Gerade habe ich auf dem „Deutschen Geographentag“ (die nennen sich tatsächlich noch so!) in Wien einen Vortrag zu Luxuswohnanlagen in Berlin gehalten. Ein Wiener Kollege hat in der darauf folgenden Diskussion auf die mangelnde Verallgemeinerungsfähigkeit meiner Thesen verwiesen: Zumindest in Wien würde es gar nicht genügend Baulücken für Projekte wie den Marthashof oder die Prenzlauer Gärten geben – so sein Argument.
Das mag stimmen, eine andere Erklärung habe ich in verschiedenen österreichischen Zeitungen gefunden. Private Anleger und auch institutionelle Investoren finden den Berliner Immobilienmarkt viel attraktiver als Wien.
In einem Interview mit dem Standard erklären zwei Wiener IT-Aufsteiger, die ihr Unternehmen rechtzeitig vor der Krise verkauft haben, was sie mit ihren Geld anstellen. Inode-Gründer: „Wir hatten es nach 10 Jahren satt“:
Gredenberg: (…) Ein zweites ist, dass wir stark in Immobilien investieren, mit Schwerpunkt Berlin und dort vor allem in Zinnshäuser. Wien ist einfach zu teuer geworden und birgt daher einige Risiken.
Augustin: In Berlin herrscht eine Aufbruchsstimmung. Da ist kein bescheuerter Finanzplatz, dort herrscht Kreativität und es wird auch noch was gearbeitet. Wenn man extrem positiv denkt, ist es das London der Zukunft.
Ein Berliner Investitionsparadies scheint auch die Firma Conwert zu vermuten. Auch sie hat im September für 67 Mio. Euro über 1.000 Wohnungen in Berlin erworben. Conwert macht Hoffnung auf mehr:
Die börsennotierte conwert Immobilien Invest SE hat von der Colonia Real Estate AG 3 Objektgesellschaften mit 1.016 Einheiten in Berlin erworben. Der Transaktionswert (inkl. Anschaffungsnebenkosten) liegt bei annähernd EUR 67 Mio. Bei dem übernommenen Immobilien-Portfolio handelt es sich um hochwertige Liegenschaften in guten und sehr guten Lagen in der deutschen Bundeshauptstadt, die überwiegend zwischen 1900 und 1920 erbaut wurden. (…) Bei der Transaktion konnte ein moderater durchschnittlicher Ankaufspreis von rund EUR 875/m² erzielt werden.
Die von der Conwert angekündigte Strategie lässt nichts Gutes erwarten und klingt wie eine klassische rent-gap-Erklärung: Die vermuteten Ertragslücke zwischen den momentan erzielten Mieteinnahmen und den potentiell möglichen Gewinnen sollen durch Investitionen und Mietsteigerungen oder Umwandlung in Eigentumswohnungen geschlossen werden:
„Berlin ist einer unserer Anlageschwerpunkte, wo wir unser Engagement weiter ausbauen. Mit dem Erwerb der rund 1.000 Wohnungen ist uns eine attraktive Erweiterung unseres Portfolios gelungen. Hier sehen wir im Rahmen unserer Altbau-Development-Strategie weiteres Potenzial für Ertrags- und Wertsteigerungen“, erläutert Johann Kowar, Vorsitzender des Geschäftsführenden Direktoriums von conwert.
Immoscout 2.0: Leider geht aus den Berichten und Presseerklärungen der Conwert nicht hervor, wo sich die neu erworbenen Immobilienbestände befinden. Über Hinweise darauf würde ich mich sehr freuen.
Ich schreib es als Vermutung, müsste man mal nachforschen: In Wien treffen die Investoren auf eine Stadtverwaltung, die ihre Aufgabe ernst nimmt.
Also: Nicht nur räumlich, sondern politisch gedacht.
z.B.: http://www.wohnbauforschung.at/de/home.htm
wer jemals im Wiener „Gemändebou“ gewohnt hat, der weiss, weshalb diese Politik mehr als notwendig. Abwertung des Wohnstatus ist hier nicht mehr möglich. In Zukunft wird die Stadt Wien um Abreissen nicht mehr herumkommen – und dann entstehen die Lücken für die Luxus-Anlagen. Ich würde sagen, Österreich ist einfach nur hinterher…
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Kleiner Hinweis auf den Ort der erworbenen Immobilienbestände:
„So hat Anfang dieses Monats die Colonia Real Estate drei Berliner Objektgesellschaften mit insgesamt 937 Wohnungen und 79 Gewerbeeinheiten verkauft. Käufer ist ein Konsortium aus conwert Immobilien Invest SE und der Kronberg RE Deutschland GmbH. „Bei den Wohnbeständen handelt es sich um sanierte und teilsanierte Wohnungen in Schöneberg, Wedding, Neukölln und Steglitz“, sagt Colonia-Sprecher Thomas Busch. Für die rund 1000 Wohnungen hat das Unternehmen knapp 67 Millionen Euro erzielt. „Angesichts der Marktsituation ein ordentlicher Preis“, sagt der Sprecher weiter. „Mit der Transaktion haben wir uns entschuldet und einen Gewinn im niedrigen einstelligen Millionenbereich realisiert.“
Für Dirk Wohltorf, Vorsitzender des Immobilienverbandes IVD in Berlin-Brandenburg, ist ein Paketverkauf dieser Größenordnung eine gute Nachricht: „So etwas hatten wir in diesem Jahr noch nicht“, sagt er. Die meisten Investoren kämen derzeit aus Deutschland. „Die suchen überschaubare Immobilienpakete mit fünf bis zehn Häusern“, sagt er. Der Deal beweise, dass „der Markt in Berlin sich wieder auf einem gesunden Niveau bewegt.“
gefunden bei:
http://www.friedrichstrasse.de/berlin/news/&nid=24448