Lesetip: Gentrification-Debatte neu aufgelegt

Seit sich die Gentrification zum Modebegriff des Feuilletons entwickelt hat, habe ich mehrfach die damit einhergehende Banalisierung des Erklärungsmodells für städtische Inwertsetzungsprozesse und ihre Folgen kritisiert. Umso höher sind die Versuche einzuschätzen, sich tiefergehender und auch auf einer theoretischen Basis mit den Erklärungsansätzen der Gentrification-Forschung zu beschäftigen.

In den letzten Monaten hatte ich die Gelegenheit gleich in zwei unterschiedlichen Kontexten über die Reichweite von Gentrification-Theorien zu diskutieren.

Die entgrenzt (Studentische Zeitschrift für Geographisches) hat sich in ihrer zweiten Ausgabe unter dem Titel „Burn, Bonze, Burn! – soziale und ökologische Aspekte der Gentrifizierung im 21. Jahrhundert“ (pdf) dem Thema der umkämpften Räume in den Städten zugewandt. Darin enthalten ein relativ ausführliches  Gespräch mit Jan Glatter und mir:

  • Jan Glatter & Andrej Holm: Wir sollten uns nicht damit zufrieden geben, wenn städtische Veränderungen als ganz natürlicher Zyklus der Stadtentwicklung beschrieben werden (S. 5-17)
  • Stephan Diesel: Das liberalisierte Recht auf Stadt (S.18-25)
  • Cosima Werner: Grüner Daumen gegen graue Stadt – urbane Gärten und urbane Landwirtschaft (S.26-36)
  • Noah Quastel: Understanding Neighborhood Gentrification as Socio­-Ecological Processes (S. 37-43)

Die zweite Diskussion hat sich an einem Vortragstext der Gruppe Jimmy Boyle zur Gentrification (Juni 2006) entwickelt. Im Mittelpunkt der Argumentation steht eine eher polit-ökonomische Erklärung von Gentrificationprozessen. Weil die Autor/innen sich explizit auf einige meiner Beiträgen bezogen, habe ich über einen Kommentar zum Vortrag einige Argumente versucht noch einmal zu schärfen. Jimmy Boyle haben mit einer Antwort auf meinen Kommentar und einer überarbeitetet Fassung des Ursprungsbeitrages die Diskussion fortgeführt, so dass sich eine ziemlich spannende Debatte über die Grundlagen der Gentrification entwickelt haben.

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GRIPS-Theater: Lefebvre, Fußball und Verdrängung

Was verbindet Lefebvres Urbanisierungs-Thesen, die Fankultur eines Zweitligavereins und die Angst vor Gentrification miteinander? Ganz einfach: das neue Stück des GRIPS-Theaters.

Am Vorabend der mittlerweile zur Großdemonstration geadelten Mietendemo lud das GRIPS-Theater zur Premiere ein:  „Schöner Wohnen – Ein singender Umzug„.

Gentrification gibt es gerade auf allen Kanälen: Es gibt Bücher [ 1 / 2 ] und Radio-Feature, Hörspiele und Filme [ 1 / 2 ] und nun sogar ein Theaterstück zum Thema. Die Story klingt wie aus dem Berliner Alltagsleben gegriffen und wird auch genau so erzählt:

Das Haus wird saniert. Sieben Mieter sind froh. Endlich geht es mit dem maroden Haus wieder bergauf. Die Gegend „kommt“, man fühlt sich bestätigt, ausharren lohnt. Doch als die Sanierungsankündigung immer umfassender wird und damit klar, dass die Mieten beträchtlich steigen werden, prallen sieben unterschiedliche Lebensentwürfe aufeinander. Soll man bleiben? Sich abfinden lassen? Aber wo eine bezahlbare Wohnung finden? Kann man sich wehren, und wer würde zusammenhalten?

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ZDF: Gentrification-Debatte 2.0

Gentrification ist Mainstream – nicht nur als dominanter Stadtenwicklungstrend, sondern auch in den Medien. Das ZDF hat sich ausführlich dem Thema gewidmet. Im „interaktiven, crossmedialen und jugendlichem“ Sendeformat ZDF log in wurde gestern ausführlich über Gentrification, Mietsteigerungen und die Notwendigkeit von Wohnungspolitik diskutiert. Als Gesprächspartner geladen war einen illustere Runde mit Christoph Twickel (Autor von „Gentrifidinbgsbums„), dem CDU-Bundestgasabgeordneten Jan-Marco Luczak und  Ira von Cölln vom Bundesverband freier Immobilien und Wohnungsunternehmen (BFW).

Schon in der Ankündigung wurden sehr unterschiedliche Positionen deutlich.

Christoph Twickel:

 Leider hat es die Immobilienwirtschaft in den vergangenen zehn bis 15 Jahren erfolgreich geschafft, unsere Städte in Portfolios lukrativer Immobilienanlagen zu verwandeln. (…) ich kann nur hoffen, dass es den Stadtbewohnerinnen und -bewohnern gelingt, genug Druck zu machen, damit die Qualitäten der Metropolen – die Verdichtung von unterschiedlichen Lebensweisen – nicht zugunsten einer noch massiveren Segregation verschwindet

Jan-Marco Lucsak (CDU):

Steigen die Preise, müsse man eben an den Stadtrand ziehen. (…)  “Darf der Staat Eigentumsrechte beschneiden?”  Angebot und Nachfrage sollte eigentlich der Markt regeln.

Ich habe die Sendung selbst verpasst, aber das ZDF-Voting „Steigende Mieten – Sollte der Staat gegensteueren?“ spricht für einen deutlichen Punktsieg für die Anti-Gentrification-Positionen von Christoph.

Ob Zufall oder einer Abstimmung der Redaktionen geschuldet, wurde in der Rubrik Politik bei ZDFheute.de fast zeitgleich ein Interview mit mir veröffentlicht: „Soziale Spaltungen drücken sich auch räumlich aus“ (Soziologe Holm über Verdrängungsprozesse in Städten)

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Verkürzte Kritik an der Gentrificationdebatte

Im neuen AK – der Zeitschrift für Analyse und Kritik – findet sich ein Beitrag zur Gentrificationdebatte. Diese nämlich sei vor allem eins: verkürzt.

Im Text heisst es:

Der Wandel der Stadt ist ohne den Wandel der Arbeit nicht zu verstehen. Wenn man die Debatte über Gentrifizierung verfolgt, dann scheint sich die These vom Ende der Arbeitsgesellschaft zu bewahrheiten, zumindest in den innenstadtnahen Altbauquartierten. Die zentrale Forderung ist die nach bezahlbarem Wohnraum. Arbeit kommt, wenn überhaupt, nur am Rande vor. Doch ohne eine Betrachtung der Arbeit lassen sich die Umbrüche in den Zentren der Städte nicht verstehen.

Ich habe mich spontan gefragt, welche Debatten da wohl gemeint sein mögen. Die der Arbeitslosen- und Sozialinitiativen, die feststellen, dass es für Hartz-IV-Haushalte in bestimmten Vierteln keine Wohnungen mehr gibt, die Mieterorganisationen, die regelmäßig darauf verweisen, dass die Anteile der Mietkosten an den verfügbaren Einkommen schon wieder gestiegen sind, die Graffities gegen Yuppies (young urban professionals) oder Proteste vor neu eröffneten Galerien… In der Praxis wird die Auseinandersetzung in den Stadtteilen fast immer mit Fragen ungleicher Einkommen, und neuen Arbeitsverhältnisse verbunden.

Aber eine ‚Verkürzung‘ aufzudecken ist offensichtlich publizistische reizvoller, als zu einer Vertiefung bereits bestehender Ansätze beizutragen.

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Berlin: Ist Tourismuskritik fremdenfeindlich?

Xenophobe Plakate in Kreuzberg - oder legitime Auseinandersetzung mit Tourismusfolgen? (via blikeberlin

Die Berliner Zeitung vom 16. November druckte einen bissigen Kommentar von Christoph Raiser ab: Neukölln und das internationale Pack. Der Autor ist dabei den ausländerfeindlichen Grundtönen der Gentrification-Kritik auf der Spur. So richtig es mir scheint, die verkürzten Feindbilder in städtischen Protesten anzuprangern, so unglücklich sind die Beispiele seiner Polemik. So führt er ausgerechnet die Zeitschrift der Berliner Mietergemeinschaft (MieterEcho) an, um eine plumpe Hetze gegen die Zuziehenden aufzudecken:

Das „Mieterecho“ etwa, die Publikation der Berliner Mietergemeinschaft, beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema und fordert im Großen und Ganzen ein Eingreifen des Senats gegen Mieterhöhungen. Das ist legitim und würde uns alle freuen. Nur warum schreibt das Blatt in seiner Ausgabe vom vergangenen Juli, dass „eine hypermobile, kreative Klasse“ aus Künstlern, Wissenschaftlern und Aussteigern aus dem Ausland einen entscheidenden Anteil an Mietsteigerungen in Kreuzberg und Neukölln habe?

Ja, gute Frage, warum schreibt die aufgeklärte Vereinspublikation einer großen Berliner Mieterorganisation über so ein Thema? Sind womöglich alle Kritiker/innen der steigenden Mieten verkappte Rassist/innen? Oder hat da ein Journalist ganz investigativ ein neues Thema geschaffen um sich an der Gentrification-Kritik abzuarbeiten?

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Gentrification: Aufwertung und Verdrängung in den Städten

In der Herbstausgabe der Lotta (Nr. 40) ist ein Überblicksbeitrag zu verschiedenen Erscheinungsformen der Gentrification  von mir zu lesen. Das meiste wurde hier oder an anderer Stelle schon mal aufgeschrieben und ist nur in der nun dargebotenen Kompaktheit neu.

Aufgegriffen wird in dem Artikel unter anderem, die Aussage von Markus Schmidt, Teamleiter Research bei Aengevelt Immobilien aus dem Artikel „Der niedere Adel kommt“ (procontra-online, Fachzeitschrift für Finanzprofis):

„Gentrifizierung ist ein Prozess, der in jeder Stadt vorkommen kann. Voraussetzung ist ein deutliches Mietpreisgefälle“, so Markus Schmidt, Teamleiter Research bei Aengevelt Immobilien. Aktuell sind in Berlin, Bremen, Dresden, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Köln, Leipzig, München, Münster und Rostock solche Aufwertungsprozesse zu erkennen. (…)

Derzeit wachsen in vielen Städten die Haushaltszahlen wieder, zugleich sinken die Wohnungsbauaktivitäten. Dies führt zu einer verstärkten Nachfrage in günstigen Wohnlagen. „Es sind vor allem Studenten und die jungen Kreativen, die diese günstigen Quartiere für sich entdecken. Mittel- bis langfristig führt dieser Prozess zu einer Aufwertung des gesamten Quartiers“, erläutert Schmidt.  Die Voraussetzungen für die Aufwertung der Bezirke sind vielfältig. Neben einem gewissen Instandsetzungsrückstau und Leerstand zählt ein unterdurchschnittliches Mietniveau im stadtweiten Vergleich dazu. Auch die Umzugswahrscheinlichkeit spielt eine Rolle, so laufen Aufwertungsprozesse in gewachsenen Stadtteilen mit älteren, eher immobilen Haushalten tendenziell langsamer ab. Die „kreative Klientel“ braucht zudem günstige und freie Gewerberäume. Den neuen „In-Bezirk“ können Investoren an harten Faktoren wie steigenden Mieten bei sinkender Einwohnerzahl und konstanter bzw. wachsender Haushaltszahl erkennen. (…)

Als weiches Kriterium gilt die Angebotsbreite im Einzelhandel, auch deuten erste Bio- und Käseläden, wenn nicht schon vorhanden, auf einen Wandel der Bewohnerschaft hin. Das Einkommen der Studenten ist zwar in der Regel gering, aber auf statusbetontes Leben wird Wert gelegt.“

Für alle, die noch mehr über die aktuellen Tendenzen der Gentrification erfahren wollen, lohnt sich ein Blick in den folgenden Beitrag…

Bild:  sebat85 (flickr.com)

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Sankt Gentrifizian: Aufwertung ohne Heiligenschein

“Oh Heiliger Gentrifizian, verschon unser Auto, zünd‘ andere an!”

Kunst und Aufwertung ist ja oft ein vermintes Themenfeld mit vielen Stolperfallen und komplizierten Verstrickungen. Das Pionierdilemma der Künstler/innen, die ein Viertel symbolisch aufwerten und später von den steigenden Mieten selbst verdrängt werden, ist so was wie ein Klassiker unter den Gentrification-Beschreibungen. Doch immer öfter setzen sich Künstler/innen mit ihrer verzwickten Rolle auseinander oder versuchen sogar in ihren künstlerischen Arbeiten selbst Positionen zur Gentrification zu beziehen.

Als ein Beispiel dafür sei auf eine Diplomarbeit an der Kunst-Hochschule Berlin Weißensee verwiesen. Unter dem Titel „Sankt Nimmerlein“ wurde dort eine Plakatserie zur Thema „Neue Heilige“ entworfen. Auch ein Sankt Gentrifizian:

Sankt Gentrifizian ist der Patron der Hausbesetzer, Demonstranten und Vermummten, der Graffitisprüher, der Stadtsoziologen, aber auch der Fahrradfahrer und Fußgänger. Er wird als Kiezheiliger angerufen, um meist ärmere Stadtteile vor allzu großer Veränderung im Zuge sogenannter Aufwertung zu bewahren und die Sanierung oder den Abriss von Häusern und die Verdrängung der Bewohner des Bezirks durch zahlungskräftigeres Publikum zu verhindern. Er soll Alteingesessene vor Zugezogenen schützen, jene wiederum vor noch später Dazugezogenen und sie allesamt vor Touristen. Aber auch Besitzer von Immobilien und Automobilen bitten ihn um gnädigen Beistand. Außerdem hilft St. Gentrifizian ganz allgemein gegen Brandwunden und kalte Füße.

Sein Gedenktag wird am 1. Mai gefeiert, und er gehört wie z.B. auch St. Laurentius und Johanna von Orléans zu den Röst-Märtyrern.

In Deutschland wird er besonders im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und im Hamburger Schanzenviertel verehrt. Doch auch weltweit erfreut er sich wachsender Beliebtheit. Großen Zuspruch hat ihm vor allem die starke und international verständliche Pose eingebracht, mit der er meistens dargestellt wird, nämlich auf einem umgeworfenen Auto stehend.

Der Legende nach hat St. Gentrifizian bei einer der rituellen Kreuzberger Straßenschlachten ein Auto angezündet. Als er dann triumphierend auf den Wagen gestiegen ist wie Erzengel Michael auf den Teufel, soll er tragischerweise bei lebendigem Leibe verbrannt sein.

Daß diese Geschichte von der Polizei bis heute dementiert wird, hat seiner Verehrung keinen Abbruch getan; Ebensowenig wie die Gerüchte, daß St. Gentrifizian einen Golfschläger bei sich getragen haben soll, er also womöglich eher aus dem Hausbesitzer- statt aus dem Hausbesetzer-Milieu gestammt habe und die Krawalle zu seinen Gunsten eskalieren lassen wollte. So etwas wird von seiner Anhängerschaft als kapitalistische Blasphemie verurteilt. Vielmehr habe der Heilige den Klassenfeind im Kampf mit dessen eigenen Insignien verhöhnen wollen.

St. Gentrifizian gilt als der erste 1. Mai Märtyrer und immer mehr heranwachsenden Großstädtern als Vorbild. Das Umwerfen und/oder Anzünden von Autos hat sich zu einer beliebten Ausdrucksform von tiefer Frömmigkeit entwickelt, und die Staatsmacht versucht bislang vergeblich diesen Brauch zu unterbinden.
Da aber gerade auch die zugezogenen Anhänger des St. Gentrifizian immer wieder mal Besuch von der Familie bekommen, und diese irgendwo ihren Wagen parken müssen, ergibt sich bei den Gläubigen ein immenser Interessenkonflikt. Dieser spiegelt sich anschaulich im folgenden Gebetsspruch wider:
“Oh Heiliger Gentrifizian, verschon unser Auto, zünd‘ andere an!”

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Gentrification: Egoistische Proteste gegen die Aufwertung?

Keine Woche ohne eine neue Gentrification-Story… Auf ZeitOnline gibt es jetzt ein Interview mit mir zu lesen. Das Gespräch wurde telefonisch geführt und von mir auch ordentlich abgesegnet. Allein auf die Überschrift hatte ich keinen Einfluss: Statt differenzierter Analyse klingt es jetzt nach einseitiger Protest-Kritik: „Wir wollen hier bleiben! Alles andere ist uns egal!“. Insgesamt natürlich trotzdem großartig, dass es weiterhin ein so breites Interesse an städtischen Entwicklungen und Proteste gibt!

Im Einleitungstext heißt es:

Warum wird in Deutschland so heftig über Gentrifizierung gestritten? Ein Gespräch mit dem Soziologen Andrej Holm über das Hamburger Gängeviertel, den Wandel Neuköllns und egoistischen Protest.

Das Zitat des Titels ist dabei ein wenig aus dem Zusammenhang gerissen. Aus der der Sowohl-als-auch-Antwort im Gespräch wird dabei eine einseitige Bewegungsschelte:

ZEIT ONLINE: Werden also die eigentlichen Verlierer dieser Aufwertung – sozial Schwache und Migranten – von diesen Pionieren der Gentrifizierung instrumentalisiert?

Holm: Mit Sicherheit gibt es bei den Protesten häufig die Haltung: Wir wollen hier bleiben! Alles andere ist uns egal! In Berlin zeigt das die Debatte um „Mediaspree“: Viele der Clubs haben sich dem Protest angeschlossen, mittlerweile auch das Tacheles, das selbst von der Räumung bedroht ist. Es gibt aber auch andere Initiativen, etwa das Hamburger Bündnis Recht auf Stadt. Dort haben Künstler das Gängeviertel besetzt und sehr deutlich gesagt: Es geht uns nicht nur um uns, unsere Galerie- und Arbeitsräume, wir wollen tatsächlich eine andere Stadtpolitik und bemühen uns, auch mit anderen sozialen Gruppen in Kontakt zu kommen.

Das gesamt Interview gibt es auf ZeitOnline und auch gleich hier:

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Istanbul: Islamisten und die Kultur der Gentrification

Istanbul: Polizeieinsatz nach Überfall auf Galerien in Tophane (http://theturkishlife.blogspot.com)

Die taz veröffentlichte vor ein paar Tagen einen längeren Beitrag über eine Massenschlägerei vor mehreren Galerien im Istanbuler Stadtteil Tophane: „Islamisten überfallen Vernissage in Istanbul„. Bereits der Titel legt nahe, dass es sich um den Akt einer religiös-fundamentalistischen Intoleranz handele. Gerüchte, die Angreifer hätten sich durch den offenen Alkoholgenuss der Galeriebesucher/innen provoziert gefühlt, bestätigen das Deutungsangebot des Beitrags. Einige der Kommentare lesen sich wie eine Mischung von Huntington („Clash of Civilizatiopns“)  und Sarrazin  und ein ‚Berthold‘ gibt sich zutiefst empört über die immer noch unterschätzte „religionsfaschistische Mohammedanisierung“.

Die Islamophobie der Kommentare überrascht dabei weniger als die einseitige Darstellung des taz-Beitrags selbst. Im Tagesspiegel („In Istanbul krachen Welten aufeinander„) beispielsweise wird die Massenschlägerei vor den Galerien auf einen bereits länger bestehenden Streit um die von den Ausstellungen ausgehenden Belästigungen und die Angst vor Mietsteigerungen zurückgeführt:

Im Istanbuler Stadtteil Tophane wehren sich alteingesessene Einwohner gegen die zugezogene Schickeria – mit durchaus handfesten Argumenten.

In einigen türkischen Medien wird sogar der Widerstand gegen die Gentrification als mögliches Motiv für die Auseinandersetzung in Tophane gesehen:
Gentrification posited as motive for attack on Tophane art galleries.

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