Berlin Moabit: tip schreibt Aufbruch herbei

Jan Poppenhagen (www.jpoppenhagen.de)

Jan Poppenhagen (www.jpoppenhagen.de)

Die Berliner Programmzeitschrift tip titelt ihr aktuelle Ausgabe mit: Moabit – ein Stadtteil zwischen Absturz und Aufbruch. Auf der Titelseite ist ein verfälschtes Motiv des Fotographen Jan Poppenhagen zu sehen. Statt der rauhen Fotorealistik seiner Arbeiten mit Moabiter Jugendlichen ist eine hippe junge Frau zu sehen, die offensichtlich für den herbeigeschriebenen Aufbruch des Bezirks stehen soll. Im Impressum findet sich ein “Dank an Jan Poppenhagen, dessen Bildidee wir freundlicherweise übernehmen durften”. Susanne Torka nimmt auf MoabitOnline auf eine Mail des Fotographen Bezug:

Er stellt klar, dass er das Titelbild nicht fotografiert hat und dem “tip” auch nicht erlaubt hat, seine Idee zu kopieren. Im Gegenteil das “weichgespülte” Foto gefällt ihm überhaupt nicht.

Doch nicht nur das verfälschte Foto löst Diskussionen aus. Auf den Seiten MoabitOnline hat eine muntere Diskussion über das Für und Wider von Gentrification in Moabit begonnen.

So wird der Text aus der tip zwar begrüßt, weil „Moabit ausnahmsweise mal nicht nur als Problemkiez und Kriminalitätsschwerpunkt dargestellt wird“. Doch herausgekommen sei ein Sammelsurium:

„die über Moabit schwebende Veränderung wird als Aufwertung begriffen, Aufwertung durch Bauvorhaben rund um den Hauptbahnhof, das neue Viertel an der Heidestraße, Ansiedelung von Künstlern usw. Doch kann diese Aufwertung als die eigentliche Gefahr für Moabit begriffen werden. Wenn es hier erst einmal hipp ist, geht jede Ursprünglichkeit verloren und Verdrängung droht.“

Insbesondere diese Einschätzung wird in den Kommentarspalten kontrovers diskutiert. So meldet sich ein tosch zu Wort: „Ein ganz kleines bisschen Gentrifizierung würde Moabit sicherlich nicht schaden.“

Ein anderer Beitrag argumentiert ähnlich: „Ein wenig mehr “Hip” sollte schon sein und so szenemässig wie Prenzlberg wird Moabit eh nie, die Gegend um den Hauptbahnhof ausgenommen, denn so viel “Szenekaufkraft” gibts eh nicht und auch in Kreuzberg wurde nicht alles verdrängt, denn davor schützt der hohe Migrantenanteil.“

Martin Reeckmann, Moabiter Anwalt (Spezialgebiet: Glücksspielrecht) findet sogar: „Susanne Torka malt den Teufel an die Wand“

So unwahrscheinlich eine Gentrificationdynamik in Moabit auch sein mag, so typisch sind die Diskussionsmuster zum Thema. Gentrification wird dabei immer als Übertreibung dargestellt, als etwas, was es vielleicht gibt, aber sicher nicht hier bei uns… Und auch die Hoffnung auf ein „bisschen Gentrifcation“ sind nicht neu. Aufwertung und „urbanes Flair“ werden seit eh und je als Lösung für angebliche soziale Brennpunkte empfohlen. Nur, wem ein mehr an Mittelklasse in solchen Gebieten wirklich nützt, dass konnte bisher noch nicht wirklich gut beschrieben werden. Ernst zunehmen sind die Sorgen von Susanne Torka allemal, denn es gibt kein „zu schlecht für die Aufwertung„.

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