Kreuzberg: Aufwertung ohne Fast-Food

Dass Mietsteigerungen und Aufwertungen auch um Kreuzberg keinen Bogen machen, wurde hier im gentrification blog schon an der einen oder anderen Stelle beschrieben: steigende Mietpreise im Reichenberger Kiez, Car Loft und Zwangsversteigerungen bestimmten die Schlagzeilen auf Webseiten und linken Postillen. Ganz anders die Berichterstattung der Mainstreampresse. Die Welt hat den Kiezkampf für sich entdeckt, doch Mieten und Investitionen spielen dabei keine Rolle. Statt dessen geht um Hassattacken gegen US-Fastfood-Ketten. Im dem Medium üblichen Alarmismus wird eine eingeschlagene Scheibe und eine gesprühte Parole am neuen Sandwichladen der Subway-Kette zur Schlagzeile „Extremisten zertrümmern Existenz eines Kleinunternehmers in Kreuzberg“ hochgepusht. Andere sprechen sogar von Terror in Kreuzberg und

hoffen, daß sich die Tendenz zur Aufwertung (Gentrification) dieses Bezirks fortsetzt und der Terror gegen Gastronomen nur das letzte Aufbäumen der linksradikalen Szene darstellt.

Die Welt stellt die Proteste gegen die das Subway an der Schlesischen Straße in eine Reihe mit der früheren Aufregung um die Eröffnung einer McDonald’s-Filiale in Kreuzberg:

Seit Mai hat es laut Polizei keine Anschläge mehr auf die McDonald’s-Filiale gegeben. Die letzte Pressemitteilung von der Initiative „McWiderstand“ ist mehr als ein Jahr alt. Dafür fliegen die Steine jetzt wenige Ecken weiter. Anfang August eröffnete an der Schlesischen Straße ein Sandwichladen der US-Kette Subway. Der Laden sieht schon ziemlich ramponiert aus. Die Schaufensterscheiben sind zersplittert und werden von Klebeband zusammengehalten, die Hauswand ist mit Farbe beschmiert und über das Logo Subway hat jemand „Suckway“ gesprüht.

Soweit die antiamerikanischen Hassattacken… Doch wirklich existenzbedrohend für den Franchise-Nehmer von Subway hingegen scheint vor allem die ausbleibende Kundschaft zu sein. Christoph Villinger schreibt in der Jungle World:

Selbst an einem Donnerstagabend ist sein Laden gähnend leer, während sich an den Döner-Buden direkt am Schlesischen Tor lange Schlangen bilden. Dort bekommt man »Super-Döner« für zwei Euro, während man bei Subway für ein Sandwich mit einem so beeindrucken­den Namen wie »Chicken Teriyaki« mindestens vier Euro hinblättern muss.

Die Kreuzberger scheinen es auch nicht zu schät­zen zu wissen, dass sie sich auf einem der mit rotem und grünem Kunstleder überzogenen Stüh­le und mit einem Sandwich der Kette so fühlen dürfen wie an 30 000 anderen Orten auf der Welt. Ob in Berlin, Gelsenkirchen, Barcelona oder Ohio, in Afghanistan, Bolivien oder auf den Cayman Islands – Subway rühmt sich, seit 2001 die Einrichtung aller Restaurants im einheitlichen so genannten Toskana-Stil zu halten. Und weltweit werden die gleichen Sandwiches angeboten.

Ein Portal des Gastgewerbes titelt in der Rubrik Gastgewerbe Gedankensplitter sogar: Terror in Kreuzberg. Die Gastronomen lesen ganz offensichtlich nicht nur die „linksradikale“ Jungle World, sondern auch den gentrificationblog: Im eintrag heisst es:

Jungle World ist eine linksradikale Wochenzeitung aus Berlin, in der gelegentlich aber auch Autoren zu Wort kommen, die vermeintlich linke Positionen räumen. Mehr über die Geschichte dieser Zeitung im Wikipedia-Artikel „Jungle World“. Wenn man sich über Gewerkschaftskampagnen gegen Kollegen aus dem Gastgewerbe informieren will, ist „Jungle World“ eine vorzügliche, wenn auch einseitige Quelle.

In der Ausgabe vom 23. Oktober 2008 wird von Christoph Villinger gegen den Franchisegeber Subway polemisiert: „Wie ein Sandwich dem anderen“. Berichtet wird über den jungen Berliner Franchisenehmer und Existenzgründer David B. in Berlin-Kreuzberg, der zur Zeit terrorisiert wird. Statt den Existenzgründer zu loben, der auf eigenes Risiko versucht, Arbeitsplätze zu schaffen, nur billige Polemik (…)
Aber was kann man in einem Bezirk, in dem der Anwalt der RAF Hans-Jürgen Ströbele zum Direktkandidaten gewählt worden ist, und ein großer Teil der Bevölkerung in den Tag hinein lebt und sich vom Staat durchfüttern läßt, anderes erwarten? Bleibt zu hoffen, daß sich die Tendenz zur Aufwertung (Gentrification) dieses Bezirks fortsetzt und der Terror gegen Gastronomen nur das letzte Aufbäumen der linksradikalen Szene darstellt. Diese „Yuppisierung“ wird in Kreuzberg teils aber auch kritisch beäugt, etwa vom Gentrification Blog.


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