Berlin: Diktatur der Baugruppen

Im Tagesspiegel vom vergangenen Wochenende gibt es einen längeren Artikel zu den innerstädtischen Baugruppen in Berlin: Ein bisschen Diktatur. Diese, in der Berichterstattung zur Wohneigentumsbildung ungewöhnlich negative Überschrift bezieht sich in erster Linie auf das besondere Verhältnis von Architekt/innen zu den eigentlichen Bauherren in solchen Projekten.

„Architektur kann man keinen demokratischen Prozessen unterziehen.“

Doch auch zu den sozialen Kosequenzen und Effekten gibt es ein paar interessante Aussagen in dem Artikel. Trotz – oder besser, gerade wegen – der, für  den Eigentumssektor  geringen Ausgangskosten, erscheint die Teilnahme an einer Baugruppe nicht nur den Zugang in ein exklusives Wohnungssegment zu sichern, sondern auch ökonomisch gewinnversprechend zu sein:

Bei Ausfall eines Teilnehmers hätten die anderen einspringen müssen. Aber das Projekt erschien ihnen so günstig, flexibel und ästhetisch attraktiv, dass sie glaubten, im Falle des Falles schnell einen Ersatzfinanzier zu finden. Die Wohnungen, pro Quadratmeter unter 2000 Euro, sind ein gutes halbes Jahr nach dem Einzug längst mehr wert. Das ist die Genugtuung der Bauherren.

Die Baugruppenarchitekten Zander und Roth geben einen Einblick in das Milieu und die Motive der Baugruppen:

Es handelt sich bei den Käufern ja um die gleiche Klientel, die früher ein Einfamilienhaus im Speckgürtel gebaut hätte. Warum aber ziehen die Leute hinaus? (…) „Townhouses sind ja nichts anderes als innerstädtische Reihenhäuser.“

Auch Baugruppenmitglieder selbst kommen in dem Artikel zu Wort und berichten über die geringe Akzeptanz in der Nachbarschaft:

Die „gefühlte Verdrängung“ setze sofort ein, sagt Andreas Ruby. Nachbarn fühlen sich bedroht. „Das Haus sieht einfach zu gut aus“, dafür, dass es tatsächlich so günstig war. Schräg gegenüber im Kiosk, wo der Kaffee 60 Cent kostet und Bauarbeiter sich ein fleischiges Mittagessen besorgen, lästern sie über neue Reiche. In der Silvesternacht brannten zwei Porsche. Nachbarn richteten Raketen von ihren Dächern auf die Dachterrassen. Sie nannten die beiden Türme in der Ruppiner Straße wegen ihres Grüns „Bundeswehrkasernen“. Man kann das nicht schönreden, sagt Sascha Zander. Projekte wie ihre werten die ganze Gegend auf. Verdrängung findet statt. Auch Baugruppen sind ja keine Bauherren von Sozialwohnungen, sondern selbst obere Mittelschicht.

Ein Gedanke zu „Berlin: Diktatur der Baugruppen

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