Madrid: Geld und Polizei für die Aufwertung

Für alle, die bisher glaubten, die Frage nach dem „Wer macht eigentlich die Aufwertung?“ sei ein verschwörungstheoretisches Ablenkmanöver von den ‚eigentlichen‘ Ursachen, den belehrt ein Beispiel in Madrid eines Besseren. Ein Radiobeitrag berichtete kürzlich über eine bisher in Europa beispielslose Aufwertungsallianz von privaten Geschäftsleuten und der Stadtverwaltung.
Julia Macher beschreibt in ihrem Beitrag „Boutiquen statt Bordells“ den Aufwertungsprozess im Barrio Maravillas, einem von Sexarbeierinnen geprägten Viertel in Madrid. In Anlehnung an den New Yorker Modedistrikt TriBeCa oder Londons SoHo haben der Sanierungsunternehmer Eduardo Moreno und ein paar befreundete Geschäftsleute einen Großteil der Gewerberäume aufgekauft um das Viertel künftig unter dem Namen TriBall (Dreieck um die Straße Ballesta) als hippes Modequartier zu vermarkten. Die Prostituierten und die von ihnen genutzten Bordelle stehen dieser Aufwertungsstrategie entgegen und wurden mehrheitlich verdrängt: innerhalb weniger Jahre veringerte sich die Zahl der Bordelle und Sex-Shops: „Zwei Sexshops und einen Nachtklub gibt es noch, vor einem Jahr waren es mehr als ein Dutzend.“ Im Radiofeature beschreibt Eduardo Moreno das Vorgehen bei der Besetzung des Viertels als „drei Schritte zu Erfolg„:

„Die Bordelle und Nachtklubs waren fast alles Familienunternehmen, dahinter steckte keine Mafia oder Kette“, erklärt Morena. Er habe eins nach dem anderen aufgekauft, bis ihm 95 Prozent von was? Aller Läden? gehörten. Das sei der Schlüssel zum Projekt gewesen: „Wir haben die alten Läden zugemacht und konnten so neue eröffnen.“ Die „feindliche Übernahme“ war Schritt Eins eines Drei-Stufen-Plans. In Schritt Zwei folgten ein halbes Dutzend Kulturaktionen, um das Image des Viertels zu verbessern: ein Stadtlauf, eine Modenschau und die „Kreativ-Besetzung“ eines ehemaligen Bordells, bei der Künstler bunte Performances in den Separées veranstalteten. Mit genügend Aufmerksamkeit könnte auch Schritt Drei erfolgreich sein: neue Mieter anzulocken.

Ein Artikel von AFP „Madrid red-light district to chase away prostitution“ ergänzt, dass auch kleine Lebensmittelgeschäfte und Telefonshops, die das Viertel prägten, schließen mussten. Ziel der TriBall-Aufwertung sei es, über 100 neue Geschäfte zu eröffnen. Im selben Beitrag ist auch zu lesen, dass sich die Stadtregierung mit verstärkten Polizeikontrollen und Überwachungskameras an der Umstrukturierung des Viertels beteiligte:

The scheme has the blessing of Madrid’s conservative mayor, Alberto Ruiz-Gallardon, who has boosted police patrols and spent 500,000 euros to have video surveillance cameras installed in the area.

Doch wie die meisten Gentrificationprozesse löste auch die Aufwertung im Barrio Maravillas den Widerstand der Betroffenen aus. Bewohner/innen, Gewerbetreibende und die Sexarbeiterinnen haben sich gegen die Aufwertung zu der Initiative Anti-TriBall zusammengeschlossen. Mit Stadteilfesten, Demonstrationen und nächtlichen Aktionen versuchen sich die Aktivist/innen gegen die Verdrängung zu wehren. Bei flickr.com gibt es eine beeindruckende Fotoserie von einer Hurengala und dutzenden Protestplakaten zu sehen.

Vielen Dank an Jenny, ohne die ich von der ganzen Geschichte nichts wüsste!

3 Gedanken zu „Madrid: Geld und Polizei für die Aufwertung

  1. Hallo DJ Tüddel, vielen Dank für den Hinweis, ich habs repariert und jetzt müsste es klappen. Die TriBall-Seite öffnet sich sehr schwerfällig und zumindest auf meinen Rechnern brauche ich ein wenig Geduld… Andrej

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