Baugruppen liegen in Berlin voll im Trend. Auf der Webseite Wohnportal-Berlin sind fast 70 Projekte von Baugruppen verzeichnet. Baugruppen sind meist Zusammenschlüsse von mehren privaten Bauherren, die sich zur gemeinsamen Realisierung von Wohneigentum organisieren. Warum die Senatorin für Stadtentwicklung Ingeborg Junge-Reyer die Baugruppen für einen „sozialen Anker für die Innenstadtquartiere“ hält, bleibt ihr Geheimnis. Die meisten der vom Senat mit einem Baulückenmanagement geförderten Baugruppen tragen dort zu den Aufwertungsprozessen bei. Denn trotz vergleichsweise günstigen Baupreisen (ca. 2.200 Euro/qm) gilt: der Zugang zu den Baugruppen hat das entsprechende Eigenkapital zur Voraussetzung.
Am Beispiel von zwei Baugruppenprojekten im Karl Kunger Kiez in Treptow beschreibt ein Artikel in der aktuellen Ausgabe des MieterEcho („Aufwertung in Alt-Treptow“) die Aufwertungswirkung der Neubauprojekte:
Die geplanten Wohnungen stehen dem Mietwohnungsmarkt nicht zur Verfügung. Stattdessen verstärkt die Baugruppe den Prozess der Gentrifizierung durch die Aufwertung des Wohnumfelds und durch ihre höhere Kaufkraft, die auch Gewerbe für gehobene Ansprüche in den Kiez ziehen wird. Wo mehr Geld ist, kann mehr ausgegeben werden – und da steigen die Preise gleich mit. Ärmere Menschen müssen früher oder später den Stadtteil verlassen, denn mit der laufenden Verdrängung im Kiez verschwinden die billigen Wohnungen.
Ob die Baugruppen dabei tatsächlich als Lückenfüller der Verwertung zu verstehen sind, „welche oft in Baulücken drängen, die für große Investoren unattraktiv sind“ (MieterEcho 332) sei dahingestellt, dass sie der Aufwertungsspirale Schwung geben, wird nicht einmal von den Protagonisten der Baugruppenbewegung selbst bestritten.
In der aktuellen Immobilienbeilage der Berliner Zeitung ist ein Interview mit dem Architekten Sascha Sander vom Architekturbüro Zanderroth zu lesen. Zander hat das Baugruppenprojekt SC11 in Berlin Mitte realisiert. Trotz der manipulativen Überschrift „Der soziale Faktor von Baugruppen“ kann Sascha Zander zum Mythos sozialen Baugruppen nichts beitragen:
Berliner Zeitung: Manche Ihrer Kollegen sehen im Baugruppenmodell ein Instrument, um die Lebensqualität in Kiezen gezielt aufzuwerten…
Sascha Zander: Ich vermute, dass dies als pauschale Behauptung schwierig ist, da weite Bevölkerungsteile ausgeschlossen werden. Das Modell Baugruppe ist keine neue Form des sozialen Wohnungsbaus. In erster Linie handelt es sich um ein gutes Finanzierungsmodell, dass die Einstiegsschwelle für Wohneigentum herabsenkt. Während der Quadratmeter Wohnraum im Prenzlauer Berg von Bauträgern rund 3.000 Euro kostet, drückt eine Baugruppe den Preis im Schnitt auf 2.200 Euro pro Quadratmeter. Das Klientel gehört aber immer noch zur gehobenen Mittelschicht.
Daneben kritisiert Sander die mangelnde Verantwortung in Gestaltungsfragen von Baugruppenprojekte:
In Berlin entstehen häufig interessante Projekte, doch besteht auch die Gefahr, dass sich die Beteiligten zu viel zumuten. Das Phänomen der Baugruppe ist zunächst ein soziales, es geht um demokratische Strukturen und Partizipation -was sich manchmal in bedauerlichen Gebäuden niederschlägt. Die Gestaltung eines Hauses lässt sich nur als kleinster gemeinsamer Nenner demokratisch beschließen.
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