Die kürzlich erfolgte Veröffentlichung des Mietspiegels (siehe hier im Blog) wurden von Mieterorganisationen auch genutzt um ihre grundsätzlichen Einschätzungen der Berliner Wohnungsversorgungssituation publik zu machen. So charakaterisisert Joachim Öllerich von der Berliner Mietergemeinschaft gegenüber der jungen welt in einem Interview die aktuellen Entwicklungen des Berliner Wohnungsmarktes als beängstigend.
Nach den Alternativen befragt skizzierte Öllerich die Konturen einer soziaalen Wohnungspolitik:
Was müßte der Senat sofort, was mittelfristig tun, um den Wohnungsmarkt zu entspannen?
Er muß umdenken. Öffentliche Wohnungsbauunternehmen haben nicht den Markt anzuheizen, ihre Aufgabe ist es vielmehr, die soziale Wohnungsversorgung zu gewährleisten. Dazu gehören ein sofortiger Mietpreisstopp und mittelfristig der Neubau von Wohnungen für die immer ärmer werdende Bevölkerung. In die Baulücken der Stadt gehören keine besserverdienenden Mittelschichten, sondern dort muß Platz sein für einen sozialen Wohnungsbau mit dem die soziale Durchmischung in den Quartieren gewahrt bleibt.
Was eigentlich klingt wie ein konkreter Forderungskatalog solle sich aber nicht auf einzelne Forderungen beschränken, sondern eher allgemein die gesellschaftliche Notwendigkeit einer öffentlichen Regulierung der Wohnungsversorgung herausstellen…
Kürzlich hat sich in Berlin ein »Mietenstopp-Bündnis« formiert. Welche Impulse müßten von diesem Netzwerk ausgehen, um Druck auf die Wohnungspolitik des Senates entfalten zu können?
Aufgabe dieses Bündnisses sollte sein, die öffentliche Meinung zum Umdenken zu bewegen. Wohnungsversorgung ist eine gesellschaftliche Aufgabe, die die Politik umsetzen muß. Sie ist keine Angelegenheit des Marktes. Wenn das Bündnis diese simple Weisheit begriffen hat, kann es erfolgreich werden. Wenn es sich hingegen im Aufstellen einzelner Forderung erschöpft, bleibt seine Wirksamkeit sehr begrenzt.
Ich würde die Trennung zwischen einzelnen Forderungen, etwa nach einem Förderprogramm für einen sozialen Wohnungsbau oder einer Reform des Mietrechtes zur Begrenzung der Neuvermietungszulagen oder die Festlegung von lokalen Mietsteigerungsmoratorien nicht so streng sehen. Gerade die zur Zeit selbst in Kreisen von Parteien im Abgeordnetenhaus diskutierten Reformen des Mietrechts tragen ja zu einer grundsätzlich anderen und problemorientierteren Sichtweise auf die Wohnungsfrage bei. Die aktuelle Berichterstattung zum Mietspiegel kann als Bruch mit der jahrelangen „Hegemonie des entspannten Wohnungsmarktes“ angesehen werden.
Zur Dokumentation hier das gesamte Interview mit Joachim Öllerich
„Große Freude bei Investoren über den Wohnungsmarkt“
Den Berliner Mietern hingegen stehen harte Zeiten bevor. Senat schummelt mit Leerstandszahlen. Ein Gespräch mit Joachim Oellerich (Sprecher der Berliner Mietergemeinschaft)
Interview: Christian Linde Anders als 2003, 2005 und 2007 tragen die Mieterorganisationen den neuen Mietspiegel für Berlin mit. Vor zwei Jahren lautete die Kritik: Der Senat räumt den Vermietern zusätzliche Spielräume zur Mieterhöhung ein. Bedeutet die Zustimmung in diesem Jahr, daß Sie mit den Ergebnissen zufrieden sind?Der Mietspiegel ist kein neutrales Instrument. In der Vergangenheit war er mit Unterstützung der Senatorin für Stadtentwicklung so eingestellt, daß er die Mietentwicklung zugunsten der Vermieter darstellte. In diesem Jahr haben die Proteste der Mieterorganisationen endlich dazu geführt, daß der Mietspiegel den Wohnungsmarkt realistischer wiedergibt. Diese Selbstverständlichkeit wurde vom rot-roten Senat jahrelang verhindert. Wenn man mit der Normalität zufrieden sein muß, dann gibt es jetzt dafür einen Grund.Wie schätzen Sie die Entwicklung auf dem Berliner Wohnungsmarkt insgesamt ein?
Beängstigend. Niemand soll sich durch die Mietspiegelergebnisse täuschen lassen. Sie stehen nur für die Ruhe vor dem Sturm. Die Nachfrage nach Wohnungen steigt seit Jahren durch die wachsende Berliner Bevölkerung. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Haushalte auch durch ihre Verkleinerung immer weiter zu, reduziert sich das Wohnungsangebot durch Abriß von Häusern und Zusammenlegung von Wohnungen. Gebaut wird dagegen kaum noch – und wenn, dann allenfalls Luxuswohnungen für einkommensstarke Haushalte. Der Wohnungsmarkt – und darüber sind sich alle Experten einig – zeigt deutliche Zeichen der Anspannung und wird schon bald den Investoren große Freude und den Mietern große Sorge bereiten.Die Privatisierungspolitik des Senats hat zur Verringerung des öffentlichen Wohnungsbestandes geführt. In Berlin leben aber mehr als 600000 Menschen, die nicht nur auf Transferleistungen, sondern auch auf geringe Mieten angewiesen sind. Sind die landeseigenen Wohnungsunternehmen für diese Menschen noch eine Art Schutzschirm?
Nicht im geringsten. Die Wohnungsbauunternehmen sind ausgerichtet auf betriebswirtschaftliche Erfolge. Die Nachfrage nach dem angebotenen Segment – kleine und preiswerte Wohnungen – steigt von Tag zu Tag. Entsprechend deutlich bewegen sich ihre Mieten nach oben. Eine Ausweitung des Angebots durch Neubau findet auch hier nicht statt.Der Wohnungsmarkt in Berlin sei entspannt, behauptet der Senat. 100000 Wohnungen stünden leer. Diese Zahl wird aber selbst von Vermieterorganisationen bezweifelt.
Die Zahlen, mit denen der Leerstand bewiesen werden soll, sind die der abgeschalteten Stromzähler. Wenn also ein Harz-IV-Bezieher seine Stromrechnung nicht bezahlen kann, und die Lieferung eingestellt wird, betrachtet der Senat dessen Wohnung als leerstehend. Ein Stück aus dem Tollhaus! Wenn es in den östlichen Plattenbaubezirken vereinzelt tatsächlich leere Wohnungen gibt, dann deshalb weil es dort keine Arbeit gibt.Was müßte der Senat sofort, was mittelfristig tun, um den Wohnungsmarkt zu entspannen?
Er muß umdenken. Öffentliche Wohnungsbauunternehmen haben nicht den Markt anzuheizen, ihre Aufgabe ist es vielmehr, die soziale Wohnungsversorgung zu gewährleisten. Dazu gehören ein sofortiger Mietpreisstopp und mittelfristig der Neubau von Wohnungen für die immer ärmer werdende Bevölkerung. In die Baulücken der Stadt gehören keine besserverdienenden Mittelschichten, sondern dort muß Platz sein für einen sozialen Wohnungsbau mit dem die soziale Durchmischung in den Quartieren gewahrt bleibt.Kürzlich hat sich in Berlin ein »Mietenstopp-Bündnis« formiert. Welche Impulse müßten von diesem Netzwerk ausgehen, um Druck auf die Wohnungspolitik des Senates entfalten zu können?
Aufgabe dieses Bündnisses sollte sein, die öffentliche Meinung zum Umdenken zu bewegen. Wohnungsversorgung ist eine gesellschaftliche Aufgabe, die die Politik umsetzen muß. Sie ist keine Angelegenheit des Marktes. Wenn das Bündnis diese simple Weisheit begriffen hat, kann es erfolgreich werden. Wenn es sich hingegen im Aufstellen einzelner Forderung erschöpft, bleibt seine Wirksamkeit sehr begrenzt.