In der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung Jungle World gibt es ein ausführliches Interview mit dem Stadtplaner Sigmar Gude von topos über die Ergebnisse der jüngsten Sozialstudien zu Kreuzberg: „Noch immer wird man als Krawattenträger in Kreuzberg 36 komisch angeschaut“.
Demnach weisen die Sozialstrukturen eine große Konstanz auf. „Es findet weder eine Verslumung statt, noch kommt es zu solch enormen Aufwertungstendenzen wie am Prenzlauer Berg.“ Dennoch wurden erhebliche Mietsteigerungen festgestellt:
Richtig ist, dass die Mieten recht stark steigen. Während sie in Kreuzberg 36 noch zu Beginn der neunziger Jahre oft unter dem Mietpreisspiegel lagen, liegen sie nun oft darüber. Insbesondere bei Neuvermietungen liegt der Durchschnittpreis nun bei sechs Euro netto-kalt pro Quadratmeter. Diese Mietsteigerungen bedrohen inzwischen nicht nur die Armen, sondern eben auch den Mittelstand. Auch dieser muss heute rund ein Drittel seines Einkommens für die Warm-Miete ausgeben. Aber die Mieten steigen überall, nicht nur in Kreuzberg, und insbesondere im unteren Marktsegment. Heutzutage streiten sich Menschen mit mittlerem und geringem Einkommen um dieselbe Wohnung.
Aber Sie haben in Kreuzberg 36 auch Aufwertungs-Tendenzen entdeckt? Ja, kleinräumig, besonders im Kiez um die Reichenberger Straße lassen sich solche Tendenzen beobachten. Im Reichenberger Kiez hatte sich die ursprüngliche Kreuzberger Bevölkerung in den siebziger Jahren am längsten gehalten, hier sind die Migranten und das alternative Milieu erst später eingewandert. Aber dort gab es schon immer edles Wohnen am Paul-Lincke-Ufer, und an diese erste Reihe dockt sich nun eine zweite Reihe in den Nebenstraßen an.
Eindeutiger hingegen wird die Situation für die Ostberliner Innenstadtbezirke bewertet:
Am Prenzlauer Berg und in Mitte hat eine umfassende Gentrifizierung stattgefunden. Von den Menschen, die 1993 rund um den Kollwitzplatz wohnten, leben heute noch 18 Prozent dort. Selbst das mittelständische Berliner Bürgertum beklagt sich inzwischen über ihre Vertreibung aus den Kernzonen von Mitte, weil es die Mieten nicht mehr bezahlen kann. Doch die Nachfrage nach diesen hochpreisigen Quartieren ist begrenzt. In Kreuzberg 36 wohnen rund 33 Prozent der Bevölkerung schon länger als 20 Jahre im Stadtteil. Dabei gibt es in den Altbaugebieten einer Großstadt einen natürlichen Bevölkerungsaustausch, der liegt bei etwa zehn bis zwölf Prozent pro Jahr. Dies ist kein Anzeichen für Vertreibung, sondern die Leute kommen und gehen.
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