In der aktuellen Ausgabe der Berliner Zeitung gibt es einen Artikel zu einer sozialwissenschaftlichen Studie, die die diskriminierende Vermietungspraxis von Berliner Wohnungsververwaltungen gegenüber türkischen Wohnungsbewerberinnen untersucht hat: „Mietvertrag nur für Deutsche„. Die Soziologin Emsal Kilic von der Humboldt-Universität hat für ihre Diplomarbeit hunderte Bewerbungsschreiben an Wohnungsverwaltungen in Wilmersdorf und Neukölln geschreiben um deren Vermietungsverhalten gegenüber türkischen Wohungssuchenden zu analysieren:
„Die Reaktionen der Vermieter reichten von unterschwelliger Feindseligkeit bis zu offensichtlicher Ablehnung“, sagt Emsal Kilic. Für viele Nichtdeutsche seien diese Reaktionen längst ein „alltägliches selbstverständliches Phänomen“. Als „klare Form von Diskriminierung“ bezeichnete der Stadtsoziologe Hartmut Häußermann das Ergebnis der Studie. Der Professor hatte die Studie betreut.
Häußermann sagt, oft würden Hausverwalter und Vermieter das Argument vortragen, ihre Mieter wollten keine Migranten als Nachbarn und die Vermieter müssten ihre Mieter zufriedenstellen. „Offenbar müssen diese Mitarbeiter besser geschult werden, damit sie ihre Vorurteile abbauen“, sagte Häußermann.
Die Wohnungswirtschaft in Berlin streitet diesen Vorwurf erwartungsgemäß ab. Interessant sind allenfalls die Begründungen:
Viele Berliner Wohnungsunternehmen wehren sich gegen die Vorwürfe, sie würden nichtdeutsche Bewerber diskriminieren. „Mir sind keinerlei Fälle bekannt“, sagt Anne Fellner vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen. 365 Mitgliedsorganisationen mit 1,1 Millionen Wohnungen sind dort vertreten. „Wir haben uns ganz offensiv mit den Anliegen des Antidiskriminierungsgesetzes auseinandergesetzt“, sagt Anne Fellner. „Niemand hat ein Interesse daran, sich durch Diskriminierung seine Position am Markt zu verderben“, sagt sie.
Da können Wohungssuchende mit türkischen Namen aber froh sein, dass Diskriminierung gerade keinen so guten Ruf hat… Die Ergebnisse der Untersuchung von Emsal Kilic lassen sich damit jedoch nicht vom Tisch reden. Die bereits 2008 veröffentlichte Diplomarbeit wurde vor Monaten schon in der Berliner Morgenpost („Wohnungssuche fällt mit deutschem Namen leichter„) und im MieterEcho („Alltägliche Diskriminierung„) besprochen.
Die Arbeit von Emsal Kilic zeigt auf eine sehr eindrucksvolle Weise, dass mikrosoziologische Untersuchungen wichtige Hinweise auf strukturelle Ungleichheiten geben können. In ihrem Unteresuchungsdesign hat sie andere Einflussfaktoren wie etwa unterschiedliche Einkommen oder Familienstand angeglichen. Die unterschiedliche Reaktion der Wohnungsverwaltungen ist somit lediglich durch eine ethnische Diskriminierung zu erklären.
Die Schreiben an die Wohnungsunternehmen wiesen jeweils vergleichbare sozioökonomische Merkmale der Bewerberinnen auf, waren aber entweder mit deutschen oder türkischer Namen unterschrieben. Das erschreckende Ergebnis: keine der „türkischen“ Bewerberinnen wurde nach Wilmersdorf eingeladen – die „deutschen“ Bewerberinnen erhielten dort immerhin sechs Einladungen. Das Ergebnis der Bewerbungen in Neukölln war mit 11 bzw. 13 Rückmeldungen fast ausgeglichen. In der zweiten Phase des Projektes wurden dann telefonisch Besichtigungstermine für die angegebenen Wohungen vereinbart. Zwei fehlerfrei deutschsprechende Anruferinnen, die sich nur durch ihren deutschen bzw. türkischen Namen unterschieden, riefen jeweils bei den Wohnungsunternehmen an. Während 9 von 13 „deutschen“ Anruferinnen Einladungen erhielten, wurden nur vier der 11 „türkischen“ Anruferinnen zu einer Wohnungsbesichtigung geladen.
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