Berlin: Wie konservativ ist der Protest gegen die Räumung der Liebig 14

Tip: Stadtpolitik zwischen Hundeartikel und Drogen-Reportage (tip 5/2011)

Berlins 14tägig erscheinenden Veranstaltungsblätter zitty und tip haben ein Gutes: ihren Erscheinungsrhythmus. ZehnTage nach der Räumung kräht eigentlich kein Hahn mehr nach der Liebigstraße – aber die tip hat zwischen einem Schwerpunkt über Hunde in der Stadt und einer Drogen-Reportage  noch mal das Thema der Liebigstraßen-Räumung aufgegriffen: Der Stadtsoziologe Andrej Holm über „Liebig 14“.
Die  Fragen bewegten sich so ziemlich im Mainstream der Debatte der letzten Woche:  Statt einer  wohnungs- und stadtpolitischer Einordnung ging es auch hier eher um die Legitimation der Räumung:  War die Liebig 14 überhaupt ein echtes Stück Subkultur oder haben die da nur gewohnt? Waren sich die Bewohner/innen zu fein nach Weißensee zu ziehen? Lassen sich mit eingeschlagenen Schaufensterscheiben Unterstützer/innen gewinnen.

Unter den Fragen auch ein echter Klassiker der Gentrification-Debatte:

tip: Wieviel Kiezkonservatismus steckt in der Gentrifizierungsdebatte? Frei nach dem Motto: Alles soll so bleiben, wie es war.

Aber natürlich will ich mich gar nicht über die Fragen beschweren, immerhin hatte ich die Gelegenheit, am Ende des Gespräches das Gespenst eines stadtpolitischen Protestes an die Wand zu malen.

Das ganze Interview gibt es gleich hier:

Weiterlesen

Berlin: Die Liebig 14 und der kommende Aufstand

Französische Revolutionsfibel für den postpolitischen Aktionismus

Die FAZ ist immer wieder für Überraschungen gut. Vor ein paar Wochen überschlugen sich dort die positiven Buchbesprechungen des linksradikal-militanten Manifestes „Der kommende Aufstand„. Nahezu genüsslich wird die Zeitdiagnose des Textes wiedergegeben:

Doch heute, so die Autoren des „Kommenden Aufstands“, müssten alle Franzosen erkennen, dass der Staat nicht nur nicht alles, sondern recht eigentlich „gar nichts mehr“ zustande bringe.

Vielleicht hätte die FAZ diese Perspektive bei der Berichterstattung zur Räumung der Liebigstraße beibehalten sollen. Stattdessen wusste die FAZ schon am Vortag der Räumung, dass die Liebigstraße „Auf verlorenem Posten“ stehe:

Weil in Berlin ein Mietshaus geräumt werden soll, wird mit Krawallen der radikalen Szene gerechnet. Die steht mit ihrem Anliegen freilich ziemlich alleine da. Anders als in den achtziger Jahren, genießen die Hausbesetzer wenig Zuspruch.

Es kam dann doch anders: über Tausend Unterstützer/innen waren auf den Straßen in Friedrichshain unterwegs und in den Medien wurde erstaunlich kritisch über die Räumung berichtet.  Selbst die Tagesthemen präsentierten simulierten mit einem Verweis auf „ganz normale Bürger“, einen Protest, der sich nicht auf einen kleinen Szenekreis beschränkte.

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=hE5DgyspPyQ&sns=em]

Caren Miosga überraschte in der Anmoderation des Beitrages mit einer fast schon prosaischen Einordnung der Räumung:

„… in den letzten Jahren ist in vielen Straßen aus bunt bieder geworden. Wo früher auf alten Sofas Bier aus Flaschen getrunken wurde, steckt nun oft der lange Silberlöffel im Latte-Macchiato-Glas.“

Weiterlesen

Berlin: Solidarität mit der Liebig14

Die geplante Räumung der Liebigstraße 14 beschäftigt nicht nur die Lokalpresse seit Tagen, sondern hat ein breites Echo der Kritik und Unterstützung hervorgerufen. Hier eine kleine und unvollständige Übersicht zu den vielfältigen Stellungnahmen, die weit über einen linksradikalen Unterstützerkreis hinausgehen:

 

Aktionsticker: Liebig14 verteidigen

Liveticker (taz): Räumung der Liebig14

twitter: #Liebig14

 

Weiterlesen

Berlin: Die Häuser denen die drin wohnen

Privatrecht vor Grundrecht: Räumung der Liebigstraße 14

Morgen früh soll das ehemals besetzte Haus in der Liebigstraße 14 geräumt werden. Ein Gericht hatte die Kündigungsklagen des Eigentümers bestätigt. Die Berliner Polizei soll mit 1.000 Beamten den Gerichtsvollzieher bei der Vollstreckung des Urteils unterstützen. Freude der Hausbewohner/innen und viele Unterstützer/innen werden auf den Straßen sein und versuchen, die Räumung zu verhindern. Die von allen Seiten erwartete Eskalation scheint unvermeidbar. Doch Innensenator Körting, der eigentlich für die Ruhe und Ordnung in der Stadt verantwortlich sein sollte, verkündet stur:  „Der Rechtsstaat wird sich durch Linksterroristen nicht erpressen lassen“.

Das klingt konsequent. Die viel wichtigere Frage wäre jedoch, warum sich eine rot-rote Koalition auf Landesebene und ein grüner Bürgermeister im Bezirk entgegen aller wohnungspolitischen Versprechungen des Vorwahlkampfes von zwei Hauseigentümern auf der Nase herum tanzen lassen.

Weiterlesen

Berlin: 20 Jahre Räumung der Mainzer Straße

Am 14. November 1990 wurden 13 besetzte Häuser in der Mainzer Straße von etwa 4.000 z.T. bundesweit zusammengefahrenen Polizeibeamten geräumt. Es war der erste größere Einsatz westdeutscher Polizeieinheiten in Ostberlin und für viele  Ostberliner der erste Kontakt mit der neuen Demokratie.

Räumung der Mainzer Straße am 14. November 1990 (Foto: Umbruch Bildarchiv)

Weiterlesen

Berlin: Aufwertung und Verdrängung in der Berliner Innenstadt

Das Berliner Straßen- und Obdachlosenmagazin strassenfeger beschäftigt sich im Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe mit „Schöner Wohnen“. Ich wurde angefragt,  einen kleinen Überblick zu den Aufwertungstendenzen in Berlin zu geben. In Berlin wird der strassenfeger u.a. in U-und S-Bahn verkauft.

Für alle anderen gibt es den Beitrag auch hier zu lesen:

Weiterlesen

Berlin: Verdrängungsalltag in Friedrichshain

Das von der Mieterberatung für die Sanierungsgebiete in Friedrichshain asum herausgegebene Magazin Friedrichshain-Magazin begleitet die Stadterneuerung in den dortigen AUfwertungsquartieren seit 15 Jahren mit einer mal mehr mal minder kritischen  Berichterstattung. Direkt beauftragt vom Bezirk war es die Aufgabe, die überwiegend privatfinanzierte Stadterneuerung so sozial und konfliktarm wie möglich über die Bühne zu bringen. Die permanente Verschlechterungen der Ausgangsbedingungen für eine soziale Stadterneuerung (Kürzung der Fördermittel, Urteil gegen die Mietobergrenze) wurde intern von den Berliner Mieterberatungsgesellschaften vielfach kritisiert – ein öffentlicher Protest gegen den öffentlichen Auftraggeber jedoch blieb bisher aus. Umso erfreulicher, dass in der aktuellen Ausgabe des Friedrichshain-Magazins sehr klare Worte zu den aktuellen Verdrängungstendenzen gefunden werden: Verdrängung – kein Kampfbegriff, sondern Alltag. In dem Artikel heisst es:

Preiswerte Wohnungen werden in den Berliner Innenstadtbezirken immer mehr zur Mangelware. Wer in Friedrichshain eine bezahlbare Wohnung sucht, weiß ein Lied davon zu singen. Auf ein wirksames Gegensteuern der Politik wartet man seit Jahren vergeblich. Der Senat hat sich aus der Wohnungspolitik weitgehend zurückgezogen, dem Bezirk fehlen die Mittel und zudem macht es die Rechtsprechung der Gerichte für die Verwaltung immer schwieriger, die sich munter drehende Mietpreisspirale zu bremsen. Die Auswirkungen sind nicht mehr zu übersehen. Mehrere Studien zeigen für Friedrichshain und Kreuzberg eine fortschreitende Verdrängung finanzschwacher Bewohner.

Weiterlesen

Berlin: Lohnende Brandstiftung?

rigaer_graffiti3-1Rigaer Straße 84, Rückblende April 2007:,

Am 28.04.2007 ist bei einem Brand in der Rigaer Straße 84 der Lebensraum von 48 Menschen und Platz für internationale Gäste, Voküs, Kino, politische Arbeit, Konzerte und Kneipe zerstört worden. Wir, die BewohnerInnen, haben über Stunden hilflos mit ansehen müssen, wie der gesamte Dachstuhl und Teile des Frauenstockes in der 4.Etage dem Feuer zum Opfer gefallen sind.

Gut zwei Jahre nach dem BrandstiftungDachstuhlbrand im damals noch bewohnten, ehemals besetzten Haus Rigaer Straße 84 wird nun das ausgebaute Dachgeschoss vermietet: „Einzigartig mit 4 (VIER) Dachterassen – Für den luxeriösen Anspruch!

Update: Nach Hinweise vom Scheckkartenpunk, ist die Brandursache wohl nicht so eindeutig, wie von dem Polizeisprecher im verlinkten ND-Artikel angegeben. KLar ist nur, es brannte wenige Woche nachdem die Besetzergruppe ein eigenes Kaufinteresse anmeldeten um die geplante Modernisierung zu verhindern. Im Verlauf der Sanierungsarbeiten löste sich die Gruppe auf und einzelne Bewohner/innen nahmen Entschädigungszahlungen für den Auszug an. Was bleibt: der Dachstuhlbrand legte die Voraussetzung für die unkomplizierte Durchführung der späteren Modernisierungsaktivitäten. Weiterlesen

Berlin: Quartiersmanagement in Aufwertungsgebieten erfolgreich

Die Immobilienbeilage der Berliner Zeitung (leider nicht online verfügbar) kündigt auf der Titelseite unter der Überschrift „Soziale Kieze“ eine Bilanz von zehn Jahren Quartiersmanagement an. Tatsächlich gibt es auf der Seite 4 ein Interview mit der verantwortlichen Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer.

Das Quartiersmanagement (QM) ist die Berliner Variation des Bund-Länder-Programms „Soziale Stadt“, mit dem seit 1998 in Nachbarschaften mit sogenannten „besonderem Entwicklungsbedarf“ interveniert wird. Ziel ist es die ofmals sozial benachteiligten Gebiete an eine Städtischen Durchschnitt heranzuführen und die Bewohnerschaft zu aktivieren, damit sie sich langfristig selber helfen kann. Neben der grundsätzlichen Kritik, dass solche kleinteiligen und quartiersbezogenen Programme eher an den Symptomen als an den Ursachen städtischer Armut und Ausgrenzung ansetzen, wurde immer wieder befürchtet, dass die Zielorientierung der Programme zu einer Aufwertung und Verdrängung führen kann. Ingeborg Junge-Reyer bestätigt in ihrem Interview gegenüber der Berliner Zeitung diesen Verdacht. Nach Erfolgen gefragt, benennt sie ausgerechnet die Aufwertungsgebiete Helmholtzplatz (Prenzlauer Berg) und Boxhagener Platz (Friedrichshain).

Weiterlesen

Berlin: Aufwertungszenit in Prenzlauer Berg erreicht?

Der Immobilienverband (IVD) Berlin Brandenburg, eine Lobbyorganisation von Immobilienmakler, Immobilienverwalter, Finanzdienstleister, Bewertungs-Sachverständige und  Bauträgern hat nur zwei Wochen nach der Veröffentlichung des Berliner Mietspiegels (siehe auch Beitrag hier im Gentrificationblog) einen eigenen Mitspiegel herausgegeben: IVD-Marktmietspiegel für Berlin. Fazit des IVD-Berichtes in etwa: die Mieten können fast überall gesteigert werden, außer in Prenzlauer Berg, dort ist der Zenit erreicht…

Weiterlesen