Berlin: Lohnende Brandstiftung?

rigaer_graffiti3-1Rigaer Straße 84, Rückblende April 2007:,

Am 28.04.2007 ist bei einem Brand in der Rigaer Straße 84 der Lebensraum von 48 Menschen und Platz für internationale Gäste, Voküs, Kino, politische Arbeit, Konzerte und Kneipe zerstört worden. Wir, die BewohnerInnen, haben über Stunden hilflos mit ansehen müssen, wie der gesamte Dachstuhl und Teile des Frauenstockes in der 4.Etage dem Feuer zum Opfer gefallen sind.

Gut zwei Jahre nach dem BrandstiftungDachstuhlbrand im damals noch bewohnten, ehemals besetzten Haus Rigaer Straße 84 wird nun das ausgebaute Dachgeschoss vermietet: „Einzigartig mit 4 (VIER) Dachterassen – Für den luxeriösen Anspruch!

Update: Nach Hinweise vom Scheckkartenpunk, ist die Brandursache wohl nicht so eindeutig, wie von dem Polizeisprecher im verlinkten ND-Artikel angegeben. KLar ist nur, es brannte wenige Woche nachdem die Besetzergruppe ein eigenes Kaufinteresse anmeldeten um die geplante Modernisierung zu verhindern. Im Verlauf der Sanierungsarbeiten löste sich die Gruppe auf und einzelne Bewohner/innen nahmen Entschädigungszahlungen für den Auszug an. Was bleibt: der Dachstuhlbrand legte die Voraussetzung für die unkomplizierte Durchführung der späteren Modernisierungsaktivitäten.

Und die Wohnung ist nicht nur tip-top saniert sondern hat sogar noch Flair – zu irgendetwas müssen ja diese Hausbesetzer nützlich sein! Im „Angebot des Monats“ beim Immobilienvertrieb IMMS-Immobilien heißt es:

Erstbezug nach Voll-Sanierung. Das Treppenhaus ist nach altem Vorbild instand gesetzt und geschmackvoll farblich gestaltet. Die schönsten Graffiti-Kunstwerke der Vergangenheit wurden mit Klarlack in das neue Treppenhaus integriert und erhalten. Die sehr helle Wohnung wurde vollständig, sehr aufwendig und hochwertig neu ausgebaut. Neben Zentralheizung und zentraler Warmwasserversorgung wurde die gesamte Wohnfläche mit Eiche-Echtholzparkett belegt. Elektrische Skylight-Dachliegefenster sorgen für viel Tageslicht.

Gesamtpreis für das schmucke Kleinod: knapp 2.500 Euro für die 213 Quadratmeter. Auch um die Heiz- und Nebenkosten reduziert sind das immer noch 9,71 Euro/qm (nettokalt). Nur zum Vergleich das entsprechende Mietspiegelfeld für Neubauten liegt bei einem Mittelwert von 5,96 Euro/qm und selbst der oberste Spannenwert endet bei 7,15 Euro/qm. Die Wohnung wird also zu einem Preis der 65 Prozent über den sonst üblichen Preisen solcher Wohnungen liegt.

Verglichen mit den Mietpreisen der ehemaligen Hausbesetzer dürften die Mieteinnahmen locker um das vierfache gestiegen sein. Wie hoch die zu erwartende Rendite nach Abzug der Sanierungskosten tatsächlich ist, kann hier nur vermutet werden. Auf jeden Fall ein lohnendes Geschäft, das einen etwas aus der Mode geratenen Ökonomen des vorletzten Jahrhunderts zu bestätigen scheint:

„Kapital flieht Tumult und Streit und ist ängstlicher Natur. Das ist sehr wahr, aber doch nicht die ganze Wahrheit. Das Kapital hat einen Horror vor Abwesenheit von Profit, oder sehr kleinem Profit, wie die Natur vor der Leere. Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens. Wenn Tumult und Streit Profit bringen, wird es sie beide encouragieren.“ (MEW, Bd. 23, 788)

via annalist

10 Gedanken zu „Berlin: Lohnende Brandstiftung?

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  3. brnadstiftung wurde da nie nachgewiesen. genauso gab es die gerüchte der dachstock ging aufgrund von wärmelampen in flammen auf. im gegensatz zu dem brand zehn jahre vorher ist es nicht eindeutig, daß es brandstiftung war.

    die bewohner des hauses haben sich mit einer abfindung von ihren ansprüchen rauskaufen lassen. das linke projekt hat sich selbst aufgelöst, weil einige ehemalige bewohner keinen bock mehr drauf hatten. aber so schafft man legenden.

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  5. Hallo skp,
    ob Abfindungszahlungen geflossen sind oder nicht, wichtig scheint mir, dass wenige Wochen nachdem die Hausbewohner unter dem Druck einer Modernisierungsankündigung das Haus selbst kaufen wolllten, der Dachstuhl brannte.
    Ein Artikel im Neuen Deutschland vom 14.06.2007 zitiert den Polizeisprecher wie folgt:
    „Brisante Neuigkeiten hat unterdessen die Polizei zu melden. »Wir wissen inzwischen sicher, dass es sich um Brandstiftung gehandelt hat«, erklärte Polizeisprecher Michael Merkle dieser Zeitung. Die genaue Ursache für das Feuer im Dachstuhl sei allerdings weiterhin unklar, »Die Ermittlungen des Landeskriminalamts laufen«, so Merkle.
    (leider ein Kaufartikel: http://www.neues-deutschland.de/artikel/111235.ein-haus-fuer-50-personen-gesucht.html?sstr=Ein|Haus|f%FCr|50|Personen)

  6. Das Zitat am Schluss Textes aus der MEW wird zwar gern zitiert, aber selten wird hinzugefügt, dass das nicht von Karl Marx ist, sondern dieser einen Gewerkschaftaktivisten namens Thomas J. Dunning zitiert. Nur der Vollständig halber und auch wenn das Zitat schön ist.

  7. »Wir wissen inzwischen sicher, dass es sich um Brandstiftung gehandelt hat«, erklärte Polizeisprecher Michael Merkle

    oho! da wird die polizei auch mal zum kronzeugen reformautonomen. im verschwoerungskonstrukt um die brandstiftung spielte sie noch eine ganz andere rolle. ihr solltet euch festlegen.
    das hausbesetzer fuer ein paar foerdermittel (oder eben abfindungen) saemtliche ideale ueber board werfen ist uebrigens auch nicht so neu.

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