Die Immobilienbeilage der Berliner Zeitung (leider nicht online verfügbar) kündigt auf der Titelseite unter der Überschrift „Soziale Kieze“ eine Bilanz von zehn Jahren Quartiersmanagement an. Tatsächlich gibt es auf der Seite 4 ein Interview mit der verantwortlichen Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer.
Das Quartiersmanagement (QM) ist die Berliner Variation des Bund-Länder-Programms „Soziale Stadt“, mit dem seit 1998 in Nachbarschaften mit sogenannten „besonderem Entwicklungsbedarf“ interveniert wird. Ziel ist es die ofmals sozial benachteiligten Gebiete an eine Städtischen Durchschnitt heranzuführen und die Bewohnerschaft zu aktivieren, damit sie sich langfristig selber helfen kann. Neben der grundsätzlichen Kritik, dass solche kleinteiligen und quartiersbezogenen Programme eher an den Symptomen als an den Ursachen städtischer Armut und Ausgrenzung ansetzen, wurde immer wieder befürchtet, dass die Zielorientierung der Programme zu einer Aufwertung und Verdrängung führen kann. Ingeborg Junge-Reyer bestätigt in ihrem Interview gegenüber der Berliner Zeitung diesen Verdacht. Nach Erfolgen gefragt, benennt sie ausgerechnet die Aufwertungsgebiete Helmholtzplatz (Prenzlauer Berg) und Boxhagener Platz (Friedrichshain).
Auszug aus dem Interview:
Frage: Wie lautet die Erfolgsformel?
IJR: Da, wo sich die Situation verbessert hat, etwa am Boxhagener Platz, sind vielschichtige Elemente zusammengekommen. Es wurde im erheblichen Umfang saniert und viel Geld in den öffentlichen Raum, in Parks, Spielplätze, Bürgersteige und Radwege investiert. Und gleichzeitig hat es Unterstützung für Bildung, für Kultur gegeben. Auch auf diese Weise, aber das ist nicht allein der Verdienst des Managements, ist die Lage mitten in der Stadt für Familien mit Kindern attraktiver geworden.
Frage: Die Aufwertung führt jedoch auch zu steigenden Mieten und Anwohner fürchten, aus ihrem angestammten Kiez verdrängt zu werden?
IJR: Ein Quartiersmanagement hat keinen Einfluss auf die Höhe der Mieten bei Neuvermietungen. Aber: Es ist nicht der Fall, dass Menschen aus ihren Wohnungen gedrängt werden. Wir haben in Berlin überall eine hohe Fluktuation, wir haben jedoch auch ein soziales Mietrecht. Gerade in den Sanierungsgebieten, darunter auch der Helmholtzplatz, konnten die Mieten durch den Einsatz von öffentlichen Mitteln bislang begrenzt werden. Deshalb haben wir dort immer noch einen hohen Anteil von Bewohnern, die hier auch schon vor 15 Jahren gelebt haben.
Mein Lieblingszitat gibt die Senatorin auf die Frage, ob und wie sich die Schwerpunkte des Quartiersmanagements im Laufe der Zeit verändern:
IJR: Sobald man sich um die größten städtebaulichen Missstände gekümmert hat, kommt die Frage; Wie können wir erreichen, dass die Menschen bleiben?
Viel besser wäre es jedoch gewesen, sich diese Frage zu stellen, bevor mit den umfangreichen baulichen Aufwertungen begonnen wurde. So bleibt der fade Eindruck, dass Quartiersmanagement in den Ostberliner Sanierungsgebieten nichts anderes war als ein Quality-of-Life-Förderprogramm für die nach der Sanierung Hinzugezogenen. Aus der statistischen Perspektive der sozialen Aufwerung ein voller Erfolg – gemessen an den sozialen Zielen der Armutsbewältigung durch Quartiersintervention mehr als fragwürdig.
Aber wie hält wenn man denn nun die Leute? Musste bei dieser Frage in einem Gespräch heute auch passen.
Gute Frage. Wenn es um wohnungsbezogene Modernisierungsmaßnahmen geht, die sich in steigenden Mieten niederschlagen, dann haben sich Mietregulierungen und Förderprogramme als sinnvoll erwiesen. Zumindest reduzieren sich dadurch die ökonomisch vermittelten Auszugsgründe.
Für die quartiersbezogenen Prozesse sind die Verbesserung der sozialen Infrastruktur, der Bildungsangebote und eine Stärkung bestehender Nachbarschaftsstrukturen sicherlich hilfreich, um die Bindung an die Nachbarschaft zu stärken. In den Diskussionen um das QM in Berlin wurde jedoch deutlich, dass sich viele der konkrten Programme eher an eine umworbene Mittelschicht richteten, statt die Lebensbedingungen für die ärmeren Haushalte zu verbessern.
Soziale Stadtpolitik wird es dabei nicht allen recht machen können – ich plädiere da ja für einen Protagonismus der Ausgegrenzten, also die gezielte Bevorzugung von denen, die ökonomisch ausgegrenzt oder durch verschiedene andere Diskriminierungen von den Versorgungsqualitäten der Stadt ausgeschlossen werden.
Mietregulierungen? Sowas dürfte ja nahezu nur bei kommunalen Trägern möglich sein?!
Die soziale Infrastruktur können meiner Meinung nach nur die Anwohner selbst verbessern. Dort von Außen etwas hineinzu“pressen“ dürfte wenig Erfolg haben (zumindest dann, wenn es nicht mit den Betroffenen abgesprochen ist).
Und was passiert am Ende, wenn die Bedingungen für eine Gruppe verbessert werden? Begehrlichkeiten werden da wohl nicht ausbleiben. Sparen will jeder und wenn die Mittelschicht spitz bekommt, dass gute Wohnungen und ein gutes Umfeld für wenig Geld gibt, dann beginnt das Spiel wieder von vorn. Aber wie gesagt, mir fehlt da eine Menge Wissen zu diesem Thema. Ich kann mir nur nie konkrete Beispiele vorstellen, die wirklich etwas gegen Gentrification tun und eine halbwegs gerechte Lösung darstellen.
Hallo Olaf,
Mietregulierungen sind in vielfältiger Varianz denkbar. Zum einen gibt es Regulationen über das Mietrecht (z.B. Begrenzung der Modernisierungsumlagen oder der Mietsteigerungen im Bestand), festgelegte Mietentwicklungen gab es auch in den Beständen des Sozialen Wohnungsbaus und Mietobergrenzen in förmlich festgelegten Sanierungsgebieten. Bis in die 1980er Jahre gab es in Westberlin sogar so etwas wie eine allgemeine Mietpreisbindung.
Kurzum, die rechtlichen Möglichkeiten zur Mietpreisregulation unterliegen politischen Konjunkturen. Die gute Nachricht dabei: Miet- und Wohnungspolitik ist veränderbar.
Deine Suche nach den gelungenen Beispielen einer langfristigen Anti-Gentrification-Entwicklung muss ich leider enttäuschen. Es gibt zwar Beispiele für Verzögerungen und die Eindämmung von Verdängungsprozessen – einen richtigen Schutz wird es in marktförmig organisierten Wohnungsversorgungssystemen nicht geben. Dabei verhält es sich etwa wie auf der Suche nach den „sozial gerechten Ausbeutungsverhältnissen“ – Kapitalismus hat da nicht wirklich viel zu bieten… Letztlich ist also für die Vorstellung einer gentrificationfreien Stadtentwicklungen vor allem deine/unsere utopische Phantasie gefragt.