Berlin | Zürich: Gentrification light?

Gentrification ist ein „dirty word“ (Neil Smith). Auch aktuelle Beispiele zeigen, dass vor allem Stadtverwaltungen und die Immobilienwirtschaft in eine Rhetorik der Verharmlosung verfallen, wenn es darum geht, Verdrängungsprozesse zu beschreiben.

Beispiel Zürich: Die Neue Züricher Zeitung argumentiert im Artikel Übertriebene Angst vor «Yuppisierung» an der Langstrasse, dass die Verdrängung nicht so drastisch sei, wie wahrgenommen. Zwar habe es größere soziale Veränderungen gegeben, aber die könne nicht als Verdrängung beschrieben werden, schließlich seien die früheren Bewohner/innen aus anderen Gründen ausgezogen… (mehr)

Beispiel Berlin Prenzlauer Berg: Um den Erfolg der Berliner Stadterneuerungspolitik zu demonstrieren wählte die Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) ausgerechnet den Kollwitzplatz in Prenzlauere Berg aus. Nein, es ging ihr nicht um die magere soziale Bilanz von 15 Jahren Sanierung (mehr dazu hier im gentrificationblog) sondern um die Vorstellung des Campus der Grundschule am Kollwitzplatz als ‚gelungenes Beispiel für eine familiengerechte Stadterneuerung‘. Um solche Erfolge zu zelebrieren, wird das verpassten Sanierungsziel einer sozial verträglichen Modernisierung einfach ausgeblendet. Auch eine Variante, sich eine Realität zu schaffen. Im Neuen Deutschland ist die Jubelveranstaltung anschaulich beschrieben: Respekt vor Kindern am Kollwitzplatz.

Beispiel Berlin Neukölln: Eine kürzlich vorgestellte Studie zur boomenden Kreativwirtschaft hat gerade wieder Neukölln und sogar Teile von Wedding als künftige hot-spots der Aufwertung identifiziert. In der Berliner Morgenpost (Studie sagt Berlins Kreativwirtschaft starkes Wachstum voraus) heisst es:

Bereits durch diese erste Studie werde deutlich, welche Impulse von den Kreativen ausgingen und wie Kunst und Kultur Stadtteile, auch im sozialen Bereich, verändern könnten. Als Beispiel nannte sie „Szene-Quartiere“ wie Nord-Neukölln und Wedding.

Um nicht auf den Gedanken zu kommen, solche Impulse könnten irgendwas mit Aufwertung oder Verdrängung zu tun haben, gibt es den Plötz-Immoblienführer: In Neukölln muss man steigenden Miete nicht fürchten (Berliner Morgenpost). Na, dann wird ja alles gut…

Im Text zu Zürich heisst es ausführlicher:

Die Zürcher Langstrasse werde immer mehr zum Trendquartier, die alteingesessenen Bewohner würden vertrieben. So klagen momentan viele im Kreis 4. Eine Studie zeigt nun aber, dass die Ängste übertrieben sind: Die Lebensqualität im Langstrassenquartier hat sich in den letzten Jahren verbessert, ohne dass es zu grossen Verdrängungen gekommen wäre.

Manch ein langjähriger Quartierbewohner klagt über «Trendbünzlis» und die zunehmende «Yuppisierung». Zu eigentlichen Umwälzungen in der Bevölkerung haben die Einzelprojekte bisher aber nicht geführt. (…) In der untersuchten Zeit von 1990 bis 2007 wandelte sich das Langstrassenquartier zwar tatsächlich, die grössten Veränderungen fanden aber bereits in der Zeit zwischen 1995 und 2001 statt. Für diese Phase ist statistisch eine deutliche Zunahme an Arbeitsplätzen der Kreativwirtschaft festzustellen. Dies deutet auf eine «symbolische Umwertung der Langstrasse zum Trendquartier» hin, wie der Projektleiter Orlando Eberle schreibt. Ab Mitte der neunziger Jahre nahm auch die Neubautätigkeit zu. Wegen dieser Neubauten wurden manche der früheren Bewohner verdrängt, laut dem Bericht ist das Ausmass der Verdrängung allerdings gering. Die meisten Leute seien aus andern Gründen weggezogen.

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