In der taz veröffentlichte Julia Niemann kürzlich einem bemerkenswerten Artikel über die spezifischen Problemen alleinerziehender Frauen in Prenzlauer Berg: Die verlassenen Macchiato-Mütter.
Das neue, gut ausgebildete Bürgertum tappt in alte Geschlechter-Fallen. Mit der Trennung vom Partner beginnt der soziale Abstieg der Mütter.
Neben einigen Einblicken in die Alltagspraxis des neuen Milieus in Prenzlauer Berg vermittelt der Artikel vor allem, welch normativen Einfluss die hohen Wohnkosten des Aufwertungsgebietes auf die dortigen Lebensmodelle haben. Insbesondere eine Trennung von Partnerschaften mit Kindern sei in Prenzlauer Berg kaum noch finanzierbar.
Seit sie zwei Haushalte finanzieren müssen, sich die Mieten in Berlin aber nahezu verdoppelt haben, haben beide erhebliche finanzielle Probleme – vor allem sie. Sie muss jetzt 800 Euro für eine Wohnung zahlen, die für drei eigentlich zu klein ist. Strom, Telefon, Heizung, Kitagebühren, Hortbeiträge, Versicherungen, Musikschule, Zusatzbeiträge für Krankenkassen kommen dazu. Übrig bleiben 125 Euro in der Woche für sich und die Kinder. Für eine günstigere Wohnung müsste sie den glamourösen Bezirk verlassen
Im Bezirk der Selbständigen (die Sanierungsbiete weisen berlinweit den höchsten Anteil von Selbständigen auf) und Selbstbewussten wird eine Selbstverständlichkeit wie eine Scheidung offenbar zum Problem. Den romantischen Verklärungen der Gentrification zum Trotz, scheint sich die Emanzipation vom suburbanen Hausfrauendasein in neue Formen von Partnerschaftszwängen in Eigentumswohnungen aufzulösen.
In Eigentumswohnungen rund um den Platz leben die – so beschriebenen – zugezogenen, wohlhabenden Familien und pflegen einen Ökochic-Lebensstil. Sie trinken Latte macchiato und lassen ihre Kinder gut angezogen, zucker- und laktosefrei aufwachsen.
Eine Trennung vom Partner scheint mit dem Verlust der Wohnperspektive einherzugehen – denn auch die größeren (kindergerechten) Mietwohnungen richten sich in ihren Mietpreisen überwiegend an Doppelverdienerhaushalte.
UPDATE: Simone Schmollack (taz) findet, das die ‚Macchiato-Mütter‘ selbst Schuld an ihrer Situation sind: „Selbstmitleid im Scenecafé“
Macchiato-Mütter verkörpern das spät- und spießbürgerliche Westdeutschland. Sie machen allein ihre Geschlechterdifferenz, über die Frauen wie ich aus dem Osten nicht einmal nachdenken, zum Maßstab. Nur wenige Ostfrauen kämen auf die Idee, sich über einen Mann und die soziale Absicherung durch ihn zu definieren.
Familienzwang in Prenzlauer Berg
Der taz-Artikel suggeriert, es gäbe in den Aufwertungsgebieten viele alleinerziehende Mütter. Die dort zitierte Jugendamtsmitarbeiterin spricht von 40 Prozent und die im Beitrag porträtierte Jana Albrecht berichtet, dass sieben von zehn Kindern ihrer Kita bei Trennungseltern leben.
Die Daten der Sozialstudie im Sanierungsgebiet Kollwitzplatz (PFE 2008) sprechen eine andere Sprache. Für das Kollwitzplatzgebiet wird der Anteil von Familien mit Kindern mit 16 Prozent aller Haushalte angegeben, der Anteil von Alleinerziehenden liegt unter sechs Prozent. Im vielbeschriebenen Baby-Boom-Bezirk haben nicht einmal ein Viertel aller Haushalte Kinder.
Ein Vergleich mit den Sozialstrukturdaten von 1992 (also vor der Sanierung) zeigt, wie sich mit der Modernisierung des Wohngebietes traditionelle Familienverhältnisse durchgesetzt haben. Damals waren die Alleinerziehenden mit 28 Prozent der am stärksten ausgeprägte Haushaltstyp und die klassischen Familien mit 6 Prozent eher die Ausnahmen. Diese Verhältnisse haben sich in den 15 Jahren Stadterneuerung umgekehrt.
Verdrängung aus dem Lebensstil
Die im Artikel beschriebenen Kompensationsstrategien der „verlassenen Macchiato-Mütter“ werden in anderen Blogs und den teilweise giftigen Kommentaren im Vergleich zu den Problemen von Alleinerziehenden Hartz-IV-Haushalten zu recht als Jammern auf hohen Niveau beschreiben. Dennoch verweisen sie auf den auch für andere Milieus und soziale Schichten typischen Effekt einer Verdrängung aus dem Lebensstandard. Eine der Protagonistinnen des Artikels etwa erzählt, dass sie seit der Trennung den teure Ökomarkt am Kollwitzplatz meidet:
„Für mich hat es sich ausgemarktet“, erzählt Albrecht, als sie auf dem Nachhauseweg vom Jugendamt über den belebten Platz geht. An den zwei Schaukeln stehen Mütter mit quengelnden Kleinkindern. „Ich war seit Monaten nicht mehr samstags hier. Ich will von den Marktfrauen nicht gefragt werden, warum ich nicht mehr komme. Ich will meinen Kindern nicht erklären, warum ich ihnen nicht für fünf Euro Bratwurst oder Crêpes kaufen kann.“ Stattdessen geht sie jetzt zum Discounter.
Och naja, icke wohn jetz wieder nach 14 Jahren Kreuzberg in meinem alten 101 Ghetto, schön uffe Torstrasse im ´87er Neubaublock für 220-, warm. Wird eh allet ruhiger jetze endlich hier, keene schmuddligen undergroundschuppen, kunstbunker oder dunkle wohnzimmerlounges mehr, ne jetze is endlich allet schön glatt und sauber hier. Naja letzlich ´n bit öde, ick mach een uff paule die krake und sag voraus…..treptow/köpenick wern die nächsten in-zentren/sammelpunkte für „bis 18 uhr frühstücker“ und laktosefreie vegancocktails!
Hallo Andrej,
Du schreibst die Aussage der Jugendamtsmitarbeiterin vom 40% Anteil Alleinerziehenden sei falsch und Belegst dies mit den 16% / 6 % Zahlen des PFE 2008. Ich habe den besagten Bericht zwar nicht gelesen, wenn die Zahlen aber im Zusammenhang mit dem Berliner Mikrozensus 2008 stehen (was ja aufgrund der Herkunft naheliegend ist), dann dürften die 40% stimmen da die 6% Teil der 16% wären. Der 2008er Mikrozensus weist für Berlin insesamt 16% Haushalte mit Kindern und DAVON 8% Alleinergiehende aus – somit ist der Anteil der Alleinerziehenden in Berlin bei ~50% der Haushalten mit Kindern. Bei Deinen Zahlen aus P-Berg käme ein Anteil von 37,5% heraus – was die auf ~40% gerundete Aussage der zitierten Jugendamtsmitarbeiterin unterstützt. Damit wäre der Anteil Alleinerziehnder im P-Berg jedoch entgegen der Behauptung des Artikels nicht überdurchschnittlich hoch im Berliner Vergleich. Insbesondere wenn man den niedrigen Migrationsanteil (dies ist einer der wenigen sozialen Indikatoren bei denen die Autochthonen die Statistik versauen) im P-Berg betrachtet erscheint er sogar auffällig niedrig.
Kommenden Donnerstag soll übrigens der 2009er Mikrozensus vorgestellt werden (http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pk/2010/Alleinerziehende/alleinerziehende__einladung,templateId=renderPrint.psml) und der dürfte gerade in diesem Zusammenhang recht aufschlussreich sein.
viele Grüße,
Andreas
PS: noch ein lustiger Widerspruch im Text 😉
Aussage 1:
„… und lassen ihre Kinder gut angezogen, zucker- und laktosefrei aufwachsen.“
versus Aussage 2:
„Ich will meinen Kindern nicht erklären, warum ich ihnen nicht für fünf Euro Bratwurst oder Crêpes kaufen kann.“
… wobei ich besagten Artikel nicht unproblematisch fand: weil er nämlich den Eindruck erweckte, dass nur die Ehe bzw. die eheähnliche Partnerschaft mit Kindern als Wohngemeinschaft möglich seien, und wenn die auseinander geht, dann ist eben auch die Wohnsituation gefährdet. Nach Alternativen im Wahlverwandschaftsbereich aber fragte der Artikel nicht einmal, und da hätte ich von der taz schon mehr erwartet.
Lieber Andreas,
vielen Dank für deine Hinweise auf den Mikrozensus. Für die Kollwitzplatzstudie zum Kollwitzplatz treffen deine Ausführungen aber nicht zu, da sie auf der Basis einer eigene repräsentativen Erhebung (n=661) erstellt wurde.
16 Prozent Familien mit Kindern und 6 Prozent Alleinerziehende wurden in der Studie additiv erfasst, so dass es (wie von mir im Beitrag ausgeführt) insgesamt 22 Prozent von Haushalten mit Kindern am Kollwitzplatz gibt. Der Anteil von Alleinerziehenden an allen Kinderhaushalten liegt dann bei knapp 25 Prozent – also deutlich unter den von dir beschriebenen Durchschnittswerten für Berlin.
Und eben diese Abweichung vom Durchschnitt – so meine These – können vorrangig mit den stark gestiegenen Mietpreisen größerer Wohnungen begründet werden.
Man könnte einfach sagen, dass sich die Bewohner von 12-Euro-pro-Quadratmeterwohnungen schlicht verhoben haben. Interessanter aber wäre die Frage, warum die Wohnungen dort überhaupt so teuer sind und wer davon profitiert, dass die Mutter ihren Kindern nichts mehr kaufen kann.
Doch solch profunde Fragen stellt mittlerweile leider nicht mal mehr die taz.
Schlimm so was. Wer hat den bitte etwas davon, wenn Mütter ihren Kindern nichts mehr geben können?
Hi,
ich verstehe das nicht so ganz hier. Scheidung heisst in so etwas wie dem „Regelfall“ (naja,…) das die zwei neuen Haushalte unter erheblichen finanziellen Mehrbelastungen zu leiden haben, was sich bei den Frauen meist sehr viel stärker auswirkt.
Und?
Der Normalfall war auch in Suburbia vor allem einer: UMZUG! Das ging dann bis hin zur Zwangsversteigerung. Und aus dem Grund sind dann eben viele Ehen nicht geschieden worden, so spekuliere ich mal, aber das mag falsch sein.
Und wenn jetzt die Konsumfaschisten (jaja da steckt viel Wut drin, aber man hat ja so seine Erfahrungen…) vom Prenzl Berg das gleiche erleiden – so what?
Schade ist doch eher das es vor allem die Frauen trifft.
Und was meinst Du in Bezug auf die Genderfrage mit romantischen Verklärungen?
Aus einer Genderperspektive ist Gentrifizierung doch u. a. die Unterwerfung der Frau unter das Diktat der Lohnarbeit. Ob das historisch ein Auf- oder Abstieg ist weiss ich auch leider nicht zu sagen.
hm. Der Witz ist doch einfach, daß die Mieten hier im Kietz in wenigen, ganz wenigen Jahren drastischst gestiegen sind.
Und Während man früher von einem unsanierten Haus ins nächste zog, heute fast alles renoviert und verkauft wurde und man einfach nichts mehr findet.
Glamour hin oder her, wer hier zehn Jahre mit Außenklo und Kohleboiler gelebt hat, hängt an seinem Viertel und zieht nicht so einfach weg..
Als alleinerziehende ist ein Neuanfang sicher nicht einfach. Mann weg, Heimat Weg?
Na, toll!
Mich würd’s fertig machen.
Auch ohne Kinder.
Warum versteht das keiner??
In Berlin ist jedes Viertel eine andere Welt. Gerade, wer ans Zentrum gewöhnt ist, wird Schwierigkeiten damit haben, plötzlich ganz woanders zu leben.
Es gibt hier eine Kultur des Zufälligen Treffens, des Von-Einander-Um-Die-Ecke-Wohnens, des durch den Kietz Schlenderns und mittendrin seins.
Und Stichwort „Konsumfaschisten“ – es ist eher diese Boheme-Ding. Man lebt(e) eben von der Hand in den Mund. Statt mehr zu verdienen als nötig, war es wichtiger zum See fahren oder auf dem Dach zu liegen und den Wolken zuschauen. Dafür fror (und friert) man im Winter, hatte meist kein eigenes Auto, keinen Fernseher, aber das war es wert.
Das ist (war??) echt Prenzlauer Berg. Das haben sich die Leute hier seit Jahren aufgebaut, und durch die „Viertelaufwertung“ geht es alles kaputt.
Heute ist überall nur von Geld, Vermögensabsicherung, (Finanz-) Investition und harter Arbeit die Rede.
Warum? Weil es „in“ ist.
Hört auf damit, sonst wird es eine selbsterfüllende Prophezeihung.
Lasst uns leben, mittendrin – das tut der Stadt gut!
(Was soll übrigens immer das „Latte Macchiato“-Gerede?? Ihr habt das Zeug wahrscheinlich selbst schon gesoffen, gebt es zu, und jetzt sind’s die kleinen, extrafeinen Espressos.. bald ist dann wieder der gute deutsche Filterkaffee in Mode!)
Hi
Erstmal: der von dir angeführte Widerspruch mit ironie blinzel smiley war gewollt, vielleicht hast du es nicht gecheckt weil du weder den ursprungsartikel noch den pberg kennst.
Ich kenne ihn und so scheisse die taz auch manchmal ist- der Artikel stimmt.
Ich empfinde die entwicklungen als tragisch- habe doch genügend zugezogene erlebt, die sich im Kollwitzplatz kinderwahn bis zu 3 zugelegt haben und mama total versunken ist in ihrer macchiatoparallelwelt dass papa der kreativ arbeitende Alleinverdiener anfing, sich wieder ne Frau zu suchen , weil Mama sich selbst unter so starken sozialen rabenmutterdruck und
generalverdacht gesetzt hat mit ihrem Mutter
und Holzspielzeug und krabbelgruppenkomplex
dass für privates beziehungsleben einfach kein
Platz mehr blieb.
Glück für mich, die jetzt in der ersten macchiatomutterscheidungswelle eine geile Wohnung direkt am Markt ( haha) ergatterte.
Und zwar für 7 € /qm.
Nach oben Sund die Preise natürlich offen, jedoch mein Freund der neben mir wohnt zahlt 3,50 , eine Freundin auf der Prenzlauer hat tatsächlich seit 5 Jahren eine Wohnung besetzt und bis heute isses keinem aufgefallen .
Der Kollwitzplatz ist und bleibt ne geile Gegend, vor wie nach Maueröffnung –
Dass sich jedoch immer wieder dieser Sozialneid darauf projiziert ist ziemlich kläglich, denn die Bevölkerung ist trotz der paar teuren Häuser noch immer gut gemischt – gekündigt werden kann auch keinem der pünktlich zahlt.
Nur das Phänomen der Westdeutschen kinderverrückten- das bleibt wohl noch ne Weile erhalten, obwohl es sich ja anscheinend nach und nach von selber erledigt .
Ich komme übrigens aus Westberlin, Friedenau/Steglitz und hab die Schnauze
Von den Leuten hier so richtig voll.
Außerdem – ;)- versau ich mal n bisschen die Statistik und bin Alleinerziehende .
By the Way hab ich das mit iPhone geschrieben und lass der autokorrektur seine freie Entfaltung und sche…. Darauf den Text Orthographisch richt zu halten
Wir sehen uns im gugelhof
Lg