Berlin: Abrissgenehmigung als Kündigungsinstrument

Vor ein ein paar Wochen gab es hier einen Beitrag zum Abriss der Kastanienallee 42 mit einem ausführlichen Interview mit einer Mieterin. Zur Erinnerung: Mit einer Wirtschaftlichkeitsberechnung hatte der Eigentümer einen Abriss des Hauses begründet und konnte auf dieser Grundlage die Mietverträge kündigen. Anders als bei Modernisierungsankündigungen gilt ein Abriss aus Wirtschaftlichkeitsgründen als regulärer Kündigungsanlass und bedarf keiner Zustimmung durch die Mieter/innen. Mit solchen Abrissgenehmigungen verschiebt sich das durch Mietrecht halbwegs ausbalancierte Kräfteverhältnis zwischen Mieter/innen und Eigentümer/innen also deutlich zugunsten der Eigentümer/innen und gibt ihnen eine extralegales Kündigungsinstrument in die Hand.

In der taz von heute wurde die Geschichte aufgegriffen. Unter der Überschrift Ein Haus muss weichen lässt Manuela Heim neben der Mieterin auch die Hausverwaltung und die Leiterin des zuständigen Stadtplanungsamtes zu Wort kommen.

Neue Einsichten gibt dies kaum:

Hausverwalter Oswald Stadelmeier begründet den Abriss: „Das Haus war nicht mehr renovierungswürdig, da war überall der Hausschwamm drin.“ Dies habe ein vereidigter Bausachverständiger in seinem Gutachten festgestellt. Ein Neubau sei somit wirtschaftlich sinnvoller gewesen als eine Sanierung. „Es wäre schön gewesen, wenn wir die Kastanienallee 42 erhalten hätten können. Denn ein sanierter Altbau ist immer teurer zu vermieten als ein Neubau“, sagt Stadelmeier.

Nachfragen keine. Nichtmal die Beobachtungen der Mieterin kommen im Text vor, die ja bei einem Teil der Holzgutachten dabei war, bei denen kein Hausschwamm festgestellt wurde.

Auch von Seiten der Verwaltung gibt es wenig überraschendes im Artikel. Befragt wurde Christina Laduch, die Leiterin des Stadtplanungsamtes Mitte und damit für die Erteilung der Abrissgenehmigungen zuständig.

„Wir haben es uns nicht einfach gemacht. Allein der Wunsch eines Eigentümers, statt einem weniger schicken Altbau einen tollen Neubau hinzusetzen, reicht da nicht aus“, so Laduch zur taz.

Im Fall der Kastanienallee 42 habe – so die taz – die Behörde den Abriss erst nach der ausführlichen Prüfung des vorgelegten Gutachtens genehmigt. Das genau dies von der Mieterin bezweifelt wurde, kommt auch nicht im Beitrag vor und hat offensichtlich auch nicht zu gezielteren Nachfragen angeregt. Stattdessen ein bisschen Opferberichterstattung mit Aussagen über die hohe Miete in der neuen Wohnung und die Trauer um Verlust der bisherigen Wohnung.

Interessant im Zusammenhang mit dem Kündigungsinstrtument der Wirtschaftlichkeitsberechnung ist eine BGH-Entscheidung vom Januar 2009. Eine Eigentümerin bekam dort die Rechtmäßigkeit ihrer Kündigungen für einen Neubauplan bestätigt. Hartmut Seefeld in der Pankower Sanierungszeitschrift VorOrt berichtete über den Fall:

DOKUMENTATION

„Recht auf Rendite“
Hartmut Seefeld, VorOrt – Sanierungszeitschrift für Prenzlauer Berg, Pankow und Weißensee, Nr. 19/2009 (ausgerechnet den Artikel zu der BGH-Entscheidung konnte ich im Netz nicht finden)

Kündigung von Mietverhältnissen zur wirtschaftlichen Verwertung eines Grundstücks durch Abbruch eines sanierungsbedürftigen Wohngebäudes und Errichtung einer neuen Wohnanlage

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte darüber zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen die Kündigung von Mietverhältnissen gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB* zur wirtschaftlichen Verwertung von Wohnraum zulässig ist.

Die Beklagten haben Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus gemietet, das die Klägerin im Jahr 2005 erworben hat. Die Klägerin beabsichtigt, das 1914 errichtete, stark sanierungsbedürftige Gebäude abzureißen und ein größeres Gebäude mit sechs Eigentumswohnungen zu errichten und diese zu veräußern. Die Klägerin erhielt die baurechtliche und denkmalschutzrechtliche Genehmigung für den Abriss des bestehenden Wohngebäudes sowie die Baugenehmigung für das geplante Vorhaben und kündigte sämtliche Mietverhältnisse zum 31. Januar 2006. Das Amtsgericht hat die Räumungsklagen abgewiesen. Auf die Rechtsmittel der Klägerin hat das Landgericht die Beklagten verurteilt, die von ihnen gemieteten Wohnungen zu räumen. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Beklagten hatten keinen Erfolg.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Klägerin zur Kündigung der Mietverhältnisse berechtigt war.

Die von der Klägerin geplanten Baumaßnahmen stellen eine angemessene wirtschaftliche Verwertung des Grundstücks gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB dar, weil sie von vernünftigen und nachvollziehbaren Erwägungen getragen sind. Eine Sanierung würde Investitionen mit hohem Kostenaufwand in das vorhandene reparaturbedürftige Gebäude bei einer verhältnismäßig geringen Restnutzungsdauer erforderlich machen. Durch den bereits genehmigten Neubau wird zudem in erheblichem Umfang zusätzlicher Wohnraum geschaffen.

Der Klägerin würden darüber hinaus durch die Fortsetzung der Mietverhältnisse auch die nach dem Gesetz für eine Kündigung des Vermieters vorausgesetzten erheblichen Nachteile entstehen. Bei der Beurteilung, ob erhebliche Nachteile anzunehmen sind, ist eine Abwägung des Bestandsinteresses des Mieters und des Verwertungsinteresses des Vermieters unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Wäre die Klägerin gehalten, die Mietverhältnisse fortzusetzen, hätte sie nur die Möglichkeit einer „Minimalsanierung“, obwohl der Zustand des Gebäudes entweder eine umfassende Sanierung, die für eine Ausstattung nach den heute üblichen Verhältnissen erforderlich wäre, oder einen Abriss mit anschließendem Neubau gebietet. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wäre zudem die Durchführung der dringendsten Maßnahmen mit erheblichen Kosten verbunden, ohne dass sich eine Verlängerung der Nutzungsdauer des Gebäudes erzielen ließe. Angesichts der bei einer solchen „Minimalsanierung“ bestehenden wirtschaftlichen Risiken kann dem Eigentümer nicht das Interesse abgesprochen werden, eine dauerhafte Erneuerung alsbald und nicht erst bei vollständigem Verbrauch der Bausubstanz durchzuführen. Die Klägerin hätte bei Fortsetzung der Mietverhältnisse auch nicht die Möglichkeit, das Gebäude umfassend zu sanieren, weil wegen der erforderlichen Entkernung ebenfalls ein Auszug der Mieter erforderlich wäre. Eine Kündigung zum Zweck des Abbruchs eines Gebäudes und anschließendem Wiederaufbau widerspricht schließlich auch nicht der Vorstellung des Gesetzgebers; in den Gesetzesmaterialien wird diese Möglichkeit vielmehr als Beispielfall für eine Verwertungskündigung angeführt. In Anbetracht dieser Umstände lässt die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass eine Fortsetzung der Mietverhältnisse für die Klägerin zu erheblichen Nachteilen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB führen würde, keine Rechtsfehler erkennen.

Urteile vom 28. Januar 2009

VIII ZR 7/08

AG Heidelberg – Urteil vom 3. Juli 2007 – 61 C 581/05

LG Heidelberg -Urteil vom 30. November 2007 – 5 S 86/07

VIII ZR 8/08

AG Heidelberg -Urteil vom 3. Juli 2007 – 61 C 584/05

LG Heidelberg – Urteil vom 30. November 2007 – 5 S 89/07

VIII ZR 9/08

AG Heidelberg – Urteil vom 3. Juli 2007 – 61 C 582/05

LG Heidelberg – Urteil vom 30. November 2007 – 5 S 87/07

Karlsruhe, den 28. Januar 2009

5 Gedanken zu „Berlin: Abrissgenehmigung als Kündigungsinstrument

  1. Der Abriss mag durchaus berechtigt sein.

    Ein vereidigter Gutachter kann nicht „überzeugt“ werden ein gefälliges Gutachten zu schreiben, sonst ist ganz schnell arbeitslos. Die Gutachten zum Schwammbefall müssen mit entsprechenden Meßergebnissen untermauert werden. Die laienhafte Beurteilung einer Mieterin wenn die Gutachter Holzproben entnehmen hat hier einen absolut secundären Stellenwert, da hier vollkommen die Fachkenntnis zur Beurteilung der Lage fehlt.

    Hausschwamm ist bei der Wirtschaftlichkeits- betrachtung eines eventuell zu sanierenden Gebäudes ein Hauptpunkt. Sollte an entsprechenden Bauteilen Schwamm auftreten müssen die Deckenbalken ersetzt werden, Sparren vom Dach getauscht, Mauerwerk erneuert wenn der Schwamm bis ins Mauerwerk gezogen ist etc. Im schlimmsten Fall muss das Gebäude „ausgekocht“ werden. Alles Maßnahmen die beim Bauen im Bestand und bei einer gleichzeitigen Nutzung eines Teils der Wohnungen so gut wie nicht möglich ist und extrem teuer wird.

    Gebäude die halt nicht ständig in Stand gehalten werden erreichen nun einmal einen „Point of no Return“ ab dem nur noch ein Abriss sinnvoll ist.

    Das der Gesetzgeber hier den Eigentümer schützt ist gut, denn keiner kann von staatlicher Seite gezwungen werden ein jahrelanges Verlustgeschäft zu machen. Bedauerlich für die Mieterin die dort sehr günstig gewohnt hat, aber wie das Urteil zeigt hat hier der BGH mit gesundem Menschenverstand entschieden. Ein Mieter kann keine jahrzehntelange Quersubventionierung durch den privaten Vermieter verlangen.

    Es kann sich jeder ausrechnen, wie lange ein Vermieter bei einer Grundinstandsetzung brauchen würde (bei ca. 1.000€/m² Sanierungskosten) bis eine positive Verzinsung des eingesetzten Kapitals erreicht wird….

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  4. „Dauerhaftes Verlustgeschäft“?!?

    Sowas liegt ja wohl nur dann vor, wenn jemand ein Haus zu weit überteuertem Preis gekauft hat und nun auf den Finanzierungskosten hängen bleibt. Selbst schuld, würde ich sagen. Warum sollen dafür die Mieter/innen bezahlen?

    „Restnutzungsdauer“?!?

    Was sind das denn für dreiste Vokabeln aus der Mitte des letzten Jahrhunderts? Damals war die flächendeckende Kahlschlagsanierung dadurch begründet worden, eine Sanierung des Altbaubestands sei nicht möglich, und Häuser hätten nunmal eine begrenzte Lebensdauer. Heute wissen wir, dass das allgemeiner Humbug ist. In sinnvollen Zeiträumen gedacht gibt es keine begrenzte „Nutzungsdauer“ von Häusern. Jedenfalls, wenn sie aus normalen Steinen gebaut wurden – bei Beton mag es da anders aussehen.

    Worum es hier geht – unter dem Deckmantel fadenscheiniger Begründungen – ist doch, dass auf dem Grundstück eine höhere Ausnutzung möglich war. Und die wollen die Eigentümer auch durchsetzen. Das sieht man, nun, wo innerstädtische Baugrundstücke knapp werden, an zunehmend mehr beispielen, z.B. der Barbarossastraße 59 in Schöneberg:
    http://barbarossastr59.dreipage2.de/

    In solchen Fällen der recht schlicht gehaltenen Wohnungen der 50er/60er Jahre wird das gerantiert in den nächsten Jahren noch zu einem gravierenden Problem werden, denn hier ist die Verwertbarkeit auch schlicht und einfch durch den Zuschnitt der Wohnungen begrenzt. Neubau kann aber Luxusinteressen bedienen. Gerade wird dies ja am Wasserturmplatz befürchtet, wo der Kolle-Belle-Investor die benachbarten Zeilenbauten gekauft hat und höchstwahrscheinlich einen Abriss vor hat, um den Kiez mit weiteren Luxusprojekten zu beglücken.

    Es wird Zeit, dass dem mieterfeindlichen Treiben der Investoren Grenzen gesetzt werden!

    • Hallo Tüddel,

      da muss ich dir leider in mehreren Punkten wiedersprechen.

      1. Sind 50er/60er Jahre-Bauten zwar pottenhäßlich, für den Besitzer aber eine wahre Geldquelle. Wenn man an einem Haus nicht persönlich hängt, sondern es als Invest betrachtet sind die Teile wunderbar: einfach strukturiert, qualitativ recht gut gebaut, geringere Instandhaltungskosten als bei einem Gründerzeitaltbau, fahren im Vergleich zum Gründerzeitaltbau gute Renditen ein, wenn man die Instandhaltungskosten mit einbezieht etc.

      2. Es gibt gewisse zeitliche „Kipp-Punkte“ ab denen eine Instandsetzung sich nicht mehr lohnt. Wenn über Jahrzehnte das Gebäude vernachlässigt wurde sind die notwendigen Sanierungskosten so in die Höhe getrieben worden, dass hier keine sinnvolle Rechnung mehr aufgemacht werden kann. Auch für die Mieter wäre das Schwachsinn, schau dir mal die Anforderungen der neuesten EnEV an und rechne dir mal aus, was da an umlagefähigen Instandsetzungskosten auf die Mieter zukommen würde. Da liegst du dann über dem Mietpreis für eine Neubauwohnung aber auf einem immer noch niedrigeren Niveau. Den heutigen Eigentümern kann man die Instandhaltungsversäumnisse auch nicht zu 100% ankreiden, da der Prozess der Vernachlässigung häufig schon früher begonnen hat.

      3. Das Wort „Restnutzungsdauer“ ist vollkommen in Ordnung, denn es charakterisiert den Umstand, das jeder Gegenstand nur einen begrenzten Nutzngsrahmen hat, es sei denn man investiert grundlegend in den Gegenstand. Auch dein Kühlschrank, dein Plattenspieler hat so eine Restnutzungsdauer und es hängt von dir ab, ob es sich noch lohnt in diese Geräte eine Reparatur zu investieren. Dieses Recht haben auch die Gebäudeeigentümer. Das was du für dich selber verlangst (Entscheidungsfreiheit) musst du den Eigentümern für ihr (lediglich viel größeres Investment) auch zugestehen.

      4. Was sind deiner Meinung nach „sinnvolle Zeiträume“? Willst du dich ohne jegliche Kenntnis von Sanierungskosten dazu aufschwingen das wirklich beurteilen zu können, außer aus deinem Bauch heraus? Setz dich mal mitte mit den spezifischen Instandhaltungskosten bestimmter Baualtersklassen auseinander und dir werden die Ohren schlackern um was für Summen es hier geht. Schau mal gerne in meine Instandhaltungstabelle für einen Gründerzeitaltbau in diesem Blog rein. Das wär schon mal ein Anfang…..

      5. Die Kahlschlagsanierung war eine Reaktion auf die damaligen Mietpreise im Verhältnis zu den Sanierungskosten. Dies hat sich geändert, heute zahlen die Leute gerne mehr, um im Altbau zu leben. Aus rein marktwirtschaftlichen Gründen ist hier ein Umdenken erfolgt. Der größeren Nachfrage nach gutem Altbaubestand wird nun seitens der Eigentümer Rechnung getragen, mit einem adäquaten Renditeverhältnis zur dauerhaften Instandhaltung.

      6. „…zu teuer gekauft“….schau dir mal das Verhältnis der Bodenwerte zum Haus an. Boden in der Innenstadt war schon immer sehr teuer und macht je nach Lage einen hohen %-Anteil des Gesamtinvests aus. Gerade bei Einbeziehung dieser Werte kommst du zu interressanten Ergebnissen ab wann sich ein Haus rechnet, oder ob man das Haus als eine Zukunftsinvestition kauft um es später abzureißen und den Mietern bis dahin noch die Möglichkeit gibt darin zu wohnen.

      Wenn ihr alles so am schreien seid man möge doch mieterfreundlich investieren, warum kauft ihr euch nicht selber Häuser und saniert diese gemeinschaftlich? Angst vor der jahrelangen Sklaven-Bindung an die Bank? Angst vor unkalkulierbaren finanziellen Risiken? Angst vor einer Fehlentscheidung? Damit muss jeder Eigentümer tagtäglich leben, aber der tut wenigstens etwas und wird, wenn er klug handelt nach Jahren mit einer adäquaten Rendite entschädigt. Bis dahin muss er aber viel Mut und Können aufgebracht haben das Projekt auch zu Stemmen.

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