Berlin: Keine Kittelschürzen mehr in Prenzlauer Berg

Gentrification und Verdrängung sind in aller Munde und die Ostberliner Aufwertungsquartiere in Prenzlauer Berg müssen immer wieder als Kronzeugen dieser Entwicklungen herhalten. Die Fakten sind dabei meist schnell zusammengetragen: steigende Mietpreise, weitgehender Austausch der Bevölkerung und kaum noch Arme und Alte in den Straßen… Doch wie sich solche Veränderungen anfühlen und sich in den Alltagsbeziehungen der Nachbarschaft niederschlagen, wird oft nur in oberflächlichen Schlagworten eines „Bionade-Biedermeier“ oder der „Schwaben in Prenzlauer Berg“  zusammengefasst.

Annett Gröschner, seit 1983 in Prenzlauer Berg wohnend, schaut genauer hin und schafft es immer wieder wie kaum eine andere, mit kleine Alltagsbeobachtungen die gravierenden Veränderungen auf den Punkt zu bringen. In der Zeitschrift Literaturen hat sie einen bissigen Kommentar zur Verwandlung ihres Stadtteils in einen „einheitlichen pastellfarbenen Brei von Langeweile“ geschrieben: „Leute, die ihre Hunde Stalin nannten„. Nur Zehlendorf sei noch langweiliger als der ehemalige Szenekiez in Ostberlin.

Wenn Annett Gröschner über Prenzlauer Berg schreibt, wird man nicht nur in die heile Welt der „Sportkinderwagen“ und „Alphamännchen auf Erziehungsurlaub“ katapultiert, sondern spürt die tiefe Trauer um den Verlust der alten Trinkerszenen, Raucherkneipen und Kittelschürzen:

Die öffentliche Wahrnehmung des Prenzlauer Berg ist inzwischen besetzt durch eine Mittelstandsgesellschaft, die eine perfekte Fassade aufgebaut hat, die derjenigen der sanierten Häuser ähnelt (den Keller sieht ja niemand). Man gibt sich aufgeklärt, wählt grün, bekommt im fortgeschrittenen Alter noch die gesellschaftlich geforderten und geförderten zwei Kinder, engagiert sich in privaten Kindergärten und Schulen und bildet Baugruppen, um sich den Traum vom Eigenheim gemeinsam zu erfüllen. Dabei werden jahrhundertealte Bäume abgeholzt, die Trinker von ihren Plätzen vertrieben, den Hinterhofwohnungen vergeht das Licht. Ja, es gibt sie noch, die Indianer in ihren Reservaten, die den Touristen Kunststückchen vorführen, in der Kittelschürze über die Straße in die Kaufhalle huschen oder sich dem Trunk hingeben. Die Reservate aber werden knapp.

6 Gedanken zu „Berlin: Keine Kittelschürzen mehr in Prenzlauer Berg

  1. Eins sei vorneweg gesagt: Ich mag die neue Prenzlberg-Bevölkerung auch nicht gerade. Obwohl ich Schwaben gut leiden kann. Aber diese Hipster im Prenzlberg sind mir trotz ihres gespielten Individualismus‘ eindeutig zu uniformiert. Gleiche Klamotten, gleicher Wohnstil, gleiches Auftreten. Außerdem lächeln die nie.

    Aber muss man deswegen ausgerechnet dem Abschnittsbevollmächtigten (der nicht nur als „Kiez-Bulle“ für Ordnung sorgte, sondern in der Regel auch als Stasi-Informant die Nachbarschaft denunzierte) nachzutrauern? Muss man Hundescheiße, öffentlichen Alkoholismus im Endstadium und nächtlichem Lärm als Merkmale „besserer Tage“ und gehobener Lebensqualität anführen? Wird da nicht Gentrification-Kritik mit unreflektierter Ostalgie und einer morbiden Liebe zu einem Leben im Dreck verwechselt?

    Warum vollgeschissene Fußwege, baufällige Häuser und Nachbarn, die ihre Hunde Stalin nennen, per se besser sein sollen als eine saubere und wohnliche Nachbarschaft, in der die Leute wissen, dass Stalin als Hundename ebenso unpassend wie Hitler ist, muss mir vielleicht nochmal jemand erklären.

    … just my 2 Cent …

  2. Das Problem ist doch nicht, dass es keine Stalin-Hunde und Trinker_innen mehr gibt. Es gibt sie noch, sie mussten nur wegziehen oder sich verstecken. Wären sie nicht mehr da, weil ihnen jemand beim Entzug geholfen hat oder ihnen erklärt hat warum einen Hund Stalin zu nennen doof ist, hieße das ganze nicht Gentrification..

  3. Danke Frau Gröschner,

    Sie sprechen all denen aus der Seele, die ohmächtig miterlebten wie ein Stadtbezirk seine Identität verloren hat.
    PrenzlBerg: Biete NeoSpiesser, suche Hundescheiße,Omas und sozial Schwache !!

  4. Ich habe den Text von Annett Gröschner nicht verstanden.

    Sie trauert einem Leben inmitten von sozial Schwachen Menschen nach. „paule“ pflichtet ihr bei und schreibt: „suche sozial Schwache“.

    Hmmm. Annett Gröschner macht irgendwas in Hildesheim und Autorin ist sie und so weiter. Sie hält sich sicher für ganz ganz toll. Und die sozial Schwachen? Die Trinker und die Omas mit der winzigkleinen Rente. Die sollen ihr den Kiez schön bunt machen?

    Das Problem des Beitrags von Frau Gröschner, die sich für ihren Stadtteil jetzt so sehr schämt, dass sie nicht mehr sagen mag, dass sie dort wohnt, das Problem von Frau Dröschner ist ihre Selbstgefälligkeit.

  5. Pingback: Antwort an Herrn Germandi von der Firma Profi Partner | Linus-Neumann.de

  6. Also ich selbst wohne in Friedrichshain (seit 12 Jahren zugereist) und kann nur sagen, dass ich sehr froh wäre, wenn diese Autonomen (komplett!) verschwinden würden. Feige, vermummt und zerstörerisch, dazu gewalttätig und ohne jegliche Ziele.
    Auf alle Fälle bin ich sehr froh, dass Leute wie Herr Germandi solche Gebiete sanieren und verschönern, auch wenn das zu Lasten der Mieten geht.
    Aber wer hat schon Lust in einem verranzten Kiez zu leben. Vielleicht Sie, Herr Neumann?! Sie wirken auch auf mich wie der typische Autonome (nicht nur optisch, sondern auch untermauert von ihren Aussagen). Indirekt schützen Sie ja auch Hooligans und Randalierer wie Sie selbst in Ihrem Blog http://www.linus-neumann.de/2009/11/08/kameras-bei-freiheit-statt-angstsynchronisiert schreiben.
    Dazu diese wirklich dämlichen Aussagen und Kommentare wie: Verdrängungsalltag in Friedrichshain / Prügelnde Polizisten auf der Freiheit statt Angst-Demo / etc…
    Ein Frage an Herrn Neumann: Wer soll denn eigentlich unsere Stadt sanieren…niemand? Soe wie damals in der guten alten DDR?
    Gruss
    Frank J. Schmidt

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