Gentrification vs. §129(a): Stadtsoziologe und Aktivist (taz)

Rund um die Einstellung der bundesanwaltschaftlichen §129(a)-Ermittlungen gegen mich haben viele Redaktionen nochmal über das Verfahren berichtet (Übersicht bei annalist). In der taz hat Uwe Rada ein kleines rühriges Porträt geschrieben… (siehe unten)

Eigenlob stinkt ja bekanntlich, aber weil es den Artikel bei der taz nicht online gibt, hier trotzdem zum Nachlesen. Uwe Rada hat als einer der wenigen die Berichterstattung über das Verfahren kontinuierlich mit meinem stadtpolitischen Engagement verbunden. Dafür an dieser Stelle ein dickes Dankeschön an Uwe und natürlich auch an alle anderen, die mich in den letzten Jahren unterstützt haben…

Auch in der Redaktion Zündfunk des Bayrischen Rundfunks gab es einen (nicht in allen juristischen Details korrekten) Beitrag zur Verfahrenseinstellung, der sich explizit auf die stadtpolitischen Dimensionen der Ermittlungen bezog: „Ein kleiner Sieg

Zumindest im Fall von Andrej Holm hat dieser Spuk nun ein Ende – und Eure Alice freut sich darüber ganz offen. Für Andrej Holm ist dies sicherlich ein Sieg, wenngleich auch nur ein kleiner. Denn sein eigentlicher Kampf, der, den er intellektuell gegen die Wohnraumaufwertung führt, ist leider weniger erfolgreich. Gentrifizierung ist längst kein Aufreger mehr – das Thema langweilt vielmehr fast schon. Inzwischen ist es unter Intellektuellen eher schick geworden, sich über die zu mokieren, die gegen Gentrifizierung vorgehen, wie etwa die not-in-our-name-Initiative mehrerer Hamburger Künstler und Musiker. Wohnraumaufwertung wird nun eher als Naturereignis betrachtet, wenngleich eines mit unschönen Folgen. Um gegen diese Tendenz anzugehen, bräuchte es wohl mehr als einen Andrej Holm.

hier der Artikel aus der taz vom 13.07.2010

Stadtsoziologe und Aktivist

von Uwe Rada

Dass am Wochenende in Berlin bei Gluthitze 5.000 Demonstranten gegen die „Gentrifizierung“ auf die Straße gingen, geht auch auf seine Kappe: Der Stadtsoziologe Andrej Holm hat das universitäre Wort vom profitablen Styling der Innenstädte populär gemacht. Tätig mitgeholfen hat dabei die Bundesanwaltschaft. Die hat 2007 einen Haftbefehl gegen Holm erwirkt, weil in Bekennerschreiben der „militanten gruppe“ (mg) ebenfalls von Gentrifizierung die Rede war. Nun haben die Terroristenjäger die Ermittlungen eingestellt. Der Haftbefehl gegen Holm war bereits drei Wochen nach seiner Festnahme vom Bundesgerichtshof gekippt worden.

Schon die Welle der Solidarität hat Generalbundesanwältin Monika Harms damals schlecht aussehen lassen. Saskia Sassen und Richard Sennett, die Doyens der amerikanischen Stadtsoziologie, sprachen von „Guantánamo in Germany“, ihr bundesdeutscher Kollege (und Holms Doktorvater) Hartmut Häußermann startete eine Solidaritätskampagne. Doch Holm wollte nicht nur den Wissenschaftler geben, dessen kritische Forschung kriminalisiert wird. Er bekannte sich auch als linker Aktivist. In der taz sagte er: „Es ist kein Verbrechen, wenn wir den Elfenbeinturm der Theorien verlassen und uns in die Protestbewegungen einmischen.“

Theorie und Praxis sind bei Holm, 1970 in Leipzig geboren, eng mit dem Berliner Szenestadtteil Prenzlauer Berg verknüpft. Hier erfuhr er aus eigener Anschauung, wie aus dem widerspenstigen Milieu der späten DDR-Zeit zuerst ein „Künstlerviertel“ und später das schicke Domizil für Porschefahrer und den „Bionade Biedermeier“ wurde.

Holm beschrieb aber nicht nur den Zusammenhang von Mietsteigerung, Umwandlung in Eigentumswohnungen und der Verdrängung der alten Bewohner, er engagierte sich auch in Betroffenenvertretungen und Bürgerinitiativen. Was ihm die Bundesanwaltschaft übel genommen hat, hat seinem Ruf unter Kollegen nicht geschadet: Wissenschaftler und Aktivist zu sein ist auch an deutschen Universitäten nicht mehr völlig verpönt. So endete das Verfahren gegen Holm mit neuen Protesten gegen Gentrifizierung. Persönlich aber hat es Holm geschlaucht. Bis zuletzt wurde er von der Bundesanwaltschaft observiert. UWE RADA

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