Dresden: „… ein bisschen Mainstream“ in der Neustadt

Die Frage, ob es auch in ostdeutschen Städten Gentrification gibt, lässt sich zumindest für die Dredner Neustadt relativ eindeutig beantworten: Ja. Gleich auf mehreren Veranstaltungen im Januar wurde und wird das Thema aufgegriffen. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen organisierte in der vergangenen Woche einen Diskussionsabend „Gentrification – städtische Konflikte um Aufwertung und Verdrängung“ und für kommenden Sonntag (30.01.2011) lädt  ein Buchhändler aus der Luisenstraße  zu einer Gentrification-Lesung „Wem gehört die Stadt? Gentrifizierung – Schicksal und Chance” ein.

Im Dresden-Fernsehen, einem lokalen Medienprojekt, gab es aus diesem Anlass eine kurze Reportage: „Wie verändert sich die Dresdner Neustadt?

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Die Straßeninterviews des Filmbeitrags bestätigen überwiegend einen klassischen Gentrification-Verlauf von kultureller Aufwertung durch subkulturelle Szenen und einer anschließenden Verdrängung, die auch einen Teil der Pioniernutzungen  über Bord spült. Aussagen wie „Vor fünf Jahren gab es hier mehr Punks“ oder „Es ist inzwischen schwierig geworden hier eine Wohnung zu finden“ stehen für  den Wandel des Stadtteils. In der Anmoderation des Filmbeitrags heisst es passend:

… aus der einstigen “Bronx von Dresden“ (ist) ein Familieneldorado geworden. Die Äußere Neustadt – Szeneviertel, Künstlerstadtteil und Studentenhochburg – nur einige der Schlagwörter die dem Dresdner beim Gedanken an das Gründerzeitviertel in den Sinn kommen. Dabei ist die sogenannte Antonstadt schon seit einiger Zeit nicht mehr so dynamisch, subkulturell und aufbegehrend, wie sie es einst war. (…)

Auf der Veranstaltung der RLS wurde darüber hinaus über die, mit den Veränderungen einhergehenden, Verschiebungen von Konfliktlinien im Viertel diskutiert. Insbesondere das Verhältnis von Subkultur und Partyszene zu den jetzt verstärkt im Viertel ansässigen Familien wurde dabei als eher konfliktbeladen beschrieben.

So beschrieb eine Diskussionsteilnehmer, eine Auseinandersetzung rund um die Vorbereitung des jährlichen Nachbarschaftsspektakels „Bunte Republik Neustadt“: Ein Student habe gegenüber Eltern von kleinen Kindern triumphierend erklärt habe, dass es zur BRN mal wieder „so richtig laut“ werden würde und sie nicht mit Rücksicht auf ihre Kinder rechnen könnten. Ein anderer vermutete, dass die Stadtverwaltung Interesse an einer unbefriedigenden Schulsituation im Viertel habe, da sie statt der Familien auf eine Stabilität als Studentenviertel setze, um die Wirtschaftlichkeit der Kneipen- und Tourismusbranche in der Neustadt nicht zu gefährden.

Als Außenstehender ist es für mich nicht einfach, die Relevanz und den Realitätsgehalt solcher Einschätzungen korrekt einzuschätzen. Auffällig war jedoch, dass es in der Diskussion fast ausschließlich um kulturelle Konflikte zwischen verschiedenen Milieus ging und weniger um steigende Mieten und Modernisierungsverfahren. Vielleicht ist dies eine Parallele zu den Post-Gentrifcation-Konflikten in Prenzlauer Berg, die auch dort durch eine zunehmende Konkurrenz verschiedener Lebensstile und ihrer jeweiligen Raumaneignungsansprüche geprägt sind.

 

4 Gedanken zu „Dresden: „… ein bisschen Mainstream“ in der Neustadt

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  2. Ich komme ausm PBerg und wohne nun in Dresden. Klar ist die Neustadt der „am ehesten“ gentrifizierte Stadtteil. Aber: „am ehesten“ reicht meiner Meinung nach nicht. Man bräuchte klare Benchmarks. Der Bevölkerungsaustausch bietet sich an, sowohl PBerg als auch Neustadt kommen hier unter 20% Bewohnerkontinuität seit der Wende. Nächste Kategorie: nominale Preise. Hier hat die Neustadt keine Chance, als gentrifiziert durchzugehen, nicht umsonst wohnt ein Großteil der Dresdner Studenten hier, das Viertel ist bezahlbar, von Teuerungsraten wie im PBerg (lt. Mietspiegel der Senatsverwaltung 20% seit 2007) keine Spur. Wenn man jedoch auf die Kaufkraftparität abstellt, und insbesondere den Vergleich zu umliegenden Bezirken hinzuzieht, wird man feststellen können, dass die Neustadt sicherlich einer der teureren Bezirke der Stadt ist, was für Lokale ein Problem darstellen kann, für Zugezogene hingegen nicht – und so reproduziert sich das Phänomen der West- bzw. Süddeutschen (gemeinhin unter die Kategorie „Schwaben“ sumsumiert – was auch immer das bedeuten soll).

    Aber, und das zuletzt: Es soll ja Leute geben, denen nicht nur das postgentrifizierte Öko-Flair nebst Latte und MacBook gefällt, sondern auch eine Umgebung aus gesunder Ost- und Westdeutscher Mischung. Dieser ist sicherlich auch ein Aspekt, der sich in der Neustadt anders darstellt als in anderen Teilen Dresdens.

    PS: Dass die Studenten mit Rambazamba die Überhand nehmen, und nicht die spießigen Eltern, ist doch ein Zeichen dafür, dass der dem Gentrifizierungsprozess innewohnende Coolness-Zenit noch nicht überschritten ist; noch gibt es Platz fürs Anderssein, erst wenn die (den Studenten finanziell überlegenen) Jung-Eltern die überhand nehmen, was sie (fast) nur durch bisher noch zu schwache Marktmechanismen tun können, hört die Neustadt wirklich auf, „hip“ zu sein.

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