Kreuzberg: Ende der Nischen

Gerade erst wurde eine Studie über die großflächigen Mietsteigerungen und kleinräumigen Aufwertungstendenzen in Kreuzberg veröffentlicht, nun drängt sich die Realität der Aufwertung ins Rampenlicht. Einer der letzten Nischen des preiswerten Wohnens in Kreuzberg droht die Zwangsversteigerung. Die Bewohner/innen der Reichenberger Straße 114 befürchten die Kündigung ihrer bisherigen Nutzungsverträge und eine Vertreibung aus dem Haus. Die Zwangsversteigerung findet am am 14.10.2008 um 9:00 Uhr im Saal I/144 in der Möckernstraße 130 statt.

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Die Mieter der Fabriketagen haben Verträge, die Anfang beziehungsweise Mitte der 90er Jahre mit dem damaligen Vermieter abgeschlossen wurden. Eine Partei hat einen Gewerbemietvertrag, der Rest Nutzungsverträge. Die Miete ist mit 50 Euro pro Etage eher symbolisch – allerdings ist das Haus auch in einem sehr schlechten Zustand, und die Miete wurde daher zum Teil mit dem Segen der alten Hausverwaltung gemindert. Seit 1999 ist die Format-Hausverwaltung für das Haus zuständig. Seitdem, so sagen die Bewohner, werde auf Schadensmeldungen prinzipiell nicht reagiert. „Wir müssen alles selber machen, sogar das kaputte Dach haben wir auf eigene Kosten repariert“, erzählt ein Mieter. Das gesamte Haus gehört der „Brauner Eigenheim und Grundstücks KG“, Anteilseigner ist der Filmproduzent Artur Brauner. (Mietermagazin)

Die Firma Format, die das Gebäude im Auftrag der Brauner Eigenheim und Grundstücks KG verwaltet, zeigt zwar keinerlei Initiative, wenn es um Reparaturen geht. Doch ihre Versuche, die Mieter/innen vor die Tür zu setzen und dabei sämtliche Mieterrechte zu ignorieren, scheinen durchaus von Format zu sein. Lange haben die Mieter/innen versucht, den Streit gütig zu regeln. Erst als die Hausverwaltung darauf nicht einging und der Streit eskalierte, gingen sie Ende November an die Öffentlichkeit und listeten die Maßnahmen auf, mit denen sie vertrieben werden sollen. Zum 01.02.2005 wurden die Wohnungen in der ersten und dritten Etage des zweiten Hinterhauses gekündigt. Doch die Kündigungen erlangten keine Rechtswirksamkeit, weil die Personen gegen die die Kündigungen ausgesprochen wurden, schon lange nicht mehr im Haus wohnten. Ende Mai wurden dann sämtliche Mieter/innen von der Hausverwaltung schriftlich aufgefordert, ihre Wohnungen zum 01.06.2005 zu verlassen. Die Mieter/innen reagierten darauf ebenfalls nicht. „Die Kündigungsschreiben waren so verfasst, als gäbe es gar kein Mietrecht. Außerdem haben nicht mal alle Etagen das Schreiben zugestellt bekommen“, erklärte eine Bewohnerin.

Am 20.09.2005 wurde die Wasserversorgung für das zweite Hinterhaus unterbrochen. Die Leitung war an einer Stelle angeschnitten, sodass das Wasser in den Keller lief. Die Mieter/innen hatten die defekte Wasserleitung sogleich auf eigene Kosten repariert. Damit hatten sie bekanntlich Erfahrung.

Am 21.11.2005 hatte die Hausverwaltung angekündigt, die Mieter/innen aus ihren Wohnungen zu werfen. Die Presse wurde informiert, doch der angekündigte Besuch blieb aus. Nach ihren Erfahrungen der letzten Monate sind die Mieter/innen allerdings sicher, dass der nächste Vorstoß von Format nicht lange auf sich warten lassen dürfte. „Mich erinnert das Gebaren dieser Firma an üble Entmietungsaktionen wie sie in den 1980er Jahren in Berlin bekannt waren“, erklärt der auf Mietfragen spezialisierte Berliner Rechtsanwalt Moritz Heusinger. Gegenüber dem MieterEcho bezeichnet er das Verhalten der Hausverwaltung als juristisch völlig unhaltbar. Obwohl es nachweislich Verträge für einen Großteil der Wohnungen in dem Haus gibt, tut die Verwaltung so, als existierten diese Verträge nicht. (MieterEcho)

Die nun angekündigte Zwangsversteigerung wird die bisherigen Entmietungsversuche nicht beenden, denn es ist kaum anzunehmen, dass sich ein Käufer oder eine Käuferin findet, der oder die sich auf die bestehenden Nutzungsbedingungen einlassen wird. Dass die Reichenberger Str. 114 in unmittelbarer Nähe zu den umstrittenen Car-Lofts liegt, wird die Erwartungshaltung der neuen Eigentümer wohl zusätzlich anregen.

2 Gedanken zu „Kreuzberg: Ende der Nischen

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