Frankfurts Immobilienbranche freut sich. Galt es jahrelang als ausgemacht, das teures Wohnen vor allem im Umland der Bankenmetropole stattfindet, beobachten die Makler und seit ein paar Jahren einen Trend zurück in die Innenstadt. Vorbei also die tristen Zeiten, in denen sich nur mit Bürogebäuden Geld verdienen ließ. In der Immobilienbeilage der Frankfurter Rundschau (vom 28./29.11.2009, W6) schreibt Bernd Lothringer über die neuen Entwicklungen: „Das Frankfurter Phänomen“. Im Beitrag heisst es:
Trotz Krise: Der Markt für Luxuswohnen in der Frankfurter Innenstadt wächst stetig. (…) während die Nachfrage in Hamburg, München und Berlin turbulent auf und ab ging, blieb die Lage am Main stabil. Der Grund: Die Klientel mit den gehobenen Ansprüchen treibt es in die Innenstadt zurück.“
Die empirische Grundlage für diese Einschätzung hat Bernd Lothringer der aktuellen Markt- und Standortanalyse des Maklerunternehmens Dahler & Company „Luxusimmobilienmarkt Deutschland (pdf)“ entnommen. Der zufolge ist allein im ersten Halbjahr 2009 der Verkauf von Eigentumswohungen um 3,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Als Luxusimmobilien gezählt werden dabei alle Verkäufe von Einfamilienhäusern oder einzelnen Wohnungen zu Preise über 1 Mio. Euro. Zwar lägen die Verkaufsvolumen – so der Artikel – hinter den Werten von Hamburg oder München, jedoch steigen die Immobilienumsätze im Luxuswohnbereich in Frankfurt seit Jahren konstant. Auch Hans Mattheusser vom Vorstand der Gero Real Estate AG sieht den Grund dafür vor allem in veränderten Wohnpräferenzen der Oberschicht:
Vie vermögende Familien, die sich Anfang der Achzigerjahre in Bad Homburg, Kronberg oder Königstein Luxusvillen kauften, kehren wieder in die Stadt zurück.“
Die Rückkehr der Mittel- und Oberschichten in die Innenstädte gilt seit langem als zentrale Metahpher für die nachfragebezogenen Impulse von Aufwertungsprozessen. Das hier wiedergegebene Zitat suggeriert einen nicht nur allgemeinen Trend, sondern bestätigt die veränderten Lagepräferenzen am Beispiel einzelner ‚vermögender Familien‘.
Neben den Rückkehrern der lokalen Elite zählen aber auch „internationale Banker, neureiche Frankfurter und Kapitalanleger“ zu den Erwerbern der Luxusimmobilien. Insbesondere letztere versprechen sich offensichtlich „von der Verknappung guter Innenstadtlagen eine gute Wertsteigerung in einer drohenden Inflation“.
An anderer Stelle hier im Blog wurde bereits darauf verwiesen, dass die Kriseneffekte im Bereich der Luxuswohnungen eben nicht durch eine Reduzierung der Investitionsvolumen gekennzeichnet ist, sondern Immobilieninvestitionen wegen ihrer relativen Stabilität und realen Werthaltigkeit gegenüber anderen Anlageformen an Attraktivität gewinnen.
Die bevorzugte Lagen in Frankfurt/Main sind wenig überraschend die Gebiete mit den schon jetzt höchsten Mieten: Nordend und Westend. Konkret benannt im Beitrag werden unter anderem die „Johann Keppler Residenz“ (24 Wohnungen und ein separates Stadthaus) und das „Westsight„(41 Wohnungen) in der Nähe des Holzhausenparks, das Projekt „La Linea“ (103 Wohungen, Ohmstraße). Vorgestellt wird aber auch ein Projekt des Unternehmens Fesselmann§Masuch in der Nähe des Westhafens.
Neben den klassischen Nachverdichtungsbauten in den bereits aufgewerteten Wohnviertel wie Westend oder Nordend versucht der Frankfurter Immobilienmarkt offensichtlich auch neue Toplagen in bisher gewerblich genutzten Gebieten zu kreieren. Bernd Lothirnger schreibt dazu in seinem Artikel:
Deshalb wird der Wohnanteil in bestehenden Quartieren erhöht, wie etwa auf dem Areal des Westhafens. Hier stieg der Wohnanteil im Laufe der Jahre gar auf ein Drittel. Gut die Hälfte der entstandenen Wohnungen sind Eigentumswohnungen mit Quadratmeterpreisen ab 3.500 Euro. „Die Wohnungen sind besonders bei kinderlosen Paaren beliebt“ sagt Immobilienunternehmer Max Baum. „Allgemein schätzt man vor allem die Wasserlage“.
Der Westhafen liegt unmittelbar neben dem lange Zeit als ‚Sozialer Brennpunkt‘ stigmatisierten Gutleutviertel. Ob sich die Bewohner/innen dort über ihre neuen Nachbar/innen freuen, wird im Artikel nicht beschrieben. Aber zumindest der Immobilienmakler findet die Integration des neuen Wohngebiets gelungen:
Baum hält die Integration des Wohngebietes in die Frankfurter Stadtlandschaft für gelungen (…) Der soziale Sprengstoff, welcher zum sozial schwachen Gutleutviertel beigemischt ist, scheint sich nicht zu entzünden.“
Alle, die es immer schon geahnt haben, bekommen das Argument hier auf dem Silbertablett präsentiert. Problem der Desintegration ist nicht etwa die Ungleichheit oder Benachteiligung, sondern vor allem, die Frage, ob sich der „soziale Sprengstoff entzündet“. Immerhin wird damit eingestanden, dass Luxuswohnprojekte soziale Spannungen auslösen.
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