Nun werden viele der Neuansiedler in Prenzlauer Berg auch noch bei der Morgenlektüre ihrer Lieblingszeitung mit dem Gentrificationvorwurf konfrontiert. Das musste einfach zu Reaktionen führen: Erst fühlt sich eine Journalistin durch den Anruf einer Mitarbeiterin des Sanierungsträgers verunsichert, dann regt sich in den Onlinekommentaren das Klassenbewusstsein der Leserschaft. Ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung zeigt, warum Gentrification noch immer ein umstrittener Begriff ist.
Doch beginnen wir von vorn: Charlotte Frank hat einen ansehnlichen Artikel zur „Vertreibung aus dem reichen Herz der Städte“ in der Süddeutschen Zeitung geschrieben und wenig verwunderlich Prenzlauer Berg als eines der Fallbeispiele ausgewählt. Prenzlauer Berg – so haben ihre Recherchen ergeben – ist inzwischen vor allem von jüngeren Bevölkerungsgruppen bewohnt und die Mieten liegen deutlich über den Berliner Durchschnittswerten. Diese Tatsachen allein verwundern noch nicht, dass solche Beobachtungen als Gentrification bezeichnet werden, schon.
„Im Prenzlauer Berg, einst bescheidenes Kleine-Leute-Viertel, ist Berlin sexy, aber alles andere als arm. Die Spuren der Vergangenheit sind verwischt – der Stadtteil wurde „gentrifiziert“. Der Begriff „Gentrifizierung“ stammt aus der Stadtsoziologie und beschreibt die gesellschaftliche Umstrukturierung von Vierteln: Durch Sanierung, Umbau und den Zuzug einkommensstarker Mieter werden sozial schwache Stadtteile aufgewertet. Was die einen als ansehnliche Revitalisierung loben, kritisieren andere als Verdrängung der ärmeren Bevölkerung aus werdenden Szenevierteln.“
Für die oftmals umstrittene und zumindest statistisch schwer darstellbare Verdrängung der früheren Bewohner/innen bietet der Beitrag keine neuen Fakten – dafür aber eine schöne Beschreibung:
„Die Neuen ordern Latte Macchiato und Bio-Eis, Vandenhertz raucht Kette. Die Neuen tragen Röhrenjeans, Vandenhertz ein Blümchenkleid. Sie wohnt seit fast 40 Jahren im Prenzlauer Berg, doch das Viertel ist ihr so fremd wie nie. … Von Vandenhertz‘ alten Freunden und Nachbarn etwa wohnt keiner mehr im Prenzlauer Berg. „Alle vertrieben“, sagt sie, da hätten auch Mieterberatung und Ausgleichswohnungen nicht geholfen.“
Es mag verwundern, dass die simple Beschreibung der Aufwertung in den Ostberliner Sanierungsgebieten immer noch zu emotionalen Reaktionen bei den Betroffenen führt. Nein, nicht bei denen, die Umziehen mussten oder deren Mieten sich verdoppelt haben. Die Rede ist von denen, die diese Veränderungsprozesse in den vergangegen Jahren professionell begleitet haben und eine Mitverantwortung an der Aufwertung tragen. Und genau die sind oftmals ganz persönlich betroffen, wenn irgendjemand behauptet in Prenzlauer Berg wäre ein Gentrificationprozess im Gange. Autsch! Schon wieder das schlimme Wort. Diese persönliche Betroffenheit rührt weniger aus einem sozialen Gewissen, als vielmehr aus der Furcht, den Ruf als behutsame Stadterneuerer zu verlieren. Im Fall des hier besprochenen Artikels ging die Betroffenheit soweit, dass kurz vor der Veröffentlichung die Journalistin von einer langjährigen Mitarbeiterin des Sanierungsbeauftragten auf dem Privathandy angefrufen wurde und diese offensichtlich versuchte, Einfluss auf den Beitrag zu nehmen. Alles sei ganz anders und man müsse das nur richtig einordnen… Naja, die Argumente der Beschwichtigung sind mittlerweile ja auch hinlänglich bekannt. Das Ergebnis dieser Intervention war zumindest eine Verzögerung der Veröffentlichung – die Rechtabteilung der Süddeutschen wollte den Artikel noch mal prüfen, ehe es womöglich Ärger mit betroffenen Stadterneuerern gibt.
Was die Gemüter in Prenzlauer Berg vielleicht ein wenig beruhigte: im Artikel werden auch noch andere Gentrificationgebiete in deutschen Großstädten beschrieben. So sei St. Pauli in Hamburg auf dem Weg vom Rotlichtviertel zum Luxusquartier.
Die Veredelung, die im Prenzlauer Berg fast abgeschlossen ist, ist in St. Pauli in vollem Gang. Das begann ganz klassisch, mit dem Einzug von ein paar Unerschrockenen, die, wie Walter Jung vermutet, das Verruchte am Kiez suchten. „Das war albern, aber zu verkraften“, sagt er. Doch dann, 2001, wurde das Gelände der Bavaria-Brauerei verkauft. Binnen sieben Jahren legten Investoren dort 350 Millionen Euro an, bauten Wohnungen, Büros und ein Sternehotel. Ein Luxusviertel im Rotlichtviertel. „Früher hatten nur die Zuhälter dicke Schlitten, jetzt fährt hier jeder Zweite Mercedes“, sagt Walter Jung. Womit er seine Ansicht über „die da“ für geklärt hält. Nur eines will ihm nicht einleuchten: „Was wollen die hier, nachdem wir früher nie fein genug waren?“
Das Beispiel St. Pauli zeigt auch, wen die Veränderungsprozesse zuerst treffen:
…die Verdrängung in St. Pauli schreitet schnell voran, das zeigen Daten des Statistischen Landesamtes: Während in ganz Hamburg die Zahl der Hartz-IV-Empfänger im Jahr 2006 um 0,1 Prozentpunkte stieg, sank sie im Rotlichtviertel um 0,5 Punkte. „Und das lag nicht daran, dass plötzlich so viele arme Leute reich wurden. Sondern daran, dass viele Arme umziehen mussten“, meint Steffen Jörg vom Stadtteilverein Kölibri.
Ein Wort noch zu der Kommentarfunktion auf der Webseite der Süddeutschen Zeitung. In den ersten zwei Tagen nach Erscheinen des Artikels haben sich mehr als 15 Leser/innen zu Wort gemeldet. Die meisten empfanden die Darstellung „total übertrieben“ und überhaupt, „was gibt es denn für Alternativen?“
So gibt eine AnneKlein, die sich gleich mehrfach in die Kommentardiskussion einbringt, in etwa zu bedenken:
Wo in Berlin früher Mietpreisbindung herrschte, konnte man mitverfolgen, wie die herrlichen Altbauten dem Zerfall preisgegeben wurden.
Diejenigen, die jetzt schreien, dass die Mieten zu hoch werden, sollten sich die Alternative vor Augen führen: der Zerfall wunderschöner Denkmäler. Und dass ein Eigentümer Millionen in das Objekt saniert und dann die Mieten konstant halten kann, ist eine ignorante, ja sogar dumme Auffassung.
Mich erstaunt die Lebensfremdheit dieses Beitrages. Was erwarten Sie? Sollen Eigentümer, die für mehrere Millionen ein Objekt kaufen und es für
einen noch höheren Betrag sanieren, um dann zu Dumpingpreisen zu vermieten? Die niedrigen Mieten solcher Altbauten können nur dann gehalten werden, wenn keine Investitionen getätigt werden. Auch dann ist das Geschrei aber gross.
Auch Rawlin erfreut uns mit einem Klassiker der Aufwertungslegitimation:
Eine Millionenstadt wie Berlin hat wohl noch genügend günstige Stadtteile zu bieten. Außerdem ist es lächerlich, sich über Mieten zu beklagen, die in jeder anderen Großstadt ein Schnäppchen wären.
josky01 bringt es gut auf den Punkt – entscheidend für die Aufwertung und Verdrängung sind letztendlich die Eigentumsverhältnisse:
Sanierung kostet viel Geld, wenn die „Armen“ das bezahlen können, ists ja gut, dann können sie drinbleiben. Merke: wer sich was kauft, dem gehört es!
Interessante Beobachtung am Rande: in den Kommentaren ging es fast ausschließlich um Prenzlauer Berg. Gentrificationbefunde in Hamburg scheinen mit einer kühlen Ignoranz getragen zu werden oder die dortigen Aufwerter/innen lesen andere Zeitungen…
Es ist zwar gut und richtig, Gentrification anzuprangern, aber ja: „Was gibt es denn für Alternativen?“
Es ist also falsch, dass Besserverdienende die Altanwohner verdrängen. Aber ebenso kann es nicht gewollt sein, dass Besserverdienende ärmere Stadtteile meiden, stattdessen in Gated Communities ziehen und so beide Seiten in Ghettos unter sich verbleiben.
Wie sollte es besser laufen?
Die Frage nach den Alternativen stellt sich mir auch.
Ich möchte keinesfalls die Deutung der Realität in Frage stellen – nämlich, dass die Motive der Gentrifizierer von vornherein unlauter und profitorientiert sind.
Dennoch hätte ich gern Infos oder Links zum Thema, wie die Umsetzung eines aufrichtigen „Aufwertungswunsches“ laufen könnte, ohne dass das gleich abkippt in Vertreibung.
Muss ich für sowas erst warten auf den Sozialismus – oder gibt’s dafür vertretungswürdige Ansätze innerhalb des Schlechten?
Die Frage der Alternative stellt sich nur dann nicht, wenn man top-sanierte Altbauten als städtebauliches oder gar gesellschaftliches Ziel ansieht. Am besten unter Denkmalschutz – und allen was heutzutage als „gehobener Standard“ gilt. Klar, dass dann die Mieten steigen und sich Bewohner einfinden, die zum einen diese Mieten zahlen können und zum anderen sich über die schicken Fassaden und Wohnungen einen Distinktionsgewinn versprechen.
Ich komme viel in Europa rum und mir fällt immer wieder auf, dass in ausländischen Grossstädten die Altbaustruktur, bzw. Wohngebäude allgemein, einen erheblich niedrigeren Standard haben. Ohne in den Sozialismus hinabzugleiten- aber das hat auch was mit den politischen Rahmenbedingungen und der Eigentümerstruktur zu tun. Die Kommunalpolitiker wollen schicke Viertel und die Immo-Entwickler und Investoren eine gute Rendite. Eine win-win-Situation zu Lasten der Bewohner und der Städte. Und als Sahnehäubchen gibt es noch die Projekte, mit denen sich der Bürgermeister ein Denkmal setzen will und deren negatives Potential noch grösser ist.
> mir fällt immer wieder auf, dass in
> ausländischen Grossstädten die
> Altbaustruktur, bzw. Wohngebäude
> allgemein, einen erheblich niedrigeren
> Standard haben.
Und findest Du das gut oder erstrebenswert? Ist es richtig, Altbauten vergammeln oder Plattenbauten unverändert auf dem Stand der 50er zu lassen? Ist die Verbesserung solcher Bauten grundsätzlich zum Nachteil der Anwohner?
Muss man Besserverdienenden den Zuzug in billige Stadtteile verbieten? Muss man Studenten daran hindern, günstige Wohnungen anzumieten, weil sie nach dem Studium als Besserverdienende den Stadtteil yuppifizieren?
Wenn ich dieses sehr wütende Blog hier lese, klingt es ganz so: Jede städtebaulich gutgemeinte Veränderung eines Stadtteils führt offenbar grundsätzlich zur Vertreibung der Anwohner und ist damit böse.
Und deshalb vermisse ich weiterhin, dass der Blog-Autor Alternativen oder Positiv-Beispiele nennt.
Besserverdienende ziehen nicht in billige Stadtteile. Billige Stadtteile ziehen Immo-Entwickler an, die das Viertel sanieren und aufwerten, damit Besserverdienende einziehen, bzw. die Eigentumswohnungen kaufen können.
Wenn man das einfach nicht verhindern kann. Muss die Kommune dann wie im Prenzlauer Berg angesichts der Kinderschwemme Schulen bauen, obwohl im Nachbarbezirk noch Platz ist – aber die Eltern die Kinder nicht mit sozial-schwachen und Ausländern in die Klasse schicken wollen?
Oder wenn diese Besserverdienenden ihre Ausbildung und Kontakte nutzen, und sich z.B. für verkehrsberuhigende Massnahmen kämpfen, damit der Verkehr dann durch die Bezirke der Bürger rollte, die sich nicht so einfach wehren können.
Oder wenn die Neu-Bewohner nach ein paar Jahren ruhiger geworden sind und die vorher geliebte Kneipen-Szene mit Umwelt und Lärmauflagen weg haben wollen.
Oder wenn in 10 Jahren die Kinder gross sind und innerhalb weniger Jahre aus dem hippen Stadtteil ein Problembezirk mit Leerständen wird – und die Kommune wieder Fördergelde rlocker machen muss, um mit Immo-Entwicklern ein neues „Wohnkonzept“ zu erarbeiten.
Fehlender soziale Durchmischung – in die eine oder andere Richtung – ist einfach teuer für den Steuerzahler.
> Besserverdienende ziehen nicht in billige
> Stadtteile.
Studenten aber schon. Und der Blog-Autor erwähnt hier im Blog, dass Studenten-Zuzug quasi unweigerlich Gentrification verursacht, die schlussendlich zur Verdrängung der bisherigen Einwohner führt.
> Fehlende soziale Durchmischung
Auch Du schreibst nicht, wie man die „richtige“ soziale Durchmischung erreichen kann. Oder was die richtige soziale Durchmischung denn ist.
Willst du jetzt ein stadtsoziologisches Grundseminar haben? Es gibt keine „richtige“ soziale Durchmischung aber eben „fehlende“. Der Weg ins „Ghetto“ ist unterschiedlich. In jedem Fall spielt die Städtebaupolitik und der Umgang mit Eigentünern/Investoren eine Rolle. Wie man eine „gesunde“ Wohnstruktur in der Stadt erreichen kann, dafür gibt es soviel Lösungen wie es Stadtviertel gibt – auf jeden Fall nur in Zusammenarbeit mit den Bewohnern. Jedoch Beispiele für die falsche Weichenstellung gibt es genügend. Von den Beton-Neubauviertel der 70er-80er Jahre bis zu den luxussanierten Altbauviertel der 90er-00er Jahre.
Es geht weniger um den Zuzug, als um die Anreize, die die Kommunen setzen. Ob es für Investoren ist, in der Verkehrsplanung, in der Planung von öffentlichen Gebäuden, Grünflächen und Freizeiteinrichtungen, im Bebauungsplan. Man sollte sich von dem Gedanken, dass sich eine Stadt oder ein Stadtteil natürlich entwickelt verabschieden. Veränderungen sind immer das Ergebnis von Anreizen und Entscheidungen der Politik.
Daher ist Gentrification kein Kampfbegriff, sondern beschreibt Auswirkungen von Entscheidungen. Und daher gibt es immer auch Alternativen – wie bei allen Entscheidungen.
> Willst du jetzt ein stadtsoziologisches
> Grundseminar haben?
Gern. Ist nicht mein Fachgebiet.
> Willst du jetzt ein stadtsoziologisches
> Grundseminar haben?
Nein.
Bzw. : Nicht unbedingt.
Das ist vielleicht nicht Aufgabe dieses Blogs.
Aber die Links zum Grundseminar und den Alternativen hätte ich schon gern.
Wobei ich „Alternativen“ ein unpassendes Wort finde, da es immer ein Stück vermittelt, das andere sei EIN gangbarer Weg.
„Alternativen zur Atomkraft“.
Vermittelt halt unterschwellig: mensch könnte anderes, könnte aber genauso auch weiter Atomkraft nutzen.
Blabla.
Nein, wirklich: ein paar Hinweise zum goldenen Weg, wie angenehmes Wohnen organisiert werden kann (denn leider bin ich inzwischen zur Ansicht gelangt, dass es mit einem „Enteignet die Besitzer, Wohnraum für alle und zwar umsonst“ nicht getan ist, da die Menscha (auch die Nichtbesitzer) dafür zu rücksichtslos sind) ohne dass daraus Vertreibung wird täten mir gut.
> Willst du jetzt ein stadtsoziologisches
> Grundseminar haben?
Damit hast Du mir schön gesagt, dass ich keine Ahnung vom Fach habe…
> dafür gibt es soviel Lösungen
> wie es Stadtviertel gibt
…aber der Frage nach Positivbeispielen bist Du damit ausgewichen.
Also – welche Stadtteile haben den geforderten richtigen Mix (und nochmal – was ist der „richtige Mix“ und wer definiert ihn?) ohne JEGLICHE Verdrängung der vorherigen Bevölkerung erreicht?
Mir ist egal, ob sich dieser Stadtteil in Deutschland oder weltweit, heute oder in der Vergangenheit befindet. Konkrete Positivbeispiele, bitte. Die Welt ist groß genug, dass es diese geben muss.
In diesem Blog und in der Diskussion um Gentrification werden bisher immer nur die Negativbeispiele herausgestellt.
JEDE Änderung, die direkt oder indirekt Folge einer Verbesserung der Lebenssituation in einem Stadtteil ist, wird als unweigerlicher Weg zur Gentrification und damit als böse gebrandmarkt. Zumindest verstehe ich den Tonfall des Blogautors so.
Studenten und Künstler entdecken den Stadtteil wegen seiner billigen Mieten? „Kaffeebars und Boutiquen kommen! Gentrification!“
Häuser werden renoviert? „Mieten steigen! Gentrification!“
Studenten verbleiben nach Abschluss trotz ihres höheren Einkommens im Stadtteil und gründen Familien? „Spießertum macht sich breit! Gentrification!“
Wer so wohlfeil kritisieren kann, müsste es also besser wissen. Wo sind die Gegenvorschläge?
Wenn sämtliche Folgen der „Aufwertung“ eines Stadtteils grundsätzlich etwas böses sind, heißt das, dass entweder die vorherige Situation besser war. Was eine gewisse Romantisierung sozialen Elends beinhaltet.
Oder es heißt, dass städtebauliche Verbesserung ohne Gentrification möglich sein kann. Wie? Von solchen Positivbeispielen würde ich gerne mehr erfahren.
[quote]Damit hast Du mir schön gesagt, dass ich keine Ahnung vom Fach habe…[/quote]
Das sollte nicht so rüberkommen.
Ich bin Soziologe, jedoch kein expeziter Spezialist für Stadtsoziologie oder Gentrifikation. Ich hätte gehofft, der Blogautor würde in den Kommentaren mit diskutieren. So bleibt das Blog ein reines Ego-Medium des medienmässig einigermassen bekannten Andrej Holm. Es gibt nicht mal ein E-Mail-Adresse. Nicht besser als die etablierten Medien.
Noch einmal zum Thema: Mir fallen auch in Berlin positive Beispiele ein. In den 80er Jahren gab es in West-Berlin gross angelegte Sanierungsprojekte. Heute fast undenkbar – ein grosser Teil der Altbauten in Kreuzberg, Wedding oder Neukölln waren ohne Bäder, WC halbe Treppe tiefer und Ofenheizung. Der Unterschied zwischen diesen Sanierungsprogrammen und dem nach der Wende im Osten der Stadt war nach meiner Ansicht, dass in Kreuzberg die Bewohner mit eingebunden worden sind. Die Bewohner konnten mit entscheiden, welchen Wohnstandard sie sich leisten wollen und können. Stattdessen ist z.B. im Prenzlauer Berg vieles den Investoren überlassen worden. Da ging es primär um steuerrechtlich motivierte, aber strukturell unsinnige Abschreibungsprojekte. Die den Anlegern versprochene Rendite konnte nur durch Luxussanierung ereicht werden – wenn überhaupt…
Das Konzept der „Gentrifikation“ sehe ich kritisch, da es zu oft als ideologisches Argument eingesetzt wird. Wichtiger wäre der Blick auf die Folgen. Eine zunehmende soziale Segmentierung des Wohnraums Stadt erzeugt gesellschaftliche und finanzielle Belastungen. Gewinner sind in vielfältiger Weise die „Besserverdienenden“: Sie können ihre Interessen im Wohnumfeld zu Lasten der Allgemeinheit wirkungsvoller durchsetzen und als Investoren in Wohnraum profitieren sie von staatlichen Förderprogrammen und Vorteilen im Steuerrecht. Damit wird soziale Ungleichheit sprichwörtlich in Beton gegossen. Das kann nicht im Interesse der Gesellschaft sein.
> Ich hätte gehofft, der Blogautor würde in
> den Kommentaren mit diskutieren.
Tja, ich auch. Bisher bin ich überrascht über die doch extrem einseitige, wütende Darstellungsweise dieses Blogs und dass Gegenentwürfe vollständig fehlen.
Wenn man die Blogbeiträge hier liest, bleibt mir nur die Aussage hängen: Alles doof; jede Entwicklung böse; Alternativen, ha!, Alternativen müssen wir gar nicht erst diskutieren, denn wer danach fragt, der verharmlost das Problem!
> Noch einmal zum Thema: Mir fallen auch in
> Berlin positive Beispiele ein.
Diese sind soweit ich das weiß heute Beispiele für gentrifizierte Stadtteile. Damit hat das, was Du als positiv beschreibst, auch nur den Boden bereitet für die Entwicklung, die der Blog-Autor geißelt.
Also wieder: Alles doof.
Pingback: Die positiven Seiten der Aufwertung « Gentrification Blog
Berlin ist, wenn es um aktuelle Entwicklungen bei der Gentrifikation geht, beispielhaft, aber bei den langfristigen Folgen von Massnahmen nur begrenzt aussagekräftig. Nach der Wende, in den 90er Jahren hat sich in Berlin ein Grossteil der Bevölkerung ausgetauscht. Keine andere Grossstadt hatte nach dem 2. Weltkrieg eine so massive Flukatuation in so kurzer Zeit. Die Gründe waren vielfältig, sicher auch politisch-städtebaulich motiviert, aber nach meiner Meinung in erster Linie durch die Chancen im Umland, die sich erstmals ergaben und durch die veränderte Funktion Berlins, die sich in einem neuen „Stadtgefühl“ niederschlug.
In Reaktion auf eine Mail habe ich den fälschlicherweise formulierten Vorwurf, „der Sanierungsträger S.T.E.R.N. (habe versucht) einen Artikel zu verhindern“ aus dem Blogbeitrag herausgenommen. Für die unsaubere Formulierung entschuldige ich mich. Richtig ist vielmehr, dass sich die Journalistin durch einen Anruf einer Mitarbeiterin des Sanierungsbeauftragten verunsichert fühlte.
Zitat der Mail:
Sehr geehrter Herr Dr. Holm,
Mit Erstaunen haben wir in Ihrem Blog vom 5.7.2008 gelesen, dass wir versucht
hätten, einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung zu verhindern. Dieser Vorwurf ist
frei erfunden. Wir bitten Sie daher, dies zu belegen oder umgehend in gleicher
öffentlicher Form zu widerrufen,
Mit freundlichen Grüßen
Wichtig ist ,dass soziale Ungleichheiten in solchen von Getrifizierunsprozessen eingeplant werden. Es ist von großer Bedeutung soziale Benachteiligung und Verdrängungsprozesse aufzuhalten. Dies würd nur erreicht, indem man eine sozialräumliche Gliederung vornimmt. Auch wenn dies dem sozialistischen System nicht gerade entspricht, so sind „Getrifikationsprozesse“, die Verdrängung hervorufen aufzuhalten.