Berlin: „Niemand hat das Recht, in einer bestimmten Straße zu wohnen“

Die taz berichtete in ihrer gestrigen Ausgabe von den Vermarktungsschwierigkeiten des umstrittenen Luxuswohnprojektes CarLoft in Kreuzberg: Carlofts werden ausgebremst. Bisher konnten nur zwei der 11 Lofts vermietet werden – vom Traum eines Direktverkaufs hatten sich die Investoren bereits vor etlichen Monaten verabschiedet.

Ursprünglich sollten die vor ein paar Monaten fertiggestellten Wohnungen als Eigentum in der Preislage von 500.000 bis 1.500.000 Euro verkauft werden. Die Firma CarLoft® GmbH, die zwei Architekten gehört, hat sich die Idee der „Carlofts“ sogar in 39 Ländern patentieren lassen.

Die Pressesprecherin des Vermarktungsbüros Corinna Kaspar sieht die Gründe für die schleppende Vermietung eher in der Finanzkrise als in der öffentlichen Kritik am Luxuswohnprojekt:

Kaspar nennt allerdings andere Gründe für die Vermarktungsschwierigkeiten. „Die internationale Finanzkrise ist bei Projektentwicklern und Bauträgern, aber auch bei CarLoft-Käufern eher präsent als Aktionen linksradikaler Gruppierungen, denen wir übrigens stets den direkten Dialog angeboten haben.“

Dennoch will sich das Projekt ein neues Image verschaffen und setzt auf ein ökologisch Nutzungskonzept für die umworbenen Auto-Individualisten. Eigentlich ein Widerspruch in sich – aber Greenwashing kennt offenbar keine Grenzen:

„Wir führen derzeit Kooperationsverhandlungen mit Herstellern von Elektromobilen und Elektrokonzernen, denn das abgasfreie Fahren und vor allem das unkomplizierte Aufladen von Elektromobilen auf der Etage ist etwas, was derzeit nur in CarLoft-Wohnungen möglich ist.“ Ein Nachbar bezweifelt das. Schließlich könnten Steckdosen für Elektroautos in jede Garage eingebaut werden.

In einem Interview mit dem von der taz als Immobilienspezialisten bezeichneten Andreas Habath wird die drohende CarLoft-Pleite in allgemeine Wohnungsmarktentwicklungen eingeordnet: „Kreuzberger interessieren sich nicht dafür“.

Zum einen bestätigt Andreas Habath die grundsätzlichen Krisenresistenz des Luxuswohnsegments

Allgemein kann man in Berlin die Wirtschaftskrise ganz sicher nicht für sinkende Immobilienverkäufe verantwortlich machen.

und unterstreicht nochmal, für wen die neuen Luxuswohnungen gebaut werden

Alteingessene Kreuzberger interessieren sich nicht dafür. So eine Spezialimmobilie ist eher für Zugezogene aus Deutschland oder dem europäischen Ausland interessant.

Immer öfter in der letzten Zeit war in diesem Zusammenhang das Argument zu hören, dass Luxuswohnanalgen doch auch zur Entlastung der ’normalen‘ Wohnungsmarktsegmente in den innerstädtischen Nachbarschaften beitragen könnten. Diese Hoffnung speisst sich aus der Annahme einer begrenzten Anzahl von wirklich Gutverdienenden – die, erst einmal in CarLoft oder Marthashof untergebracht, dann nicht mehr die Mieten in den Kiezen drumherum hochtreiben werden. Diese Absorbtionstheorie klingt ersteinmal logisch, übersieht jedoch die anbieterseitigen Motive der Preisgestaltung auf den Wohnungsmärkten. Neuvermietungsmieten orientieren sich eben nicht an der Zahlungfähigkeit der potentiellen Mietinteressent/innen, sondern an der maximal realisierbaren Nutzung der Immobilie. So muss es auch nicht wundern, dass trotz der zahlreichen Luxuswohnprojekte die Mieten in den ‚angesagten‘ Quartieren weiter steigen. Nochmal Andreas Habath dazu:

…aber im Marktmietspiegel, den der Immobilienverband IVD gerade vorlegt hat, haben Sie explizit für den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg weiter steigende Mieten prognostiziert.

Ja, aber nur für einzelne Lagen. Da will jemand in den Simon-Dach-Kiez und ist bereit, 10 Euro pro Quadratmeter zu zahlen. Im Bezirk gibt es aber auch passable Wohnungen für 5,50 Euro – und zwar nahezu flächendeckend. Das Berliner Mietenniveau ist vergleichbar mit Gütersloh. Zudem sind die Bestandsmieten durch den offiziellen und viel zu niedrigen Mietspiegel gegen Erhöhungen geschützt.

Wer umziehen muss oder will, muss aber mit deutlich höheren Mieten rechnen.

Ja, in beliebten Vierteln. Aber niemand das Recht, in einer bestimmten Straße zu wohnen.

2 Gedanken zu „Berlin: „Niemand hat das Recht, in einer bestimmten Straße zu wohnen“

  1. Auch der Tagesspiegel vom 01.07.2009 greift die angebliche CarLoft-Pleite auf, verfügt aber über eine völlig andere Information:
    „Eine Sprecherin des Carloft-Projekts widerspricht: „Neben den zwei bezogenen sind sieben weitere Lofts verkauft. Die Bewohner ziehen bis Jahresende ein.“ [http://www.tagesspiegel.de/berlin/Extremismus-Baugruppen;art270,2836561]
    Ein Frage bleibt: Wieviele Pressesprecherinnen hat das CarLoft?

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