Berlin: Öffentlich finanzierte Verdrängung

Die Sanierungsgebiete in der Ostberliner Innenstadt stehen kurz vor der Aufhebung – in einige wurden die Sanierungssatzungen bereits aufgehoben. Mit einem ‚Durchführungsstand‘ der baulichen Erneuerungsarbeiten von etwa 70 Prozent  fällt die Bilanz der Senatsverwaltung positiv aus – die städtebaulichen Ziele seien damit erreicht worden. Die sozialen Ziele hingegen, die sich zu Beginn der Stadterneuerung an einem „Erhalt der Sozialstruktur“ in den Gebieten orientierten, wurden elementar verfehlt.

Am Beispiel der Sanierungsgebiete in Prenzlauer Berg muss eine ernüchternde Bilanz der Stadterneuerung gezogen werden. Abschließende Sozialstudien am Kollwitzplatz und in der Winsstraße zeigen: nur etwa 20 Prozent der früheren Bewohner/innen leben noch in den Gebieten, die Mieten liegen auf überdurchschnittlichen Niveau und die ehemals heterogenen Nachbarschaften wurden durch homogenen Mittelklassemilieus ersetzt.

In Diskussionen zu diesen Entwicklungen wird oft behauptet, solche Aufwertungen seien ’natürliche‘ Prozesse der Stadtentwicklung, die gar nicht zu vermeiden sind. Ein Blick auf die speziellen ökonomischen Rahmenbedingungen in den Sanierungsgebieten zeigt jedoch, dass die Aufwertungsprozesse wesentlich durch öffentliche Förderungen und Investitionsanreize ausgelöst und angetrieben wurden. Insgesamt flossen seit Anfang der 1990er Jahre mehr als 1 Mrd. Euro in die Sanierungsgebiete von Prenzlauer Berg. Bei einem solchen Mitteleinsatz wären auch andere soziale Effekte denkbar gewesen.

Stadterneuerung als öffentlich finanzierte Verdrängung

von Andrej Holm

Anfang der 1990er Jahre wurden große Gebiete der Ostberliner Innenstadt als Sanierungsgebiete förmlich festgelegt um die dortigen Mängel an der Bausubstanz zu beheben. Allein in Prenzlauer Berg wurden fünf Gebiete mit insgesamt über 30.000 Wohnungen unter die städtebaurechtlichen Sonderregelungen von Sanierungssatzungen gestellt. Den Grundsätzen der ‚behutsamen Stadterneuerung‘ verpflichtet, wurde auch der „Erhalt der Zusammensetzung der Sozialstruktur“ als Sanierungsziel aufgenommen. Während die baulichen Erneuerungsziele weitgehend erreicht wurden, sind die sozialen Ansprüche der Stadterneuerung in Ostberlin gescheitert. Abschließende Sozialstudien in den Sanierungsgebieten bestätigen das.

Sanierung und Verdrängung

Bereits 2009 wurde die Sozialstudie für das Sanierungsgebiet Kollwitzplatz veröffentlicht. Vom Büro für Stadtplanung, -forschung und -erneuerung (PFE) erstellt, gibt diese Studie Auskunft über wesentliche Entwicklungen der Sozialstruktur seit Beginn der Erneuerungsaktivitäten. Die vormals gemischte Nachbarschaft des Kollwitzplatzgebietes wurde in 15 Jahren Stadterneuerung durch ein sozial weitgehend homogenes Milieu abgelöst. Die statistischen Indizien für Verdrängung und Aufwertung wurden in den öffentlichen Diskussionen als Kollwitzplatz-Effekt kleingeredet und eine Übertragbarkeit auf andere Sanierungsgebiete bezweifelt. Jetzt liegen die Zahlen für das Sanierungsgebiet Winsstraße von (argus 2010) und bestätigen die Trends vom Kollwitzplatz. An ausgewählten statistischen Daten können die Besonderheiten der neuen Nachbarschaften in den Sanierungsgebieten beschrieben werden.

Auffallend ist die Dominanz der Altersgruppen von jüngeren Erwachsenen (18 bis 45 jährige), die mit etwa 65 Prozent die Alterstrukturen im Gebiet prägen. Der Berliner Vergleichswert dieser Altersgruppe liegt bei 28 Prozent. Auch im Sanierungsgebiet Winsstraße stellen die ‚jungen Erwachsenen‘ mit 54 Prozent den größten Anteil der Bevölkerung. In Folge selektiver Fort- und Zuzüge hat sich insbesondere die Anzahl und der Anteil von Rentner/innen, Kindern und Jugendlichen verringert. Trotz der steigenden Geburtenzahlen – im Feuilleton als Babyboom in Prenzlauer Berg gefeiert – liegt der Anteil von Haushalten mit Kindern (unter 15 Jahren) am Kollwitzplatz mit 23 Prozent immer noch deutlich unter den Werten von Anfang der 1990er Jahre (1992: 34 Prozent). In der Winsstraße erreicht der Anteil von Haushalten mit Kindern mit 34 Prozent inzwischen wieder den Stand von Anfang der 1990er Jahre.

Gravierende Veränderungen sind auch im Bereich des Bildungsstatus der Bewohnerschaft zu verzeichnen. Der Anteil von Akademiker/innen (Hochschul- und Fachhochschulabschlüsse) und Studierenden unter den über 18jährigen hat sich am Kollwitzplatz auf 66 Prozent erhöht. Im Sanierungsgebiet Winsstraße beträgt dieser Anteil sogar fast 77 Prozent (1992: 17,5 Prozent). Auffallend in diesem Zusammenhang ist der zeitliche Verlauf dieser Veränderungen: der bildungsstrukturelle Statussprung hat sich im Wesentlichen in den 1990er Jahren vollzogen. In der Kollwitzplatzstudie heißt es:

„Seit 2002 hat sich das Bildungsprofil des Sanierungsgebietes nicht wesentlich geändert – obwohl über 50% der Befragten erst danach in das Sanierungsgebiet gezogen sind. Dies als Indiz dafür zu werten, dass die seitdem stattgefundenen Fluktuationsprozesse seitdem offenbar im Wesentlichen innerhalb ähnlich strukturierter Gruppen mit ähnlichen Bildungsbiographien stattfinden.“ (PFE 2008: 1)

Invasion der Besserverdienende

Konträr zu der zeitlichen Etablierung des neuen Bildungsprofils der Nachbarschaften verlief die Einommensentwicklung in den Sanierungsgebieten. Nach einer schrittweisen Angleichung der durchschnittlichen Haushaltseinkommen an den gesamtstädtischen Durchschnittswert bis zum Jahr 2003, haben sich die Einkommenszahlen der Sanierungsgebiete in den letzten Jahren zu deutlich überdurchschnittliche Werte entwickelt. Lagen die Monatseinkommen der Haushalte 1993 (zu Beginn der Stadterneuerungsaktivitäten) bei etwa 75 Prozent des Berliner Vergleichwertes, stiegen sie bis 2003 auf etwa den Berliner Durchschnitt an und lagen 2007 im Vergleich dazu bei 140 Prozent. Zwischen 1992 und 2007 sind durchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommen am Kollwitzplatz (trotz Verringerung der Haushaltsgröße) von knapp 900 Euro auf über 2.300 Euro gestiegen. Im Sanierungsgebiet Winsstraße wurden sogar noch leicht höhere Werte festgestellt (die auf den etwas größeren Anteil von Haushalten mit zwei und mehr Personen zurückzuführen ist). Die Sanierungsgebiete in Prenzlauer Berg haben sich innerhalb der letzten 20 Jahre von den ärmsten Vierteln der Stadt zu den wohlhabenden Nachbarschaften entwickelt.

Aufwertung der Quartiere und Austausch der Bewohnerschaft

Der beschriebene Wandel der Sozialstrukturen in den Sanierungsgebieten von Prenzlauer Berg kann nicht durch sozialen aufstieg der Bestandsbewohner/innen erklärt werden sondern muss auf den massiven Austausch der Bewohnerschaft zurückgeführt werden. Untersuchungen der Wohndauer in der Wohnung bzw. dem Gebiet verweisen auf nur geringe Anteile von Altmieter/innen. Nur ein knappes Viertel der Bewohner/innen am Kollwitzplatz wohnten auch schon vor Beginn der Stadterneuerung im Sanierungsgebiet oder den umliegenden Nachbarschaften. Bezogen auf die Wohnung liegt der Anteil bei nur 15 Prozent. Auch die Entwicklung im Sanierungsgebiet Winsstraße war durch einen massiven Bevölkerungsausstausch geprägt. Hier sind es nur 16 Prozent, die bereits 1990 im Gebiet gewohnt haben und bezogen auf die jetzige Wohnung sogar nur 8 Prozent.

Rückblickend auf den Ausgangspunkt der Stadterneuerung erscheinen die Sanierungsergebnisse als paradox, waren es doch die sozialen Verhältnisse und Veränderungswünsche der damaligen Bewohner/innen, die zur Grundlage und Legitimation der Stadterneuerung herangezogen wurde. Die Gebiete wurden aufgewertet und die einstige Zielgruppe der Stadtentwicklung ist verschwunden. Das Sanierungsziel des „Erhalts der Zusammensetzung der Sozialstruktur“ wurde verfehlt und auch die versprochenen Beteiligungselemente der Stadterneuerung erscheinen angesichts der massiven Austauschprozesse als wenig erfolgreich.

Öffentliche Förderung der Verdrängungsökonomie

Die Ursachen des Bevölkerungsaustausches sind nicht allein auf eine mangelhafte Beratung oder eine inkonsequente Anwendung der sanierungsrechtlichen Instrumente zurückzuführen. Vielmehr müssen die Gründe der Gebietsaufwertung in den ökonomischen Anreizen für die weitgehenden Modernisierungsarbeiten und Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen gesehen werden. Waren es in der Anfangsphase der Sanierung (bis etwa 1996) vor allem Fördermittel für Modernisierungsarbeiten im Rahmen des Programms „Soziale Stadterneuerung“, die einen hohen Ausstattungstandard der Modernisierungsarbeiten begründeten, waren es in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre die enormen Abschreibungsmöglichkeiten im Rahmen der Sonder-AfA. Losgelöst von damals realisierbaren Mieterwartungen wurden zum Zwecke der Abschreibung möglichst umfangreiche Modernisierungsarbeiten durchgeführt, die sich heute als hohe Ausstattung in steigenden Mietpreisen niederschlagen. Nach dem Ende der Abschreibungsmöglichkeiten dominierten Umwandlungsmodernisierungen, deren Geschäftsmodell für Investor/innen darin besteht, etwa die Hälfte der Wohnungen in den Sanierungsobjekten bereits vor Beginn der Bauarbeiten an Erwerber von Eigentumswohnungen zu verkaufen. Die mit der Sanierungssatzung verbundene Abschreibungsmöglichkeiten (nach § 7h EStG) werden dabei teilweise (als Kaufanreiz) an die Käufer/innen der Wohnungen weitergereicht.

Die Geschichte der Stadterneuerung ist also vor allem als eine jahrelange öffentliche Förderung privater Investitionen anzusehen. Zunächst wurden direkte Fördermittel an private Eigentümer/innen gegeben, die so einen hohen Standard realisieren konnten und nach auslaufen der Bindungsfristen (meist 15 bis 20 Jahre) hohe Mieteinnahmen erwarten können. Schon jetzt bieten die mietpreisgebundenen Wohnungen in den Förderhäusern nur eine geringe Entlastung bei der Versorgung einkommensschwacher Haushalte, da die Mietpreise in der Regel über den Bemessungsgrenzen der KdU-Richtlinien für Hartz-IV-Empfänger/innen liegt. Insgesamt wurden im Zeitraum von 1993 bis 2001 über 6.000 Wohnungen im Rahmen umfassender Maßnahmen des Programms „Soziale Stadterneuerung“ mit knapp 400 Mio. Euro direkt gefördert.

Im Rahmen der Sonderabschreibungsbedingungen für Investitionen in Ostdeutschland konnten Sanierungskosten für fast 6.000 Wohnungsmodernisierungen (Durchführungsstand Ende 1999 minus Förderhäuser) komplett abgeschrieben werden. Geschätzter Umfang dieser indirekten Förderung (bei angenommen Sanierungskosten von 1.000 Euro/qm) liegt bei 350 Mio. Euro. Seit 1999 gelten nur noch die ’normalen‘ Abschreibungskonditionen in Sanierungsgebieten von (10 Prozent je Jahr). Mit Stand Ende 2007 wurden für etwa 5.000 Wohnungsmodernisierungen (Erneuerung von 2000 bis 2007) in den Sanierungsgebieten die Entsprechenden Investitionsbescheide erteilt. Diese indirekte Förderung der Stadterneuerung schlägt mit weiteren 400 Mio. Euro zu Buche. Die Gesamtsumme der indirekten steuerlichen Investitionsförderung in den Sanierungsgebieten beläuft sich für den bisherigen Sanierungszeitraum (1993-2007) auf etwa 750 Mio. Euro (Auswertung der Stadterneuerungsberichte 22 bis 26). Insgesamt wurde der weitgehende Austausch der Bevölkerung in den Sanierungsgebieten von Prenzlauer Berg demnach mit öffentliche Gelder in der Höhe von über 1 Mrd. Euro mitfinanziert.

Sanierungseffekt Eigentumswohnungen

Die aktuellen Entwicklungen in den Sanierungsgebieten zeigen, dass die öffentlichen Investitionen der vergangenen Jahre einen sich selbst tragenden Prozess der immobilienwirtschaftlichen Verwertung angeschoben haben. Dort wo sich lagebedingt auch ohne zusätzliche Anreize hohe Verkaufspreise realisieren ließen, haben sich Eigentümer/innen durch vorfristige Zahlung der Ausgleichsbeträge (die für die öffentlichen Investitionen an der Infrastruktur in den Sanierungsgebieten von den Eigentümer/innen verlangt wird) von den Auflagen der Sanierungssatzungen freigekauft. Bis Ende 2007 wurden für über 300 Grundstücke vorfristig die Sanierungssatzungen aufgehoben, das sind etwa 18 Prozent aller Grundstücke in den Sanierungsgebieten von Prenzlauer Berg. Vorteil für Umwandlungseigentümer/innen ist die Befreiung der sanierungsrechtlichen Kaufpreisüberprüfung, die Spekulation mit Grundstücken durch eine Verkehrswertbindung verhindern sollte. Der Anteil der vorfristigen Auslösungen aus den Sanierungssatzungen unterscheidet sich zwischen den Sanierungsgebieten in Prenzlauer Berg.

Tabelle 1: Zahlung der Ausgleichsbeträge (Sanierungsgebiete in Prenzl. Berg, 2007)

Quelle: Bezirksamt Pankow und eigene Berechnungen

Die mit Abstand meisten vorzeitigen Ausgleichszahlungen wurden am Kollwitzplatz in Anspruch genommen Über 100 Grundstücke (23 Prozent) wurden dort vor Aufhebung des Sanierungsgebietes aus den Sanierungssatzungen entlassen. Der höchste Anteil an Ausgleichszahlungen ist im Gebiet Teutoburger Platz zu verzeichnen, dort wurden 27 Prozent aller Grundstücke vorzeitig aus den Sanierungssatzungen entlassen. Die anderen Sanierungsgebiete weisen deutlich geringere Anteile vorfristiger Entlassungen aus. Konkrete Zahlen zum Umwandlungsgeschehen in den Sanierungsgebieten liegen nicht vor. Aus den noch ausstehenden Ausgleichszahlungen können jedoch Rückschlüsse auf den wachsenden Anteil von Eigentumswohnungen gezogen werden, da die Bescheide an alle Eigentümer im Gebiet verschickt werden. Übersteigt die Anzahl der Bescheide die Anzahl der Grundstücke, ist dies ein Indiz für eine Aufteilung der Häuser in Einzeleigentum. Differenz zwischen der Anzahl der Bescheide und der Anzahl der Grundstücke in einem Gebiet entspricht der Anzahl von Eigentumswohnungen in diesen Beständen. In den Sanierungsgebieten von Prenzlauer Berg  können über diese Weg über 9.000 Eigentumswohnungen festgestellt werden – das entspricht  etwa 27 Prozent des gesamten Wohnungsbestandes.

Tabelle 2: Ausstehende Ausgleichszahlungen (Sanierungsgebiete Prenzlauer Berg, Stand 2007)

Quelle: Bezirksamt Pankow und eigene Berechnungen

Der Anteil an Eigentumswohnungen variiert zwischen den einzelnen Sanierungsgebiete. Mit jeweils über 30 Prozent nehmen die Gebiete Helmholtzplatz und Winsstraße hierbei eine Spitzenposition ein. Die vergleichsweise geringen Anteile an Eigentumswohnungen in den Gebieten Kollwitzplatz und Teutoburger Platz relativieren sich mit Blick auf die höheren Zahlen bei den bereits aus den Sanierungssatzungen gelösten Grundstücken. Auch dort kann als ein Motiv die von Kaufpreiskontrollen befreite Umwandlung in Eigentumswohnungen gelten. Übertragen wir den Durchschnitt von Eigentumswohnungen je Grundstück der Häuser mit noch ausstehenden Ausgleichszahlungen (siehe Tabelle 2), dann ergibt sich ein anderes Bild. Im Durchschnitt aller Sanierungsgebiet sind bereits über eine Drittel des Wohnungsbestandes in Einzeleigentum aufgeteilt. In den Sanierungsgebieten hat sich im Laufe der vergangenen Jahre eine Eigentumssegment von über 11.000 Wohnungen herausgebildet. Die größte Anzahl von Eigentumswohnungen ist mit über 4.500 umgewandelten und neugebauten Eigentumswohnungen im Sanierungsgebiet Helmholtzplatz festzustellen. Das Gebiet mit dem höchsten Anteil an Eigentumswohnungen ist mit 40 Prozent das Sanierungsgebiet Teutoburger Platz. Mit Ausnahme einer geringeren Eigentumsquote im Sanierungsgebiet Bötzowstraße (20 Prozent) weisen alle anderen Gebiete einen Eigentumsanteil von über 30 Prozent auf.

Tabelle 3: und Anteil von Eigentumswohnungen (Sanierungsgebiete Prenzl. , 2007)


Quelle: Bezirksamt Pankow und eigene Berechnungen

Diese für Berlin ungewöhnlich hohe Quote an Eigentumswohnungen in Wohngebieten bestätigt die hohe Attraktivität der Altbaugebiete in Prenzlauer Berg für Besserverdienende und ist zugleich ein deutliches Indiz für die hohe Neuvermietungsmieten im Gebiet. Selbst für Haushalte mit hohen und regelmäßigen Einkommen sind die Mietpreise oft so hoch, dass sie eine dauerhafte Perspektive im beliebten Wohngebiet mit dem Erwerb einer Eigentumswohnung sichern wollen. Selbst in Luxuswohnprojekten wie dem Marthashof in der Schwedter Straße mit Quadratmeterpreisen von deutlich über 3.000 Euro/qm haben 80 Prozent der Erwerber/innen bereits vorher in Prenzlauer Berg gewohnt. Auch viele Baugruppen argumentieren ihren Kaufentscheid mit den steigenden Mieten in den Nachbarschaften und sehen im Eigentumserwerb die einzige Lösung für eine langfristige Wohnperspektive in den Aufwertungsgebieten.

Dieser private Lösungsansatz setzt überdurchschnittliche ökonomische Ressourcen (Vermögen und Einkommen) voraus und bestätigt die Annahme eines zunehmend geschlossenen Wohnungsmarktes in den Sanierungsgebieten. Aus der Perspektive der Gentrification-Forschung werden hier die klassischen Prinzipien der immobilienwirtschaftlichen Inwertsetzung und Verdrängung sichtbar. Der Zuzug und dauerhafte Verbleib in den Gebieten wird zur Zeit – anders als in den Modernisierungsphasen der 1990er Jahre – fast ausschließlich von den ökonomischen Ressourcen der Bewohner/innen und Wohnungssuchenden bestimmt. Ökonomisch benachteiligte Haushalte sind unter diesen Bedingungen von einem Zuzug in die Sanierungsgebiete faktisch ausgeschlossen.

Die katastrophale Bilanz der Stadterneuerung in Prenzlauer Berg hinsichtlich der sozialen Entwicklungen zeigt, dass eine öffentlich Förderung, die vor allem als Investitionsanreiz angelegt ist, vor allem markförmige Verteilungsprozesse verstärken. Soziale Wohnungspolitik wird es wohl nur geben, wenn öffentliche Mittel zur Ausweitung marktferner Wohnungsversorgungselemente eingesetzt werden. Mit der Gesamtsumme der öffentlichen Mittel von über 1 Mrd. Euro in Prenzlauer Berg hätten da sicherlich eine Reihe von sozialen Spielräumen geöffnet werden können.

2 Gedanken zu „Berlin: Öffentlich finanzierte Verdrängung

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