000. Beliebteste Wohngebiete seien Friedrichshain, Kreuzberg und Mitte:

In Berlino, wie die Italiener die Stadt nennen, hat sich eine Art Exil-Opposition gegen die Regierung Berlusconi gebildet. Es sind Schauspieler und Schriftsteller, Restaurantbesitzer und Ladenverkäufer, die nicht nur italienisch essen und reden, sondern wollen, dass sich endlich etwas ändert. (…)

„Viele junge Leute fliehen vor Berlusconi nach Berlin“, sagt die Künstlerin Giovanna Salabè. Es kommen neue Studenten und auch Touristen, die länger bleiben.

So verständlich die Abneigung gegen Berlusconi ist, so aufwertungsaffin liest sich die Aufzählung der italienischen Regierungsfeinde: Schauspieler, Schriftsteller, Studierende, Tourist/innen, die länger bleiben wollen – das klingt wie eine typische Beschreibung von Gentrification-Pionieren.

Eine erst jüngst veröffentlichte Wohnungsmarktstudie verwies als Beleg für den immobilienbwirtschaftlichen Aufschwung in Neukölln ausgerechnet auf eine Italienerin:

Bezahlt werden die hohen Mieten vor allem von Neuberlinern, die in der Stadt eine Beschäftigung finden. Viele seien aus anderen Ballungsgebieten hohe Mieten gewohnt, so der IVD. Ein Beispiel: Eine Italienerin schrecke auch nicht vor 8,50 Euro Miete pro Quadratmeter in der Leinestraße von Neukölln zurück. Dies zeige, dass die Kreuzberger Mischung aus Off-Kultur und Multikulti zu einer Art Immobilien-Mehrwert auch in Teilen von Neukölln geführt habe.

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Gentrification wörtlich genommen

Immobilienwerbung für "hochherrschaftliches Wohnen" in Berlin Kreuzberg

Gentrification, das lernen die Studierenden seit Jahren in den Seminaren, geht auf das Wortspiel einer britischen Geographin zurück, die Veränderungen in einem Londoner Stadtteil mit der Rückkehr des niederen (Land-)Adels in die Städte im 18. Jahrhundert verglich. Im Kern ist und bleibt die Gentrification aber vor allem ein Aufwertungs- und Verdrängungsprozess und lässt sich nicht wirklich mit „Veradelung“ übersetzen.

Immobilienunternehmen und Investor/innen sehen das offenbar anders. Auf der procontra online (Die Fachzeitschrift für Finanzprofis) wird eine Beitrag zu Aufwertungspotentialen in deutschen Großstädten mit dem Titel „Der niedere Adel kommt“ überschrieben und in Kreuzberg wirbt ein Investor für ein „hochherrschaftliches Palais am Hofgarten“ und ein ‚Wilhelm I Penthouse‘. Gemeint sind (aufwendig) sanierte Gründerzeitwohnungen, wie es sie zu Tausenden in Berlin gibt.

In der Stadtteilzeitung Kreuzberger Horn hat Jürgen Enkemann, die Geschichte des umworbenen Hauses der Marketingstrategie gegenübergestellt: Ein höfisches Palais in Kreuzberg? Während die Werbestrategie eine aristokratische Atmosphäre des Hauses suggerieren soll („hochherrschaftlich“, “ Hofgarten“) ist die tatsächliche Geschichte des Altbaus viel gewöhnlicher.

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Berlin: Biennale löst Gentrification-Debatte aus

Streetart in der Boxhagener Straße in Berlin-Friedrichshain - Foto: Henning Onken via http://www.artmagazine.cc/

Am vergangenen Wochenende startete die Berliner Biennale für zeitgenössische Kunst. Neben zwei Ausstellungsorten in Mitte (Kunst-Werke in der Auguststraße und Neue Nationalgalerie) haben sich die Kurator/innen für gleich vier Standorte in Kreuzberg entschieden. Die Verlagerung der Biennale-Aktivitäten nach Kreuzberg hat sowohl unter Künstler/innen als auch in der Nachbarschaft selbst Debatten um das Gentrification-Thema ausgelöst.

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