Szenen der Aufwertung

In der heutigen Ausgabe der Frankfurter Rundschau findet sich auf den Magaizinseiten ein längerer Beitrag zur Aufwertung in Innenstadtvierteln: „Jung, ledig sucht…„. Der etwas reißerische Untertitel liest sich wie eine Anleitung zur Gentrification:

„Am Anfang sind es Studenten und Künstler, die einen Stadtteil entdecken. Wir verraten, wie daraus eine Szeneviertel entsteht und welche Quartiere in Zukunft besonders gefragt sein werden.“

Doch der Beitrag selbt geht wesentlich kritischer mit den vielerorts stattfindenden Aufwertungsdynamiken um. An Beispielen in Frankfurt/Main (Bahnhofsviertel), Hamburg (Veddel), Berlin (Oranienburger Vorstadt), Leipzig (Plagwitz) und München (Westend) werden die Übergänge von symbolischen zu  sozialen und ökonomischen Aufwertungen beschrieben:

„Gentrifizierung“ nennen Soziologen diesen Wandel vom heruntergekommenen Stadtteil zum hippen Szeneviertel. Der Wandel verläuft immer nach dem gleichen Muster. Zunächst ziehen Künstler und Studenten wegen der günstigen Mieten in Arbeiter- oder Migrantenviertel und etwas heruntergekommene Stadtteile. Sie machen die Viertel interessant für Einzelhändler und Gastronomen, die Boutiquen, Kneipen, Cafés und Restaurants eröffnen.

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Schnell wird das Viertel auch für Besserverdienende interessant und etwas später auch für Familien mit Kindern. Aus dem einstigen „Geheimtipp“ wird dann ein gutbürgerliches Viertel mit schicken Restaurants, Biosupermärkten und Cafés, in denen Mütter Latte Macchiato trinken. Kritiker sprechen daher auch von der „Latte Macchiatoisierung“ einzelner Stadtteile. Auf der Strecke bleiben die ersten Bewohner des Viertels: Studenten, einfache Arbeiter und Migranten können sich die jetzt in die Höhe geschnellten Mieten in den inzwischen oft sanierten Wohnungen nicht länger leisten, sie müssen in die Randbezirke ausweichen.

Als Experte kommt Prof. Dr. Frank Schröder von der Ludwik-Maximilian-Uniuversität München zu Wort. Er bezeichnet die Innenstadtnähe als absolutes Muss für solche Aufwertungsdyanamiken und schließt Prozesse der De-Gentrification aus:

Einmal in Gang gekommen sei der Gentrifizierungsprozess nicht mehr aufhaltbar, meint Frank Schröder. „Wir haben uns oft gefragt, ob es nach der Aufwertung nicht auch wieder einen Abstieg geben müsste, bislang ist davon aber nichts bekannt“, sagt Schröder. Zwar kamen manche Viertel wie Schwabing in München aus der Mode. Sozioökonomisch stürzten sie aber nicht ab, denn das Geld und die „Aufwerter“ seien noch da.

Die vorgestellten Viertel sind Aufwertungsquartiere im Schatten der üblichen Verdächtigen in Sachen Gentrification. Es geht in Kurzporträts der Aufwertung mal nicht um Prenzlauer Berg, St. Pauli oder München-Schwabing. Dass die dargestellten Entwicklungsdynamiken dennoch klassischen Gentrificationcharakter aufweisen, beweist mal wieder, dass Gentrifcation kein begrenzter Prozess ist, sondern einer zirkulären Logik folgt. Die oftmals beschriebenen Aufwertungsketten, Pionierkarawanen und Verdrängungswellen sind eben keine Erfindungen des Feuilletons, sondern Ausdruck eines zyklischen Kapitalverwertungsprozesses auf den Boden- und Wohnungsmärkten.

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