Wann immer es Diskussionen um die Legitimität von Protesten gegen Verdrängung und Gentrification gibt, wird irgendwann der Vorwurf des Konservatismus in die Runde geworfen. Wer gegen Verdrängung ist, wolle ja nur, dass alles bleibt, wie es ist und der Kreativität der Veränderung den Raum nehmen. Meine Standardantwort darauf ist meist ein Verweis auf die durchaus bestehenden Veränderungswünsche der Bewohner/innen selbst, denen es ja in der Regel vor allem darum geht, an den Veränderungen in der Nachbarschaft zu partizipieren… Mit dieser Argumentation akzeptierte ich jedoch bisher stillschweigend die Annahme, dass die Aufwertungen und Zuzüge für irgendwelche positiven Veränderungsimpulse stünden. Ein Beispiel aus Berlin Prenzlauer Berg zeigt nun, dass genau dies zu hinterfragen ist. Im Berliner Tagesspiegel beschreibt in dem Artikel „Ärger um den Knaack-Klub“ von einer zumindest partiellen Klubschließung in Folge von Beschwerden von Eigentümer/innen einer auf dem Hof des Klubs neu errichteten Eigentumsanlage.
Das Problem: Vergangenes Jahr wurde im Hinterhof ein Gebäude mit Eigentumswohnungen errichtet, das direkt an den Club grenzt. Dessen Bewohner fühlen sich von der lauten Musik, insbesondere vom Vibrieren der Bässe gestört.
Ganz unabhängig, wie die kulturellen Angebote des Knaack-Klubs einzuschätzen sind, zeigt sich hier mal wieder auf anschauliche Weise, dass aus dem Eigentümerstatus offensichtlich weitergehnde Gestaltungsansprüche für die Nachbarschaft abgeleitet werden. Das klassische NIMBY-Motiv der Verhinderung von ungewollten Nutzungen, die zu einer Einschränkung der Lebensqualität und des Grundstückswertes führen – nur eben als retrograde Veränderung der Nachbarschaft.
diesen Ärger kennen die Kneipen- und Clubbesitzer in Hamburg St. Pauli schon länger. Ausgerechnet die Reeperbahn, Hamburgs Amüsiermeile wird als hippes Wohngebiet entdeckt, und die dortigen Clubs sehen sich zunehmends mit Lärmschutzklagen u.ä. konfrontiert.
Das King Callavera, direkt am Hans-Albers-Platz, eines der Epizentren der Reeperbahn, schliesst jetzt, weil neu hinzugezogene Anwohner sich über den Lärm beschweren…
Einen ähnlichen Konflikt hat es in der Hufelandstraße gegeben, den man zwar einerseits als lächerlich abtun kann, andererseits aber m.E. auf die Mentalität der protestierenden Klientel verweist (Schrebergarten oder Maschendrahtzaun sind zwei passende Stichwörter).
Dabei ging es um die Neubepflanzung der Nordostseite der Hufelandstraße zwischen Greifswalder und Esmarchstraße.
Mir war aufgefallen, dass die neugepflanzten Bäume in einem deutlich größeren Abstand stehen wie die auf der gegenüberliegenden Seite. Auf Nachfrage wurde mir mitgeteilt, dass sich eine Reihe von Eigentumswohnungsbesitzern gegen eine ähnlich enge Bepflanzung gewandt hätte, da so ihre Wohnungen verschattet würden. Offensichtlich ist der Bezirk auf diese Einwände eingegangen.
Ich habe mich gefragt, weshalb diesen rein privaten Interessen, die darüber hinaus wohl von einem sehr kleinen Teil der Anwohnerschaft vorgebracht wurde wurden, nachgekommen wurde? Wie kann das sein?
Tagedieb