Berlin: Pionierdilemma an der Spree

stop_gentrification_berlin_megaspree_2009Die MegaSpree-Demonstration der Clubbetreiber/innen, Strandbars,  Kunst- und Kulturschaffenden und Freiraumbewohner/innen wollte nichts Geringeres als gegen Gegen Privatisierung und Betonierung, für eine kulturell vielfältige, freie und soziale Stadt auf die Straße zu gehen. Unter dem Arbeitstitel MediaSpree soll auf den teilweise brachliegenden Uferflächen der Spree in den Innenstadtbezirken Friedrichshain und Kreuzberg eine neues Geschäfts- und Wohnviertel entstehen, dass sich in erster Linie an Nutzer aus den Bereichen der neuen Medien, Musikindustrie und des Veranstaltungsentertainment richtet. Die überwiegend von privaten Investoren geplante Bebauung hat bereits in der Vergangenheit für Proteste gesorgt. So wurden nach einem Bürgerbegehren 2008 die Bauplanungen zunächst auf Eis gelegt,  um verschiedene Forderungen von Bürgerinitiativen stärker in den Planungen zu berücksichtigen.

Die jetzt kritisierte Bedrohung kultureller und unkommerzieller Freiräume ist das logische Ergebnis von einer Investitionsplanung. Unabhängig, wie die dort angebotenen Kulturangebote bewertet werden, basieren sie auf der ökonomischen Basis einer geringen bzw. fast unentgeltlichen Nutzung städtischer Flächen. Die lange Zeit ungenutzten Brachen am Spreeufer boten diese Bedingungen. Mit einem Verkauf bzw. der geplanten Verwertung der Flächen werden diese Nutzungsvoraussetzungen aufgehoben. Wir können also von einer sehr grundlegenden Nutzungskonkurrenz zwischen unkommerzielle gestaltbaren Räumen in der Stadt und ökonomischen Verwertungsinteressen sprechen.

Im konkreten Beispiel der Clubs und Strandbars in Berlin verbietet sich jedoch eine Idealisierung selbstorganiserter Kulturangebote. Viele der Einrichtungen sind als ökonomische Zweckbetriebe organisiert sind, verlangen Eintrittspreise und die Betreiber/innen realisieren nicht unerhebliche Gewinne. Die Forderung nach einer „Stadt für alle“ die in den Aufrufen oft zu lesen war, rekurriert dabei vor allem auf eine mehr oder weniger begrenzte Szene. Neben den gerechtfertigten Forderungen die bestehenden Nutzungen gegen die Investitionsplanung des MediaSpree Projektes zu verteidigen, haben die Veranstalter des Protest leider auch wieder versucht, den Bürgermeister in der Kreativrhetorik zu überholen.

Aufschlussreich in diesem Zusammenhang die entsprechende Sequanz im Zeit-Video: Mediaspree – Streit um das Berliner Spreeufer.

Juval Dieziger (Mitbetreiber der Bar 25):

„Im Gegensatz zu MediSpreeVersenken sind wir angetreten und wollen eine Zukunftsvision erschaffen. Wir wollen aufzeigen … dass man einen Spreeraum gestalten könnte, der in der Zukunft eine noch viel größere Strahlkraft hat als Beton, Glas und Stahl“ Gegen Verdrängung ist das Bündnis natürlich auch, die Begründung ist gewöhnungsbedürftig: „wir sind der Meinung, dass diese Verdrängung falsch ist, weil dann auch weniger Touristen hier her kommen. Gerade die jungen Leute die kommen wegen so was nach Berlin und nicht wegen der O2-Arena“

Prof. Hartmut Häußermann hingegen hat nichts gegen städtische Entwicklungsmaßnahmen und die Einrichtung eines Medienstandortes, lässt aber am MediaSpree-Projekt kein gutes Haar:

Diese Projekt ist selber nicht zukunftsfähig, wenn es das was vorhanden ist an einem Ort auslöscht und wegverdrängt.

Viel schöner hätte ich es auch nicht sagen können: DLF – CORSOGESPRÄCH: Andrej Holm – Kreativität oder Kommerz? Umgang mit urbanen Räume

Doch die Konflikte um MediaSpree sind nicht aus den Eigeninteressen der Szeneökonomie zu erklären sondern durch die Bodenverwertungszyklen, die im MediSpree-Projekt zum Ausdruck kommen. Die Investorenplanung im Spreeraum ist dabei kein Einzelfall sondern beschreibt den aktuellen Modus der Stadtentwicklung. Auch wenn es um überwiegend private Investitionen geht, ist die Verantwortung der Stadt nicht zu unterschätzen. Insbesondere großskaliert Projekte sind ohne Vorgaben, Unterstützung und Vorleistungen der öffentlichen Hand nicht zu realisieren. Trotz dieser privat-öffentlichen Hybridplanung verfolgen Stadtregierungen und private Investoren teilweise unterschiedliche Ziele. Investor/innen orientieren sich stärker an der Wirtschaftlichkeit der eigenen Projekte, Stadtverwaltungen können sehr unterschiedliche Motive haben: Wirtschaftliche Impulse für die Stadtentwicklung setzen, besonders attraktive Räume entwickeln um in einem imaginären Städtewettbewerb eine besser Position zu erlangen oder auch einfach nur eigen Grundstücke so teuer wie möglich zu verkaufen, um die Stadtkassen zu entlasten. Darüber hinaus haben Planungsämter aber auch eine stärkere Verantwortung für ein Gesamtentwicklungs/Gestaltungskonzept. Eine Großprojekte Planung wie MediaSpree in Berlin oder die Hafencity in Hamburg kommt jedoch letztlich nur zustande, wenn sich die Interessen der Stadtregierungen und privater Investor/innen an einem Punkt treffen: es entstehen dann privat-öffentliche Immobilienverwertungskoalitionen, gegenüber denen die Bürgerinitiativen, bisherige Nutzer und Anlieger nur geringe Chancen habe, eigene Interessen zu artikulieren und Durchzusetzen. Bei den Konflikten um solche Großprojekte geht es politisch also auch immer um die Frage, wer entscheidet eigentlich über Fragen der Stadtentwicklung.  Die tendenzielle Aufspaltung der relativ breiten Protestbewegung des letzten Jahres lässt wenig Gutes hoffen: MediaSpreeVersenken!, SpreePirat_innen und nun auch noch MegaSpree – es wäre schade, wenn sich diese Spaltungstendenzen fortsetzten.

Bild von bjk

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