Berlin: Nur die Lage zählt

Am Wochenende war ich zur Klausur der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus geladen und durfte gemeinsam mit den anderen externen Referenten Sigmar Gude (Stadtplaner bei topos), Thomas Knorr-Siedow (Stadtplaner an der TU Cottbus) , Rainer Tietzsch (Rechtsanwalt und Experte für Städtebaurecht) sowie Reiner Wild (Berliner Mieterverein) den regierenden Genossen wohnungspolitisch auf die Sprünge helfen.

In meinem Beitrag habe ich mich auf die Mietentwicklungsdynamiken in Berlin konzentriert und versucht, wesentliche Faktoren der Mietpreisbildung herauszuarbeiten. Insbesondere für die Suche nach wirkungsvollen Strategien gegen steigende Mieten und sozialräumliche Spaltungen ist es zentral die Funktionen des Mietwohnungsmarktes zu kennen.

Auf der Basis vorliegender Wohnungsmarktstudien konnte ich drei Punkte herausstellen:

  • die höchsten Stiegerungsraten im Bestandsmietenbereich sind in den preiswertesten Beständen zu verzeichnen
  • Neuvermietungsmieten deutlich über den Mietspiegelmittelwerten
  • die kleinräumige Lage der Wohnung hat einen höheren Einfluss als Baualter und Ausstattung auf den Mietpreis.

Mietsteigerungen im Bestand

Die Mietspiegeldaten der vergangenen Jahre zeigen es deutlich – die höchsten Steigerungen der Mittelwerte sind in den preiswerten Beständen zu finden. Während sich die Zahl der preiswertesten Substandardwohnungen (ohne moderne Heizungsanlage oder Bad) durch Modernisierungsaktivitäten beständig verringert, sind die Wohnungsmieten in den Baualterklassen des mittleren Marktsegmentes zwischen 2005 und 2009 um fast 10 Prozent gestiegen. Diese Steigerungen liegen deutlich über der durchschnittlichen Steigerung der Mietspiegelmittelwerte um ca. 5 Prozent.

Bemerkenswert an der Berliner Mietstruktur (im Mietspiegel) ist der große Anteil eines mittleren Preissegmentes. Etwa 80 Prozent der Wohnungen weisen laut Mietspiegel Preise zwischen 4,72 und 4,85 Euro/qm aus. Die Spannendifferenz der verschiedenen Baualterklassen liegt in diesem Bereich bei lediglich 0,58 Euro/qm. Ein Niedigpreissegment (Substandardwohnungen mit Mieten zwischen 3,10 und 3,23 Euro/qm) haben mit etwa 10 Prozent nur noch einen geringen Einfluß auf die Wohnungsversorgung. Auch Baualtergruppen eines hohen Preissegmentes (6,42 – 6,90 Euro/qm) haben mit ca. 7 Prozent des Mietwohungsbestandes bisher nur eine geringe Relevanz für den Berliner Wohnungsmarkt.

Von den überdurchschnittlich hohen Mietsteigerungen im Bereich des mittleren Preissegmentes sind die Mehrzahl der Berliner Miethaushalte betroffen.  In Sozialstudien wurde vielfach gezeigt, dass insbesondere für ökonomisch benachteiligte Haushalte die Mietbelastung schon jetzt bei über 40 Prozent liegt – weitere Mietsteigerungen führen dort zu gravierenden Einschränkungen in anderen Lebensbereichen.

Hohe Neuvermietungsmieten

Im Mietspiegel werden jeweils die Mietvertragsabschlüsse der letzten drei Jahre erfasst – Angebotsmieten (aktueller Mietgebote) zeigen an, wohin die Reise der Wohungsmieten gehen wird. Eine Marktanalyse des Immobilienverbandes IVD (2009) und der Wohnungsmarktreport von Jones Lang LaSalle (2008) haben durchschnittliche Neuvermietungsmieten von 5,80 bzw. 5,96 Euro/qm festgestellt. Die Neuvermietungspreise liegen damit mehr als 20 Prozent über den durchschnittlichen Bestandsmieten des Mietspiegels (4,75 Euro/qm).

Insbesondere Haushalte mit geringen Einkommen, haben es dadurch schwerer, eine angemessenen Wohnung zu finden. Langfristig gehen höhere Neuvermietungabschlüsse in kommende Mietspiegelerhebungen ein und werden so zu einer weiteren Steigerung der Mietspiegelwerte beitragen und dadurch Mietsteigerungen im Bestand rechtfertigen.

Im Vergleich zu den relativ geringen Spannedifferenzierungen des Mietspiegelbestandes weisen die Neuvermietungsmieten sehr hohe Differenzen auf.

Einflussfaktoren der Mietpreisbildung

Auf Grundlage der verschiedenen Marktanalysen habe ich versucht, die Einflussfaktoren der Mietpreisbildung zu berechnen.  In den unterschiedlichen Datensammlungen habe ich jeweils verglichen, wie sich Standarddifferenzierungen, Baualterklassen und Lagezuordnung (einfache, mittlere, gute Lage) auf die Mietpreise auswirken. Zusätzlich habe ich Mietpreisunterschiede zwischen verschiedenen Bezirken und Postleitzahlbereichen erfasst. Das Ergebnis zeigt, das der geographische Ort einer Wohnung einen höheren Einfluss auf den Mietpreis hat, als etwa die Ausstattung oder das Baualter.

Mietpreisspannen verschiedener Preisbildungskriterien

Lagedifferenzierung:                      ca. 1,20 €/qm

Standarddifferenzierungen:          ca. 1,60 €/qm

Bezirkliche Differenzierung:        ca. 2,40 €/qm

Baualterdifferenzierungen:           ca. 2,80 €/qm

Kleinräumige Differenzierung:    ca. 4,85 €/qm

Der ‚richtige‘ Postleitzahlbereich hat demnach einen höheren Einfluss auf den Mietpreis als beispielsweise die Ausstattung oder das Baualter eines Hauses. Eigentümer/innen dürfen sich freuen – ganz unabhängig vom tatsächlichen Zustand der Wohnungen können über Lagekriterien höhere Mieten realisiert werden. Bezogen auf die Gentrificationprozesse zeigt die kleine Berechnung deutlich, dass symbolische Aufwertungen und die Konstitution neuer Images von Stadtteilen tatsächlich eine Strategie sein könnten, auch die wohnungswirtschaftlichen Gewinne in diesen Gebieten zu steigern.

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