Kultur der Aufwertung

Es gilt als relativ unumstritten, dass Gentrification auch eine kulturelle Dimension hat. Das Verhältniss von Kultur und Aufwertung wird oftmals mit Pioniermetaphern beschrieben. Kulturelle, oftmals subkulturelle Aktivitäten werden dabei als Anzeichen für eine gesteigerte Attraktivität eines Gebietes angesehen – insbesondere für die sogenannten Kreativen. Kulturproduzenten als Türöffner und Motor von Aufwertungsprozessen.

Das Beispiel Wilhelmsburg in Hamburg zeigt, dass diese Pionierfunktion der Kultur auch ganz bewusst für eine gewünschte Aufwertung eingesetzt wird. Die Welt fabuliert in einem Bericht über den „kulturellen Sprung über die Elbe“. Bekannte Rockbands und Kunstaktionen sollen mehr Kreative nach Wilhelmsburg locken.

Gefördert wird das Spektakel erneut von der Internationalen Bauausstellung Hamburg (IBA). Der Plan, mit dem Festival eine junge kreative Zielgruppe zum „Sprung über die Elbe“ zu animieren und für den Süden der Hansestadt zu begeistern, scheint aufzugehen. „Die Nachfrage nach Atelierräumen wächst, immer mehr Leute scheinen sich von der urban-ländlichen Hafenromantik angezogen zu fühlen“, sagt IBA-Sprecherin Iris Groscurth. Nicht nur die im Verhältnis zu innerstädtischen Quartieren moderaten Mietpreise seien ein Anziehungspunkt – auch die Aufbruchstimmung, die in dem viele Jahre als Problemviertel stigmatisieren Stadtteil herrscht, ziehe Kreative an.

Sind die Aufwertungsprozesse dann soweit vorangeschritten, dass sich ökonomische Effekte in der Nachbarschaft in Form steigender Mieten niederschlagen, sind die Kulturschaffenden oft die ersten, die aus den Gebieten verdrängt werden.

In der schweizer Wochenzeitung WOZ gibt es einen lesenswerten Artikel über das Vision Festivals in New York. Unter dem Titel „Freie Töne in dünner Luft“ beschreibt Fredi Bosshard die Schwierigkeiten von Musikläden und Clubs ihre Standorte in der Lower Eastside trotz der steigenden Mietpreise zu halten:

Von einem Besuch der meisten dieser Orte hätte man vor einigen Jahren noch allen TouristInnen abgeraten. Inzwischen ist die Gentrifizierung in der Lower East Side vorangeschritten. Die Mieten steigen rasant, hippe Bars und Designershops werden wie Edelsteine in die Häuserzeilen eingesetzt und verdrängen die eingesessenen Eckläden. An der Bowery hat vor einigen Monaten das raffiniert geschachtelte New Museum der Architekten Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa aus Tokio die Tore geöffnet, etwas davon entfernt steht «Blue», ein 17-geschossiger Kris­tall mit 32 Apartments der Luxusklasse von Bernard Tschumi Architects (Paris/New York). Beide Gebäude überragen ihre Umgebung und lassen für die kleinen Läden in der Nachbarschaft die Luft dünn werden.

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