Paris: Paläste für Alle?

In der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung gibt es einen Artikel zu eine   HausPalastbesetzung der wohnungspolitischen Aktionsgruppe ‚Jeudi Noir“ (Schwarzer Donnerstag) in Paris: Vive la chance (von Stefan Ulrich, Süddeutsche Zeitung, 27. Januar 2010, Seite 3). Seit drei Monaten hält eine Gruppe von 32 jungen Leuten ein seit über 40 Jahren leer stehendes Palais am Place des Vosges in der Pariser Innenstadt besetzt.

Heute gehört der Platz wieder zu den teuersten Adressen im ohnehin nicht billigen Paris. 20 000 Euro soll der Quadratmeter kosten. Dubouchet könnte sich glücklich preisen in seinem Palais Nummer 1 b, in dessen Dachgeschoss er sein Atelier eingerichtet hat. Die Sache hat nur einen Haken: Dubouchet ist nicht Schlossbesitzer – sondern Schlossbesetzer.

Auch in den Stuttgarter Nachrichten gab es eine Bericht über die Besetzung des 400 Jahre alten Gebäudes: Studenten besetzen Luxus-Palais. Der dort beschriebene Besuch der 87-jährigen Besitzerin Béatrice Cottin kurz vor Weinachten brachten den Besetzer/innen jedoch kein Glück. Entmündigt und unter Vormundschaft gestellt, nuzte die Sympathie der alten Dame wenig. Nach einem vom Vormund erwirkten Gerichtsbeschluss droht nun die Zwangsräumung.

Hintergrund der Besetzung sind die astronomisch hohen Immobilienpreise und Mieten im Zentrum der französischen Hauptstadt.  Trotz über 400.000 Wohnungssuchenden, die sich für eine Sozialwohnung angemeldet haben, stehen offiziellen Angaben zu Folge über acht Prozent der Pariser Wohnungen leer – oft weil die Eigentümer/innen auf eine Verkauf hoffen uns sich nicht mit lästigen Mietverträgen binden wollen. Allein in dem ruinösen Palais am Place des Vosges standen 1.300 Quadratmeter Wohnfläche leer. Mit Haus- und Wohnungsbesetzungen versuchen die überwiegend studentischen Aktivist/innen von „Jeudi Noir“ nicht nur auf den Widerspruch von Leerstand und Wohnungsnot aufmerksam zu machen – sondern Perspektiven einer städtischen (Wieder)Aneignung in der Praxis umzusetzen. Auf dem politischen Forderungskatalog der Initiative stehen nicht nur neuen Wohnungsbauprogramme für Sozialwohnungen und Mietpreisbegrenzungen, sondern auch die Beschlagnahme von Wohnungen und die Enteignung von Eigentümer/innen, die Wohnraum spekulativ leerstehen lassen.

Bekannt geworden war das „Jeudi Noir“ Kollektiv vor drei Jahren, als sie Besichtigungstermine überteuerter Wohnungsangebote mit tragbaren Musikanlagen, Sektflaschen und schwarzen Luftballons kaperten und als Party-Guerilla von sich Reden machten. Der Name der Gruppe geht auf ein donnerstags erscheinendes Anzeigenblatt („De Particulier à Particulier“) zurück. Wegen der großen Nachfrage nach bezahlbaren Zimmern und Wohnungen drängelten sich oft dutzende Wohnungssuchende bei den Besichtigungsterminen – für die Mehrzahl ein unerfreuliches Erlebnis, kein Glücks- sondern ein „Schwarzer Donnerstag“.

Dank @Jochen Becker für den Hinweis!

4 Gedanken zu „Paris: Paläste für Alle?

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