Mit einer ungewöhnlichen Aktion hat eine kleine Gruppe von Bewohner/innen auf die stete Aufwertung und Verdrängung im Frankfurter Stadtteil Nordend aufmerksam gemacht. Mit Grablichtern und Blumenkränzen wurde der „Tod des Stadtteils“ beklagt. In der Frankfurter Rundschau gab es einen kleinenBericht zu der Protestaktion: Ausverkauf eines Stadtviertels.
Stille Trauer im Nordend. Der Tod des Stadtteils wird beklagt. Er ist der schleichenden Gentrifizierung zum Opfer gefallen. So ist es zumindest auf den mehr als 50 Mahnmalen zu lesen, die in der Nacht auf Donnerstag zwischen Friedberger Landstraße und Oederweg zusammen mit Grablichtern und Blumenkränzen aufgestellt wurden.
Hintergrund des Protestes ist der wachsende Druck auf die Mieterschaft im Gebiet. Einer der Mitorganisatoren erklärt:
„Schon lange werden im Nordend Mieter gezwungen immer höhere Mieten zu zahlen“, sagt Mitorganisator Félix Dufour. Das gehe solange, „bis sie schließlich aufgeben und die Wohnungen freiwillig verlassen“. Immer mehr Immobilienfirmen schwirrten im Nordend umher und unterbreiteten den Bewohnern „unmoralische Kaufangebote“.
Um Wohnungen für Modernisierungsmaßnahmen und Umwandlungen in Eigentumswohnungen frei zu bekommen, verfolgen Immobilienfirmen das auch anderenorts beliebte Spiel von Mieterhöhungen und Androhung von Luxusmodernisierung auf der einen und Abfindungsangeboten für den Auszug auf der anderen Seite.
Das Problem der Aufwertung und Verdrängung in Nordend ist seit längerem bekannt und wurde vor einem gutem Jahr auf dem Ortsbeirat diskutiert (Bürgerforum: Sozialer Wandel im Nordend). Umso unverständlicher, dass eine Erhaltungssatzungsverordnung (in deren Rahmen Umwandungen deutlich erschwert werden könnten) bis heute nicht erlassen wurde. Die Organisator/innen ders Trauer-Protestes sehen die Gründe dafür in der Zusammensetzung des Ortsbeirates selbst:
Die ehemaligen Linken, die sich früher für das Nordend einsetzten, hätten sich zum größten Teil mit der Situation abgefunden, vermutet Dufour, „oder sie haben inzwischen selbst Eigentumswohnungen“. Zu sehen sei dies auch daran, dass es nach wie vor keinen Milieuschutz für das Nordend , eine baurechtliche Ordnung zum Erhalt der sozialen Vielfalt in Stadtvierteln gebe. Bislang hat sich im zuständigen Ortsbeirat 3 keine Mehrheit für entsprechenden Antrag gefunden.
Wie die FR berichtet wollen die Aktivist/innen mit ihren Aktionen nicht nur die Nachbar/innen mobilisieren, sondern einen neuen Anlauf für den Beschluss einer Erhaltungssatzung wagen.
Eine gelungene und kreative Protestaktion, die hohe Wellen schlagen muss. Letzten Endes wäre es schön, wenn dadurch der Druck auf die Vertreter im Ortsbeirat erhöht und Verordnungen zum Schutze der Heterogenität verabschiedet würden. Aber dazu reicht ein kleiner Bericht in der Frankfurter Rundschau wohl kaum aus.
Die Berichterstattung in der „Frankfurter Rundschau“ ist oft alles andere als journalistisch sauber und neutral. Der Autor, Mathias Arning, (bis vor kurzem Chef der Lokalredaktion) ist jetzt (seit Nov. 2010) Pressesprecher der Oberbürgermeisterin Roth (CDU). Die Rundschau berichtet in ihrem Lokalteil seit Jahren tendenziös gegen die SPD und Die LINKE (seit dem diese im Stadtparlament sind) und ist auffällig unkritisch gegenüber den GRÜNEN (die in Ffm mit der CDU regieren) und der Oberbürgermeisterin.
Der Ortsbeirats-Antrag zu einem Milieuschutz kam von der SPD (2007). Das kann man auch im Internet unter http://www.frankfurt.de unter PARLIS nachlesen: OF 321 (2007) woraus der Ortsbeiratsantrag OA 946 (2009) wurde. Die Antwort des Magistrats findet sich im Papier B 73 (2010).
Im Ortsbeirat 3 (Nordend) sitzt übrigens eine Mehrheit aus CDU und Grünen.
Als Bewohnerin des Viertels finde ich die Aktion hervorragend, mein Kompliment den Initiatoren.
Es wird aber auf Dauer wenig nützen, ab und an die Presse zu bemühen oder sich in kleinen Gruppen dagegen zu formieren, wenn die Politik keinen Einhalt gebietet. Ich kenne das Thema aus der Schweiz und kann da nur auf das Beispiel Zürich/Seefeld verweisen.
Nachdem das Quartier den Sanierungen zum Opfer gefallen ist, versucht die Politik leider etwas zu spät die Schäden zu begrenzen.
Hoffen wir, dass es „unserem“ Nordend nicht auch so ergeht.