Berlin: Konformitätszwang im Eisladen

Was bitte schön soll denn ein Eisladen mit der Gentrification zu tun haben? Gibt es Eisläden nicht überall? Und überhaupt, ist Eisessen nicht ein schicht- und milieuübergreifendes Vergnügen? Dachte ich bisher auch. Bis mich ein kleines Video bei den Prenzlauer Berg Nachrichten nachdenklich stimmte: „Achtung, Eispolizei

Mütter in Prenzlauer Berg funktionieren ihre Kinder zur „Eispolizei“ um und filmen sie auch noch dabei. Die frühkindliche Lebensstil-Konditionierung wirkt. Beim Bio-Eis ist der Geschmack einfach besser: „das schmeckt richtig nach Erdbeere“ sagt einer der Buben. Die offensichtlich stolze Mutter: „Also kann gesund auch ganz schön lecker schmecken…“ (insb. ab 6:45 min.)

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Alles Bio – oder was? Ökologie der Aufwertung

Gentrification wird regelmäßig mit der Durchsetzung von gesundheitsbewussten Lebensstilen in den Städten verbunden. Der „Bionade Biedermeier von Prenzlauer Berg“ hat es sogar bis in die Schlagzeilen der großen Zeitungen geschafft.  Für einen Beitrag in der Zeitschrift politische ökologie habe ich das Verhältnis der städtischen Aufwertungsprozesse und des ökologischen Umbaus unter die Lupe genommen.

Erschienen ist der Artikel in der Schwerpunktausgabe „Post Oil City“ der Zeitschrift politischen ökonomie: Ein ökosoziales Paradoxon – Stadtumbau und Gentrification. In: politische ökologie 124 – Post Oil City, 45-52 (pdf)

Mit der freundlichen Genehmigung der Herausgeber/innen gibt es den Beitrag auch hier zu lesen:

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Berlin: Gentrifier entdecken die Platte

"Das ist einfach trendy im Moment." (Bild: www.berlinbau.net)

"Das ist einfach trendy im Moment." (Bild: www.berlinbau.net)

Gründerzeitquartiere und sanierte Altbauten – der baulich und ästhetische Rahmen der Gentrification schien lange Zeit klar umrissen. Die steigende Preise und das knappe Wohnungsangebot in den Aufwertungsgebieten führen jedoch regelmäßig zu einer Expansion der Gentrification. Eine Expansion in benachbarte Quartiere, Dachgeschosse und Neubauanlagen und nun auch in die innerstädtischen Plattenbauten.
Ein Radiobeitrag bei DeutschlandRadioLuxus-Sanierung verändert Berliner Stadtbezirke“ (mp3, 4:02 min.) erklärt wie es dazu kommen konnte und zitiert eine Plattenbau-Neubewohnerin:

„Also ich bin absoluter Mitte-Mensch und suche immer Wohnungen in Mitte. Und jetzt geh ich mal vom Altbau in eine Platte und das ganz gezielt. Das ist einfach trendy im Moment.“

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Berlin: Broken Windows als Werbestrategie?

Berliner Medien berichteten, es sei in Reaktion auf die Räumung der Liebigstraße 14 in Freidrichshain-Kreuzberg, aber auch anderen Stadtteilen zu Protesten, Auseinandersetzungen und mutwilligen Zerstörungen gekommen (BZ: Chaoten auf Randale-Tour durch Mitte | Tagesspiegel: Autonome attackieren Boutiquen in Mitte)

Im Auguststraßenblog sind einige Bilder der Zerstörung dokumentiert. Doch die gesprungenen Schaufensterscheiben in Berlin Mitte lasssen sich kaum von den stadtaffinen Werbestrategien der Modebranche unterscheiden.

Finde den Unterschied:

Schuhladen, Alte Schönhauser Straße (via auguststrasse)

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Dresden: „… ein bisschen Mainstream“ in der Neustadt

Die Frage, ob es auch in ostdeutschen Städten Gentrification gibt, lässt sich zumindest für die Dredner Neustadt relativ eindeutig beantworten: Ja. Gleich auf mehreren Veranstaltungen im Januar wurde und wird das Thema aufgegriffen. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen organisierte in der vergangenen Woche einen Diskussionsabend „Gentrification – städtische Konflikte um Aufwertung und Verdrängung“ und für kommenden Sonntag (30.01.2011) lädt  ein Buchhändler aus der Luisenstraße  zu einer Gentrification-Lesung „Wem gehört die Stadt? Gentrifizierung – Schicksal und Chance” ein.

Im Dresden-Fernsehen, einem lokalen Medienprojekt, gab es aus diesem Anlass eine kurze Reportage: „Wie verändert sich die Dresdner Neustadt?

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Berlin: Was hat der Milchschaum mit der Verdrängung zu tun?

Latte Macchiato und Stadtentwicklung: Auf die richtige Mischung kommt es an!

Prenzlauer Berg gilt mittlerweile als Paradebeispiel für die Gentrification von Stadtvierteln. In zwanzig Jahren Stadterneuerung wurden nicht nur die Häuser umfassend modernisiert, sondern auch die Bewohnerschaft umgekrempelt und der Gewerbestruktur ein völlig neues Gesicht verpasst. Doch ein Stadtviertel lässt sich nicht nur über Baukörper und Bevölkerungsstatistiken beschreiben, sondern auch über Stimmungen, Images und die Alltagspraktiken der Menschen, die es sich tagtäglich aneignen und neu erschaffen. Die amerikanische Soziologin Sharon Zukin beschreibt in ihrem aktuellen Buch „Naked City. The Death and Life of Authentic Urban Places“ diese kulturellen Dimensionen des Städtischen als Authentizität des Ortes und beklagt die Veränderungen in vielen gentrifizierten und runderneuerten Stadtteilen als den Verlust der Seele der Stadt. Vielleicht eine Anregung, sich auch in Prenzlauer Berg auf die Suche nach der Seele des Stadtbezirks zu begeben.

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München: Latte-Macchiato-Gemeinschaft im Glockenbachviertel

In der Süddeutschen hat Jonathan Fischer einen ausführlichen Artikel über die Entwicklungen im Münchener Glockenbachviertel geschrieben: „Mir gärtnerplatzt der Kragen!„. Der Text beschäftigt sich u.a. mit den Folgen der zunehmenden Homogenisierung im Viertel. Ob die dort entstehenden Latte-Macchiato-Gemeinschaften die soziale Mischung wirklich vermissen, kann der Beitrag nicht klären.

Fischer beschreibt die Veränderungen am Beispiel der Läden und Kneipen im Viertel.

Im Münchner Glockenbachviertel, einer der renditeträchtigsten Immobilienlagen in der Stadt mit den höchsten Immobilienrenditen ganz Europas, eröffnen im Wochentakt neue Läden. Von den Schicksalen der Vormieter erfährt man selten viel. Nur als sich 2008 der Wirt des ‚Salzburger Grill‘ erhängte, erinnerten ein paar Nächte lang Blumensträuße und Kerzen an einen, der für das Viertel überflüssig geworden war, einen Gentrifizierungsverlierer. Dem Wirt wurde gekündigt, weil er die Renovierungsauflagen der Verpächter nicht erfüllen konnte.

Der Wandel vom „Schwulen-, Arbeiter- und Studenten-Viertel“ in eine Nachbarschaft der „wohlsituierte Kreative und Kleinfamilien“ gehe mit einer schleichenden Verdrängung einher:

Still verlassen Unterschicht, Handwerker und Kleingewerbe die Gegend. Die Übriggebliebenen sitzen in den verbliebenen Pilsstuben, während die umliegenden Wohnblöcke von Spekulanten entmietet, mit Fußbodenheizungen und Marmorbädern ausgestattet, gestückelt und als Anlageobjekt von Kunden in Madrid oder Moskau gekauft werden.

Der Austausch von Gewerbe und Bevölkerung wird nicht nur als unmittelbare physische Verdrängung beschrieben, sondern vor allem als die Entstehung von Parallelwelten innerhalb des selben Viertels. Fischer stellt uns für die Seite der Gentrification-Gewinner eine Ladenbesitzer vor, der früher die Schließung der Tante-Emma-Läden bedauerte und nun vom neuen Publikum profitiert.

Nun bevölkern Jungmütter, Nachtclub-Betreiber und Freiberufler mit Laptop seine Bar. Welcher neue Laden wo aufmacht gehört hier zum Tagesgespräch.

Auf der anderen Seite:

Die Gentrifizierungs-Verlierer haben andere Sorgen: Sie kämpfen nicht nur gegen steigende Mieten und Wohnungsnot, sondern um ihre mit dem Viertel eng verwobene Identität. Es gibt sie nämlich immer noch, die Handwerker in Blaumann oder Schürze. Die Alteingesessenen, die in der Turnhalle an der Auenstraße (…) boxen.

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Berlin: Casting auf der Kastanienallee

Rainald Grebe, nimmt sich den veränderten Lebensstilen und flexiblen Arbeitsverhältnissen in Aufwertungsgebieten an und beteiligt uns mit seinem bissigen Humor an seinen Beabachtungen auf der KastanienCastingallee. Nicht ganz so tiefgründig wie andere Lieder von ihm, aber natürlich trotzdem sehr lustig:

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Berlin: Bio-Paradies Prenzlauer Berg

Mauren Kennedy and Paul Leonard (2001) haben in ihrer sehr allgemeinen Definition Gentrification beschrieben als:

„the process by which higher income households displace lower income residents of a neighborhood, changing the essential character and flavor of that neighborhood.“

Die Veränderungen der Sozialstruktur sind dabei relativ klar zu ‚messen‘ – aber welche Indikatoren stehen für den ‚grundlegenden Wandels des Nachbarschaftscharakters‘? Unter dem Titel „Gentrification ist Geschmackssache“ wurde hier bereits über spezifische Konsumgewohnheiten  (z.B. Cup-Cakes) diskutiert. Ein Beitrag der Deutschen Welle zeigt, dass auch die Vorsorgungsdichte von Bioläden ein guter Gradmesser für die Durchsetzung milieuspezifischer Lebensweisen ist. Gerade mit dem Ausbau des Bio-Angebotes in konventionellen Lebensmittelketten, wird der Gang in den Bioladen zu einem Statement des Lebensstil.

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Im Berliner Aufwertungsbezirk Prenzlauer Berg gibt es allein entlang der Schönhauser Alle und ihrer Umgebung über 10 Bio-Läden bzw. Bio-Supermärkte. Trotz der Krise konnten die Umsätze im vergangenen Jahr um 15 Prozent gesteigert werden. Selbst kleine Klitschen erreichen trotz der Konkurrenz der preiswerteren Bio-Supermärkte einen millionenschweren Jahresumsatz.

via: Jenz Steiner

Berlin: Keine Kittelschürzen mehr in Prenzlauer Berg

Gentrification und Verdrängung sind in aller Munde und die Ostberliner Aufwertungsquartiere in Prenzlauer Berg müssen immer wieder als Kronzeugen dieser Entwicklungen herhalten. Die Fakten sind dabei meist schnell zusammengetragen: steigende Mietpreise, weitgehender Austausch der Bevölkerung und kaum noch Arme und Alte in den Straßen… Doch wie sich solche Veränderungen anfühlen und sich in den Alltagsbeziehungen der Nachbarschaft niederschlagen, wird oft nur in oberflächlichen Schlagworten eines „Bionade-Biedermeier“ oder der „Schwaben in Prenzlauer Berg“  zusammengefasst.

Annett Gröschner, seit 1983 in Prenzlauer Berg wohnend, schaut genauer hin und schafft es immer wieder wie kaum eine andere, mit kleine Alltagsbeobachtungen die gravierenden Veränderungen auf den Punkt zu bringen. In der Zeitschrift Literaturen hat sie einen bissigen Kommentar zur Verwandlung ihres Stadtteils in einen „einheitlichen pastellfarbenen Brei von Langeweile“ geschrieben: „Leute, die ihre Hunde Stalin nannten„. Nur Zehlendorf sei noch langweiliger als der ehemalige Szenekiez in Ostberlin. Weiterlesen